Revision des Bundesgesetzes über den Nachrichtendienst

8. September 2022

Frau Bun­des­rä­tin Vio­la Am­herd

Eid­ge­nös­si­sches De­par­te­ment für Ver­tei­di­gung, Be­völ­ke­rungs­schutz und Sport

Bun­des­haus Ost

3003 Bern

Sehr ge­ehr­te Frau Bun­des­rä­tin Vio­la Am­herd

Sehr ge­ehr­te Da­men und Her­ren

Ger­ne nut­zen wir die Ge­le­gen­heit zur Stel­lung­nah­me zum Ent­wurf der Re­vi­si­on des Bun­des­ge­set­zes über den Nach­rich­ten­dienst (Nach­rich­ten­dienst­ge­setz, NDG) vom 25. Sep­tem­ber 2015.

In­halts­ver­zeich­nis

1. Ein­lei­ten­de An­mer­kun­gen 4

2. Auf­wei­chung der Da­ten­be­ar­bei­tungs­schran­ke 5

2.1. Art. 5 Abs. 5 nNDG - «kei­ne Per­so­nen­da­ten» 5

2.2. Art. 5 Abs. 5 nNDG - Aus­nah­me ad­mi­nis­tra­ti­ve Auf­ga­ben 8

2.3 Art. 5 Abs. 6 lit. b und Art. 5 Abs. 8 nNDG 9

2.4. Art. 5 Abs. 6 lit. c nNDG - Schutz ei­ner Or­ga­ni­sa­ti­on oder Per­son 9

2.5 Art. 45 Abs. 4 nNDG 9

2.6 Art. 46 nNDG - Prü­fung der An­wen­dung von Art. 5 Abs. 5 nNDG 10

3. Aus­kunfts­recht 11

3.1. Art. 63a Abs. 8 nNDG - Ver­wei­ge­rung des Aus­kunfts­rechts 11

3.2. Art. 64 nNDG - Aus­kunft im Rah­men der ELD 12

4. Ge­neh­mi­gungs­pflich­ti­ge Be­schaf­fungs­mass­nah­men (GEBM) 13

4.1. Art. 14 nNDG - ver­deck­te prä­ven­ti­ve Über­wa­chung mit­tels Or­tungs­ge­rät 13

4.2 Be­din­gun­gen der Ge­neh­mi­gung 14

4.2.1. Art. 27 Abs. 1 lit. a Ziff. 1 nNDG- Er­wei­te­rung auf ge­walt­tä­ti­gen Ex­tre­mis­mus 14

4.2.2. Art. 27 Abs. 1 lit. a Ziff. 2 nNDG - Über­wa­chung zu­guns­ten frem­der Staa­ten 16

4.3. Ge­neh­mi­gungs­ver­fah­ren 17

4.3.1. Art. 29 nNDG- An­trag für GEBM 17

4.3.2. Art. 29a Abs. 5 nNDG - GEBM im Aus­land 18

4.4. Art. 29b und 30 nNDG - Dau­er der Ge­neh­mi­gung und Ver­län­ge­rung von GEBM 19

4.5. Art. 33 nNDG - Mit­tei­lung an von Über­wa­chung be­trof­fe­ne Per­so­nen 21

4.6. Art. 50 nNDG - Da­ten aus ge­neh­mi­gungs­pflich­ti­gen Be­schaf­fungs­mass­nah­men 22

4.6.1. Ver­nich­tung und Aus­son­de­rung von Da­ten 22

4.6.2. Art. 50 Abs. 2 nNDG - Durch das Be­rufs­ge­heim­nis ge­schütz­te Da­ten 23

4.7. Art. 83 nNDG - Rechts­we­ge 24

4.8 Art. 26 Abs. 1 lit. f und g nNDG - ver­deck­te Über­wa­chung von Bank­be­zie­hun­gen und Fi­nanz­trans­ak­tio­nen 25

4.9 Art. 28 nNDG - An­ord­nung ge­neh­mi­gungs­pflich­ti­ger Be­schaf­fungs­mass­nah­men ge­gen­über Dritt­per­so­nen 27

4.10. Art. 37 nNDG - Dring­li­che An­ord­nung des Ein­drin­gens in Com­pu­ter­sys­te­me und Com­pu­ter­netz­wer­ke im Aus­land 30

