By sponline, Soziale Medizin Online
Juristinnen und Juristen äussern ernsthafte Bedenken gegen die heutige Praxis der Observation durch die Organe der Invalidenversicherung. Eine IV-Juristin kann allerdings nicht nachvollziehen, dass eine Observation unter Umständen Persönlichkeitsrechte verletzt. Ärztliche Gutachter äussern hingegen Zweifel am Nutzen von Observationsergebnissen. Eindrücke von einer Tagung an den UPK Basel zum Thema Begutachtung und Observation.
Am 13. November fand in den Universitären Psychiatrischen Kliniken (UPK) Basel eine Veranstaltung zur Observation in der Begutachtung statt. Neben Psychiatern und vielen Klinikmitarbeitern nahmen eine grosse Zahl von Juristinnen und Juristen daran teil. Nachdem der Leiter der Abteilung Versicherungsmedizin, Prof. Dr. R. Mager, eine Fallvignette (bezeichnenderweise eines Ex-Jugoslawen) präsentiert hatte, in der er auch die Schwierigkeit beim Umgang mit den Resultaten von Observationen darlegte („was soll ich mit 7 Stunden Filmmaterial anfangen, in denen der Observierte auf dem Töff, beim Reden mit Bekannten auf der Strasse, beim Schneeschaufeln etc. gezeigt wird”) kam die Juristin Yvonne Bollag, Leiterin der asim, zum Kernproblem: Ist es juristisch haltbar, dass in einer Begutachtungssituation Material von Observationen verwendet wird, von dem der Begutachtete nicht weiss, dass es existiert? Muss nicht eine Begutachtungssituation von absoluter Transparenz gekennzeichnet sein ? Ist es nicht höchst fragwürdig, dass vom Bundesgericht eine Observation nur als leichter Eingriff in die Persönlichkeitssphäre eingestuft wird und mit dieser Argumentation geschützt wird? Die normative Macht von Bildmaterial ist gross und muss kritisch hinterfragt werden.
Misstrauen, Angst und Vertrauensverlust
Besonders von den anwesenden Juristinnen und Juristen wurde der aktuelle Stand der Rechtssprechung in Frage gestellt und eine dringende Änderung der Beurteilung gefordert. Die stellvertretende Leiterin der Abteilung Fallmanagement bei der IV-Stelle Bern, die Fürsprecherin Claudia Vivalda, kann hingegen der seit fünf Jahren in Bern durchgeführten Observierungspraxis nur Positives abgewinnen. Sie spricht von einer Win-Win-Situation. Die Kombination von Observation von Begutachtung sei hilfreich. Observationen würden in Bern eingesetzt bei „Rentenbegehrlichkeit, wenn glaubhafte Informationen von Drittpersonen vorliegen und bei Inkongruenzen in den Akten“. Dass hier Persönlichkeitsrechte verletzt werden könnten, war ihr fremd. Sie konnte oder wollte das nicht verstehen. Auch dass Observation, wenn sie als Selbstverständnis in den Alltag Einzug hält, zu Misstrauen, Angst und zu einem Vertrauensverlust in die Behörden führen kann, konnte sie nicht nachvollziehen.
Dass von juristischer Seite ernsthafte Bedenken gegen die heutige Praxis der Observationen geäussert werden, lässt hoffen, dass diese und die aktuelle Rechtssprechung dazu unter Druck geraten.
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