E-Health: Der Kanton Zürich schafft eine Datenbank für Patienten. Das kann krank machen – vor Misstrauen.
Es klingt nach einer guten Nachricht. Doch das geistige Immunsystem schaltet automatisch auf Abwehr.
Medikamente, Allergien, Spitalaufenthalte, Röntgenbilder; diese Angaben sollen ab 2016 so gespeichert werden, dass alle behandelnden Fachleute sie abrufen können. «Elektronisches Patientendossier» nennt sich das. Der Kanton Zürich will es vor dem Rest der Schweiz einführen. Informationen im Gesundheitssystem zirkulieren so stockend wie Blut durch verkalkte Arterien. Drei Viertel der Krankenakten sollen sich heute noch auf Papier befinden. Oft weiss ein Arzt nicht, was sein Vorgänger herausgefunden hat, weil der Unterlagen nicht weiterleitet. «E-Health» soll diesen Austausch verflüssigen. Bis vor kurzem hätte man das als Fortschritt gefeiert. Doch digitale Paranoia hat die digitale Euphorie abgelöst. NSA-Enthüllungen und Big-Data-Geschichten führen vor: Wo Daten gesammelt werden, will man sie auch bewirtschaften.
Wenige Daten können so viel Schaden anrichten wie jene zur Gesundheit. Ein Extrembeispiel: Weiss ein Arbeitgeber, dass Job-Bewerber Antidepressiva schlucken, viel trinken oder ständig ins Spital müssen, wird er gesündere Konkurrenten bevorzugen. Auch Krankenkassen meiden solche Menschen. Den Grund für ihre Niederlagen werden die Abgewiesenen niemals erfahren. Datenbanken hinterlassen stille, wehrlose Opfer.
Zahlreiche Sicherungen
Um Missbrauch zu verhindern, bauen die Behörden mehrere Sicherungen ins E-Health-System. Es gibt keinen Zentralrechner, auf dem alle kompletten Dossiers gespeichert sind. Diese liegen weiterhin verstückelt auf den Computern der Ärzte, Apotheker oder Spitäler. Mehrere Register verlinken diese Daten miteinander.
Jeder Bürger entscheidet frei, ob er eine E-Akte will. Sagt er Ja, kann er mit Passwörtern steuern, welche Angaben er wem anvertraut. Sonst erhält niemand Zugriff. Zudem können die Patienten nachprüfen, wer ihre Unterlagen eingesehen hat. Laut Datenschützern bringt das System alle Voraussetzungen mit, um Missbrauchsversuchen standzuhalten.
So theoretisch, so gut. Doch der digitale Argwohn wittert weitere Gefahren. Jedes Computersystem lässt sich knacken, die Schutzwälle könnten unter politischem Druck erodieren. Freiwilligkeit endet ausserdem oft im kollektiven Zwang. Wenn sich die E-Akte bewährt, muss sich jeder rechtfertigen, der keine will. Viele werden dem Druck nachgeben.
Am Ende bleibt wohl nichts anderes übrig. Wer nicht auf Kreditkarte oder Handy verzichten will, muss schon heute seine Paranoia zügeln und dem staatlichen Datenschutz vertrauen.
Dem grössten Risiko liefern sich Menschen sowieso freiwillig aus, indem sie Gesundheits-Apps aufs Handy laden oder medizinische Geräte am Körper tragen. Diese zählen Schritte, messen den Puls, analysieren Mahlzeiten, beobachten den Schlaf.
Unter dem Vorwand, das eigene Verhalten besser zu verstehen, liefern Nutzer dadurch intime Informationen an private Unternehmen. Aus den Datenmengen werden Erkenntnisse errechnet, die genauer sein können als jene in der E-Health-Akte (ob jemand die Veranlagung zu Diabetes mitbringt, zum Beispiel). So verraten sich Risikopatienten gleich selber. Hier kann digitale Paranoia heilsam wirken.
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