4.11. Art. 38 NDG (Funk­auf­klä­rung) und Art. 39 ff. NDG (Ka­belauf­klä­rung) 30

4.12. Art. 39 nNDG - Ka­belauf­klä­rung ge­gen schwei­ze­ri­sche na­tür­li­che oder ju­ris­ti­sche Per­so­nen im Aus­land 31

4.13 Art. 41 Abs. 3 nNDG - Aus­wei­tung der Frist 31

4.14. Art. 42 nNDG - Ana­ly­se von Si­gna­len und Da­ten aus be­ste­hen­den Auf­trä­gen zur Ka­belauf­klä­rung 32

5. Qua­li­täts­si­che­rung: Art. 58b nNDG - Nach­rich­ten­dienst­li­che Per­so­nen­da­ten des NDB 33

6. «In­ter­net» statt «Cy­ber­raum» 34

6.1 Art. 6 Abs. 1 lit. b nNDG 34

6.2 Art. 19 Abs. 2 lit. f nNDG 34

7. Art. 75 ff. NDG - Kom­plett­re­vi­si­on der Auf­sichts­be­hör­de AB-ND 34

8. Straf­recht­li­che Be­stim­mun­gen 34

8.1. Art. 83a nNDG ­- Or­ga­ni­sa­ti­ons­ver­bot 34

8.2. Art. 83b i.V.m. Art. 73 Abs. 1 nNDG - Tä­tig­keits­ver­bot 35

8.3. Art. 83c nNDG - Un­ge­hor­sam ge­gen Ver­fü­gun­gen 36

8.4. Art. 83d und 83e nNDG- Ge­richts­bar­keit 37

9. Aus­wei­tung des Aus­rei­se­ver­bots 37

9.1. Art. 24h nBWIS 37

9.2. Art. 24k nBWIS - Al­ters­gren­ze 39

10. Da­ten­be­ar­bei­tung und Qua­li­täts­si­che­rung: Al­go­rith­men und Ge­sichts­er­ken­nung 39

1. Ein­lei­ten­de An­mer­kun­gen

Vor et­was mehr als 30 Jah­ren deck­te ei­ne Par­la­men­ta­ri­sche Un­ter­su­chungs­kom­mis­si­on auf, dass die eid­ge­nös­si­schen und kan­to­na­len Be­hör­den oh­ne ge­setz­li­che Grund­la­ge mehr als 900,000 Fi­chen und Dos­siers über Per­so­nen und Or­ga­ni­sa­tio­nen an­ge­legt hat­ten.1 Man­gel­haf­te ge­setz­li­che Grund­la­gen und über­hol­te Be­dro­hungs­bil­der hat­ten da­zu ge­führt, dass In­for­ma­tio­nen über die recht­mäs­si­ge Aus­übung po­li­ti­scher Rech­te von zu­meist lin­ken und kri­ti­schen Or­ga­ni­sa­tio­nen und Ein­zel­per­so­nen ge­sam­melt wor­den wa­ren. Der Ge­setz­ge­ber han­del­te und er­liess mit dem Bun­des­ge­setz über Mass­nah­men zur Wah­rung der in­ne­ren Si­cher­heit (BWIS) ei­ne Be­ar­bei­tungs­schran­ke (heu­te Art. 5 Abs. 5 NDG; ur­sprüng­lich Art. 3 Abs. 1 aB­WIS).2 Dies aus­drück­lich, um die Aus­übung po­li­ti­scher Rech­te und po­li­ti­scher Mei­nungs­bil­dung zu schüt­zen.3

Gleich­wohl wur­de im Ju­ni 2022 öf­fent­lich be­kannt, dass der Nach­rich­ten­dienst des Bun­des (NDB) - un­ter der al­ten Füh­rung von Mar­kus Sei­ler und Jean-Phil­ip­pe Gau­din - über Jah­re hin­weg wis­sent­lich ge­gen die Be­ar­bei­tungs­schran­ke in Art. 5 NDG ver­stos­sen und so­gar Emp­feh­lun­gen so­wie Gut­ach­ten der Ge­schäfts­prü­fungs­de­le­ga­ti­on (GPDel) und des Bun­des­amts für Jus­tiz (BJ) miss­ach­tet hat.4 Dar­auf­hin kün­de­te der NDB öf­fent­lich­keits­wirk­sam an, sei­ne in­ter­ne «Sam­mel-Wei­sung» an die ge­setz­li­che Be­ar­bei­tungs­schran­ke an­ge­passt und seit­dem mehr als 4 Mil­lio­nen Da­ten ge­löscht zu ha­ben.5

