Mirjam Comtesse, Berner Zeitung
Die SBB wollen ihr Ticketing-System revolutionieren: Der Kunde soll künftig erst nach dem Zugfahren bezahlen.
Billette zu lösen, dürfte in nicht allzu ferner Zukunft passé sein. Darin zeigten sich SBB, BLS und Südostbahn diese Woche an der Branchentagung zur «ÖV-Mobilität der Zukunft» einig. Jeannine Pilloud, Chefin Personenverkehr bei den SBB, erklärte, wie sie sich das Reisen in zehn Jahren vorstellt: «Einzelreisen müssen so bequem werden wie heute Fahrten mit einem Generalabonnement», sagte sie.
Vielleicht schon ab 2020
Das heisst, Kunden sollen einfach losfahren können, ohne zuerst ein Ticket zu kaufen. Dafür müssten allerdings zuerst alle Züge und öffentliche Verkehrsmittel mit Sensoren ausgerüstet sein, die registrieren, wenn jemand ein- oder aussteigt. Im Fachjargon spricht man von einem Bibo-System («be in, be out»). Damit setzen die SBB auf eine andere Technologie als die BLS, die gerade eine App testet, die nach dem Cico-Prinzip funktioniert («check in, check-out»). «Das Problem bei dieser Lösung ist, dass einige Kunden vielleicht vergessen auszuchecken und am Ende eine zu teure Rechnung erhalten», sagte Jeannine Pilloud.
Die grösste Herausforderung sei, dass man für die Berechnung der Preise die Fahrten der Passagiere zurückverfolgen müsse. «Für das dafür nötige Tracking müsste erst die gesetzliche Grundlage geschaffen werden», sagte die Personenverkehrschefin. Der Kunde würde eine elektronische Abrechnung erhalten. Darauf würde er auch erfahren, wie viel Rabatt er allenfalls erhält, wenn er im aktuellen Monat beispielsweise für weitere 100 Franken Bahn fährt. Zudem gäbe es eine Obergrenze: «Egal, wie viel jemand fährt, er muss nie mehr zahlen, als es dem Wert des GA entspricht.»
Das neue System wolle man bis spätestens 2025 einführen, «vielleicht aber auch schon 2020». Als Chipkarte, welche die Fahrgäste auf sich tragen, soll der bereits existierende Swiss Pass dienen. Jeannine Pilloud betonte aber, dass alle, die herkömmliche Billette lösen wollen, dies auch künftig noch können.
SOB einen Schritt voraus
Dem Direktor der Schweizerischen Südostbahn (SOB), Thomas Küchler, geht dies alles zu wenig schnell. Er erklärte am Freitag an der ÖV-Tagung, die SOB wolle bereits Ende Jahr ein Bibo-System betreiben. Zurzeit laufe ein Pilotprojekt mit dem Voralpen-Express, der Luzern und St. Gallen miteinander verbindet.
Er betonte, der Installationsaufwand für die Sensoren, welche das Ein- und Aussteigen registrieren, werde laufend günstiger, da sich die Technologie weiterentwickle. Er schätze die gesamtschweizerischen Kosten auf eine «zweistellige Millionenzahl».
GA dürfte bald mehr kosten
Auch ihr Tarifsystem wollen die SBB anpassen. Wie bereits bekannt, plädiert der Verband öffentlicher Verkehr (VÖV) dafür, die Billett- und Abopreise mit dem nächsten Fahrplanwechsel im Schnitt um drei Prozent anzuheben. Jeannine Pilloud führte aus, welche Vorschläge die Branche dem Preisüberwacher unterbreitet hat: «Beim Halbtax soll es gemäss den ursprünglichen Plänen des Preisüberwachers keine Steigerung geben, der Normaltarif soll nur unterdurchschnittlich erhöht werden.» Wer Einzelfahrten bucht, soll also nur leicht mehr zahlen. In der Folge müsste das GA um mehr als drei Prozent aufschlagen. Dies entspricht dem Ziel der Branche, Pendler, die heute am meisten profitieren, mehr zahlen zu lassen und dafür Freizeitreisende zu entlasten. Die Hoffnung ist unter anderem, dass so mehr Leute zu den Nebenverkehrszeiten reisen.
«Mit dem Fahrplanwechsel 2017 wollen wir dann Sparbillette 2.0 einführen», sagte Jeannine Pilloud. Das bedeutet, dass die vergünstigten Angebote für mehr Strecken erhältlich sein werden. Und Ende 2018 wolle die Branche die Preise saisonal und nach Strecke differenzieren. Gewisse Strecken könnten so je nach Jahreszeit mehr oder weniger kosten.
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