Rafael Zeier, Tages Anzeiger
Neben dem Inhalt digitaler Kommunikation interessiert Geheimdienste ganz besonders, wer mit wem wie verbunden ist. Was sich aus diesen Daten alles schliessen lässt, zeigt ein Selbstversuch.
Andere Menschen auszuspionieren, ist aufwendig und moralisch äusserst heikel. Das zeigt die aktuelle Diskussion um Geheimdienste, angezapfte Glasfasernetze und riesige Serverfarmen deutlich. Eine Schlüsselrolle spielen dabei die sogenannten Metadaten. Darunter versteht man etwa bei E-Mails nicht den Inhalt, sondern den Adressaten, den Absender und die Zeit. Bei einem sozialen Netzwerk sind dies die Vernetzungen: wer mit wem verbunden ist.
Warum Metadaten auf so grosses Interesse stossen, lässt sich in einem Selbstversuch demonstrieren. Statt geheimer Daten anderer Menschen kann man viel einfacher seine eigenen und öffentliche Metadaten analysieren, die im Internet reichlich vorhanden sind.
Auf den ersten Blick scheinen die in Metadaten enthaltenen Informationen äusserst trivial. Aber mit der richtigen Software wird aus der vermeintlich unspektakulären Freundesliste viel mehr als eine blosse Liste. Eindrücklich zeigt dies das frei zugängliche Facebook-Analyse-Tool Touchgraph.
Eine wilde Wolke
«Loading Friendships» verkündet das Programm. Ein Fortschrittsbalken wandert langsam von links nach rechts. Und dann gehts los. Aus dem Nichts entsteht eine wild oszillierende Wolke aus farbigen Kreisen und Linien.
Schliesslich beruhigt sich das Wirrwarr, und übrig bleibt ein Gebilde, das entfernt an ein Gehirn erinnert. In der Mitte dieser Grafik findet man sich selbst. Jeder weitere Kreis steht für einen Facebook-Freund. Jede Linie zeigt, mit welchen anderen Facebook-Freunden dieser vernetzt ist. Die verschiedenen Farben zeigen Mini-Netzwerke im grossen Netzwerk. Untersucht man, welcher Facebook-Freund in welcher Gruppe gelandet ist, fühlt man sich schlagartig so richtig durchschaut. Die Software hat - faszinierend und schockierend zugleich - die eigenen sozialen Lebenswelten kartografiert.
Da sieht man etwa in der rechten Hälfte farblich getrennt frühere und spätere Arbeitskollegen. Sogar die WK-Kollegen bilden ein eigenes Grüppchen. In der unteren Hälfte sind Schul- und Uni-Freunde, und um den eigenen Kreis herum gruppiert die Software ein Netzwerk von Konzertveranstaltern, ein Überbleibsel vergangener Radiotage.
Mit einem Klick auf einen Kreis sieht man, wen die Person dahinter sonst noch kennt. So überrascht es nicht, dass ein Kindergartenkollege, der später ein Arbeitskollege wurde, irgendwo zwischen diesen beiden Netzwerken verortet wird. Da die Datenwolke interaktiv ist, lässt sie sich gezielt anpassen. Man kann sie etwa auf seine 20 bestvernetzten Freunde reduzieren oder einzelne Aspekte besonders hervorheben.
Der gläserne Bundesrat
Neben Facebook lässt sich auch Twitter auf ähnliche Art analysieren. Da dieser Dienst grösstenteils öffentlich ist, ist man nicht auf das eigene Netzwerk beschränkt. Man kann etwa auch die Tweets eines Bundesrats auswerten. Mentionmapp zeigt, wer wen in seinen Tweets häufig erwähnt und zu welchen Themen jemand twittert. So erhält man viel schneller einen Überblick, als wenn man eine ganze Liste mit Tweets lesen würde. Allerdings gewährt Twitter solchen Tools immer nur Einblick in eine beschränkte Anzahl Tweets eines Nutzers. Man bekommt damit eine Momentaufnahme präsentiert, aber keine komplette Twitter-Geschichte.
Ist man an längeren Datenreihen interessiert, kommt Immersion ins Spiel. Das Tool dreier Forscher kann die Metadaten aller Mails eines Google-Mail-Kontos auswerten. Sind die Daten einmal abgegriffen, errechnet es detaillierte Karten der eigenen Kommunikations- und Lebenswelten. Besonders spannend ist es, die Entwicklung dieser Netzwerke über mehrere Jahre zu beobachten: Neue kommen dazu, alte fallen weg.
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