Trotz der jah­re­lan­gen sys­te­ma­ti­schen Ver­stös­se ge­gen die Be­ar­bei­tungs­schran­ke sol­len mit der ak­tu­el­len Re­vi­si­on des Nach­rich­ten­dienst­ge­set­zes die Kom­pe­ten­zen des NDB we­sent­lich aus­ge­wei­tet und emp­find­lich in die in­di­vi­du­el­len Rech­te der Be­trof­fe­nen ein­ge­grif­fen wer­den. Nicht zu­letzt des­halb sind wir aus rechts­staat­li­chen Über­zeu­gun­gen zu­neh­mend be­sorgt um den Grund- und Men­schen­rechts­schutz in der Schweiz - na­ment­lich im Zu­sam­men­hang mit den Tä­tig­kei­ten des NDB.

Dies be­ginnt be­reits mit der va­gen For­mu­lie­rung der Be­stim­mun­gen, wel­che den Zweck und die Auf­ga­ben des NDB fest­le­gen, und an wel­che die ge­setz­li­chen Be­fug­nis­se zur Be­ar­bei­tung von Da­ten an­knüp­fen. Wenn ge­setz­li­che Be­stim­mun­gen aber Ein­grif­fe in Grund­rech­te er­lau­ben, müs­sen die­se so klar und kon­kret sein, dass aus dem Ge­set­zes­wort­laut vor­her­seh­bar ist, un­ter wel­chen Vor­aus­set­zun­gen die Rechts­un­ter­wor­fe­nen hier­von be­trof­fen sein kön­nen, und dass da­mit ei­ne grund­rechts­kon­for­me Pra­xis ge­währ­leis­tet ist. Sind die ge­setz­li­chen Re­ge­lun­gen zu va­ge und of­fen for­mu­liert, gibt das den rechts­an­wen­den­den Be­hör­den ei­nen der­art gros­sen Spiel­raum, dass für die Rechts­un­ter­wor­fe­nen kaum ab­schätz­bar ist, was die recht­li­chen Kon­se­quen­zen sind, wenn sie ih­re Grund­rech­te aus­üben. Da­durch kön­nen die Rechts­un­ter­wor­fe­nen da­von ab­ge­schreckt wer­den, ih­re Grund­rech­te aus­zu­üben («chil­ling ef­fect»), was die po­li­ti­schen Rech­te grund­le­gend be­ein­träch­tigt. Ins­be­son­de­re die Aus­übung der Ver­samm­lungs- und Ver­ei­ni­gungs­frei­heit so­wie die Mei­nungs­frei­heit sind da­von be­trof­fen. Des­halb sind an ge­setz­li­che Be­stim­mun­gen, wel­che in die freie Kom­mu­ni­ka­ti­on ein­grei­fen, be­son­ders stren­ge An­for­de­run­gen an ih­re Be­stimmt­heit zu stel­len. Das NDG ent­hält je­doch teil­wei­se sehr weit ge­fass­te, un­be­stimm­te Be­grif­fe, aus de­nen nicht hin­rei­chend deut­lich wird, un­ter wel­chen Um­stän­den ein Ver­hal­ten An­lass da­zu ge­ben kann, dass der NDB dar­über Da­ten er­fasst. So­mit ge­nü­gen die­se Be­grif­fe nicht als Grund­la­ge für Ein­grif­fe in Grund­rech­te.6

Die be­ste­hen­den Ge­set­zes­vor­schrif­ten ha­ben es bis­lang nicht ver­mocht, ei­ne grund­rechts­kon­for­me Pra­xis der nach­rich­ten­dienst­li­chen Da­ten­be­ar­bei­tung si­cher­zu­stel­len, u.a. auch we­gen den va­gen ge­setz­li­chen Be­stim­mun­gen. Die Spiel­räu­me, die sich aus un­be­stimm­ten Rechts­be­grif­fen er­ge­ben, dür­fen nicht zur Fol­ge ha­ben, dass sich ei­ne Pra­xis eta­bliert, wel­che im­mer wie­der die Grund­rech­te ver­letzt. Die nach­rich­ten­dienst­li­che Da­ten­be­ar­bei­tung muss kla­ren ge­setz­li­chen Schran­ken un­ter­wor­fen sein. Nur so ist ge­währ­leis­tet, dass nicht je­de durch die Grund­rech­te ge­schütz­te po­li­ti­sche Be­tä­ti­gung ris­kiert, vom Nach­rich­ten­dienst er­fasst zu wer­den und die Grund­rech­te da­mit aus­ge­he­belt wer­den.

Mit Blick auf die vor­lie­gen­de Ge­set­zes­vor­la­ge er­wei­sen sich ins­be­son­de­re die wei­te­re Auf­wei­chung der Da­ten­be­ar­bei­tungs­schran­ke, das man­geln­de Aus­kunfts­recht, der Aus­bau ge­neh­mi­gungs­pflich­ti­ger Be­schaf­fungs­mass­nah­men, die Ein­füh­rung von straf­recht­li­chen Be­stim­mun­gen so­wie die Aus­wei­tung des Aus­rei­se­ver­bots als pro­ble­ma­tisch.

Zu­dem ent­hält die Ge­set­zes­vor­la­ge meh­re­re Be­stim­mun­gen, wel­che sich mit Re­ge­lun­gen in an­de­ren Ge­set­zen über­schnei­den und wel­che in der Ge­setz­ge­bung zum Nach­rich­ten­dienst an der fal­schen Stel­le ge­re­gelt wä­ren. Dies be­trifft ins­be­son­de­re die vor­ge­se­he­nen Straf­be­stim­mun­gen so­wie die Über­wa­chung von Bank­be­zie­hun­gen und Fi­nanz­trans­ak­tio­nen.

2. Auf­wei­chung der Da­ten­be­ar­bei­tungs­schran­ke

2.1. Art. 5 Abs. 5 nNDG - «kei­ne Per­so­nen­da­ten»

Von der vor­ge­schla­ge­nen Än­de­rung von Art. 5 Abs. 5 nNDG ist ab­zu­se­hen. Statt­des­sen sind die im Ge­setz vor­ge­se­he­nen Be­ar­bei­tungs­schran­ken zu prä­zi­sie­ren.

Mit der in Art. 5 Abs. 5 NDG (ur­sprüng­lich Art. 3 Abs. 1 aB­WIS) ver­an­ker­ten Be­ar­bei­tungs­schran­ke, wo­nach der NDB kei­ne In­for­ma­tio­nen über die po­li­ti­sche Be­tä­ti­gung und über die Aus­übung der Mei­nungs-, Ver­samm­lungs- oder Ver­ei­ni­gungs­frei­heit in der Schweiz be­schafft oder be­ar­bei­tet, soll­te ur­sprüng­lich ge­währ­leis­tet wer­den, dass Per­so­nen und Or­ga­ni­sa­tio­nen bei der Aus­übung ih­rer Grund­rech­te vor der nach­rich­ten­dienst­li­chen In­for­ma­ti­ons­be­ar­bei­tung ge­schützt sind. Als zen­tral für die nach­rich­ten­dienst­li­che Be­ar­bei­tung von In­for­ma­tio­nen er­ach­te­te die Bot­schaft zum BWIS im Wei­te­ren de­ren Be­wer­tung nach Rich­tig­keit und Er­heb­lich­keit. Die Bot­schaft hob her­vor, dass Per­so­nen­da­ten nur dann und nur so­lan­ge be­ar­bei­tet wer­den dürf­ten, als dies zur Er­fül­lung der ge­setz­li­chen Auf­ga­ben not­wen­dig sei. Um die­se For­de­run­gen er­fül­len zu kön­nen, sol­le die Prü­fung nicht nur beim Ein­gang der Da­ten er­fol­gen, son­dern sie müs­se re­gel­mäs­sig wie­der­holt wer­den. Nur so kön­ne ge­währ­leis­tet wer­den, dass kei­ne fal­schen, über­flüs­si­gen oder un­nö­tig ge­wor­de­nen In­for­ma­tio­nen auf­be­wahrt und be­ar­bei­tet wer­den.7

Die­se An­for­de­run­gen an die nach­rich­ten­dienst­li­che In­for­ma­ti­ons­be­ar­bei­tung (kei­ne Er­fas­sung von Per­so­nen und Or­ga­ni­sa­tio­nen bei der Aus­übung ih­rer Grund­rech­te; Be­wer­tung der Da­ten nach Rich­tig­keit und Er­heb­lich­keit; Be­ar­bei­tung von Per­so­nen­da­ten nur dann und nur so­lan­ge, als es zur Er­fül­lung der ge­setz­li­chen Auf­ga­ben not­wen­dig ist; Prü­fung der Da­ten bei de­ren Ein­gang; pe­ri­odi­sche Über­prü­fung der er­fass­ten Da­ten; Ge­währ­leis­tung, dass kei­ne fal­schen, über­flüs­si­gen oder un­nö­tig ge­wor­de­nen In­for­ma­tio­nen auf­be­wahrt und be­ar­bei­tet wer­den) wa­ren fun­da­men­tal bei dem als Fol­ge des Fi­chen­skan­dals an­ge­stos­se­nen Be­mü­hen, der nach­rich­ten­dienst­li­chen Tä­tig­keit ei­ne kla­re ge­setz­li­che Grund­la­ge zu ge­ben und ei­ne nach­rich­ten­dienst­li­che Pra­xis zu eta­blie­ren, bei der die Wah­rung der Grund­rech­te ge­währ­leis­tet ist.

Die Grund­rech­te und die Be­ar­bei­tungs­schran­ken, wel­che die Grund­rech­te im Ge­setz ver­an­kern, soll­ten ga­ran­tie­ren, dass sich Per­so­nen und Or­ga­ni­sa­tio­nen si­cher sein kön­nen, bei ih­rer Aus­übung von po­li­ti­schen Grund­rech­ten frei von der Be­ob­ach­tung durch den Nach­rich­ten­dienst zu sein. Die Rechts­un­ter­wor­fe­nen müs­sen sich si­cher sein kön­nen, dass sie nur mit ei­nem Ein­griff in ih­re Grund­rech­te rech­nen müs­sen, wenn sie durch ihr Ver­hal­ten ei­nen kon­kre­ten An­lass da­für ge­ben. An­sons­ten müs­sen sie da­vor ge­schützt sein, dass sie bei der Aus­übung von Grund­rech­ten, ins­be­son­de­re bei po­li­ti­scher Be­tä­ti­gung, von nach­rich­ten­dienst­li­cher Da­ten­be­ar­bei­tung tan­giert sind.

In der Pra­xis ist die­ser Schutz der Grund­rech­te al­ler­dings nicht ge­währ­leis­tet, wie aus ver­schie­de­nen Be­rich­ten der GPDel und et­li­chen von Be­trof­fe­nen of­fen ge­leg­ten Ein­trä­gen in den nach­rich­ten­dienst­li­chen Da­ten­ban­ken deut­lich wird. Be­reits in ih­rem Be­richt zur Da­ten­be­ar­bei­tung im da­ma­li­gen Staats­schutz­in­for­ma­ti­ons­sys­tem ISIS vom 21. Ju­ni 2010 stell­te die GPDel ein star­kes An­schwel­len der Da­ten­be­stän­de und ei­ne Rei­he wei­te­rer gra­vie­ren­der Miss­stän­de fest. Die De­le­ga­ti­on ge­lang­te zum Schluss, dass der Zu­stand der Da­ten die Zweck­mäs­sig­keit des Staats­schut­zes grund­le­gend in Fra­ge stel­le. In den Jah­res­be­rich­ten 2019, 2020 und 2021 zeigt die GPDel wei­ter auf, dass der NDB In­for­ma­tio­nen über die po­li­ti­sche Be­tä­ti­gung und über die Aus­übung der Mei­nungs-, Ver­samm­lungs- oder Ver­ei­ni­gungs­frei­heit teil­wei­se im Wi­der­spruch zu den recht­li­chen Vor­ga­ben be­schafft und be­ar­bei­tet hat. Die ge­setz­li­chen Schran­ken, wel­che Per­so­nen und Or­ga­ni­sa­tio­nen, die sich po­li­tisch be­tä­ti­gen, vor ei­ner Da­ten­er­fas­sung durch den Nach­rich­ten­dienst be­wah­ren soll­ten, ha­ben dem­nach in vie­len Fäl­len nicht ge­wirkt.

Die ak­tu­el­le Re­vi­si­on des Nach­rich­ten­dienst­ge­set­zes muss si­cher­stel­len, dass der Schutz der Da­ten­be­ar­bei­tungs­schran­ke zu­künf­tig auch in der Pra­xis ge­währ­leis­tet ist. Tat­säch­lich ver­fehlt sie die­ses Ziel gänz­lich:

Mit der Re­vi­si­on soll der NDB nach Art. 5 Abs. 5 nNDG künf­tig nicht mehr «kei­ne In­for­ma­tio­nen» son­dern «kei­ne Per­so­nen­da­ten über die po­li­ti­sche Be­ta­̈t­igu­ng und über die Aus­übu­ng der Mei­nungs-, Ver­samm­lungs- oder Ver­ei­ni­gungs­frei­heit in der Schweiz» be­schaf­fen und be­ar­bei­ten dür­fen. In der Ver­gan­gen­heit hat der NDB be­reits mehr­fach mit dem Be­griff «Per­so­nen­da­ten» ar­gu­men­tiert, um das Recht auf Aus­kunfts­er­tei­lung und Lö­schung von Da­ten zu ver­wei­gern. So hat der NDB et­wa in zwei Be­schwer­de­ver­fah­ren vor dem Bun­des­ver­wal­tungs­ge­richt - Ver­fah­rens-Nr. A-3275/2021 und A-4873/2021 - ar­gu­men­tiert, dass Da­ten, in wel­chen ei­ne Per­son oder Or­ga­ni­sa­ti­on le­dig­lich Er­wäh­nung fin­den, kei­ne Per­so­nen­da­ten sei­en, weil sie vom NDB nicht als Per­so­nen­da­ten ver­wen­det wür­den. Aus die­sem Grund be­stün­de an die­sen Da­ten we­der ein An­spruch auf Aus­kunfts­er­tei­lung noch ein Grund zur Lö­schung.8

Dem­ge­gen­über ha­ben die GPDel, das BV­Ger so­wie das BJ wie­der­holt fest­ge­hal­ten, dass al­le sich auf Per­so­nen und Or­ga­ni­sa­tio­nen be­zie­hen­den In­for­ma­tio­nen, wel­che der NDB mit­tels Such­funk­ti­on in sei­nen Da­ten­be­stän­den auf­fin­den kann, von Ge­set­zes we­gen als «per­so­nen­be­zo­gen er­schlos­sen» gel­ten. Die ent­spre­chen­den Da­ten stel­len so­mit da­ten­schutz­recht­lich Per­so­nen­da­ten dar und un­ter­lie­gen der Be­ar­bei­tungs­schran­ke nach Art. 5 Abs. 5 NDG.

Nun bie­tet die neue For­mu­lie­rung von Art. 5 Abs. 5 nNDG dem NDB aber wei­te­ren Raum, Da­ten über die Aus­übung der Mei­nungs-, Ver­samm­lungs- oder Ver­ei­ni­gungs­frei­heit mit der Ar­gu­men­ta­ti­on be­schaf­fen und be­ar­bei­ten zu kön­nen, es hand­le sich da­bei nicht um Per­so­nen­da­ten, wes­halb die Da­ten nicht von der Da­ten­be­ar­bei­tungs­schran­ke er­fasst sei­en. Da­mit ist der Schutz, wel­cher die Be­ar­bei­tungs­schran­ke zu Guns­ten der po­li­ti­schen Be­tä­ti­gung und der Aus­übung der Mei­nungs-, Ver­samm­lungs- oder Ver­ei­ni­gungs­frei­heit bie­ten soll­te, weit­ge­hend wir­kungs­los. Nicht zu­letzt ist die Ter­mi­no­lo­gie in Art. 5 nNDG un­ein­heit­lich: In Ab­satz 1 ver­wen­det die Ge­set­zes­vor­la­ge wei­ter­hin den Be­griff «In­for­ma­tio­nen».

Die im Ge­setz ver­wen­de­ten Be­grif­fe und die Be­ar­bei­tungs­schran­ken sind im Rah­men der Re­vi­si­on des NDB zu prä­zi­sie­ren mit dem Ziel, ei­ne grund­rechts­kon­for­me Pra­xis der nach­rich­ten­dienst­li­chen Da­ten­be­ar­bei­tung ge­währ­leis­ten zu kön­nen. Da­bei ist an die Emp­feh­lun­gen an­zu­knüp­fen, wel­che die GPDel ab­ge­ge­ben hat,9 um die Er­fas­sung von nicht ge­set­zes­kon­for­men Da­ten zu­kün­ft­ig zu ver­hin­dern. Die­se Emp­feh­lun­gen sind nicht nur in den in­ter­nen Wei­sun­gen des NDB um­zu­set­zen, son­dern so­weit mög­lich in Ge­set­zes­form zu ver­an­kern.

2.2. Art. 5 Abs. 5 nNDG - Aus­nah­me ad­mi­nis­tra­ti­ve Auf­ga­ben

Die Aus­nah­me von Art. 5 Abs. 5 nNDG darf un­ter kei­nen Um­stän­den bei Per­so­nen­da­ten über die po­li­ti­sche Be­tä­ti­gung und über die Aus­übung der Mei­nungs-, Ver­samm­lungs- oder Ver­ei­ni­gungs­frei­heit zur An­wen­dung kom­men.

Die Aus­nah­me zur Er­fül­lung ad­mi­nis­tra­ti­ver Auf­ga­ben ist nicht in Art. 5 Abs. 5 nNDG, son­dern in Art. 5 Abs. 6 nNDG zu re­geln.

Neu wird in Art. 5 Abs. 5 nNDG ein­ge­führt, dass Per­so­nen­da­ten über die po­li­ti­sche Be­tä­ti­gung und über die Aus­übung der Mei­nungs-, Ver­samm­lungs- oder Ver­ei­ni­gungs­frei­heit in der Schweiz vom NDB aus­nahms­wei­se be­ar­bei­tet wer­den kön­nen, wenn dies der Er­fül­lung sei­ner ad­mi­nis­tra­ti­ven Auf­ga­ben dient.

Ge­gen die Be­ar­bei­tung von Da­ten zur Er­fül­lung von ad­mi­nis­tra­ti­ven Auf­ga­ben ist grund­sätz­lich nichts ein­zu­wen­den, wenn - wie im er­läu­tern­den Be­richt er­wähnt - die­se Aus­nah­me tat­säch­lich nur bei zu­ge­wie­se­nen Par­la­ments­ge­schäf­ten oder im Rah­men des Aus­kunfts­rechts zur An­wen­dung kommt. Auch da­bei ist je­doch si­cher­zu­stel­len, dass die­se Aus­nah­me nur in­so­weit An­wen­dung fin­det, als es für die Er­fül­lung ei­gent­li­cher ad­mi­nis­tra­ti­ver Auf­ga­ben wirk­lich not­wen­dig ist. Zu­dem darf die Aus­nah­me nur bei nicht nach­rich­ten­dienst­lich re­le­van­ten In­for­ma­tio­nen an­ge­wen­det wer­den.

In sei­ner jet­zi­gen Pra­xis grenzt der NDB nach­rich­ten­dienst­li­che und ad­mi­nis­tra­ti­ve In­for­ma­tio­nen nicht kon­se­quent von­ein­an­der ab und hat sei­ne Da­ten­ban­ken nicht zweck­ge­treu be­trie­ben. Zu­dem hat er sich nicht an die Vor­ga­ben ge­hal­ten, wel­che die Bun­des­ver­fas­sung, die EM­RK so­wie das NDG hin­sicht­lich der Da­ten­er­fas­sung und -be­ar­bei­tung vor­ge­ben.10 Zu­künf­tig muss klar sein, aus wel­chem Grund Da­ten er­fasst wer­den, wel­chem Zweck de­ren Be­ar­bei­tung dient und es muss ge­währ­leis­tet sein, dass die Zweck­bin­dung strikt ein­ge­hal­ten wird. Er hat künf­tig si­cher­zu­stel­len, dass In­for­ma­tio­nen kon­se­quent nach ih­rem Zweck den je­wei­li­gen Da­ten­ban­ken zu­ge­ord­net wer­den und die Aus­nah­me der ad­mi­nis­tra­ti­ven Auf­ga­ben nicht als Schlupf­loch ge­nutzt wird, um Da­ten zu sam­meln und zu ver­knüp­fen. Per­so­nen­da­ten über die po­li­ti­sche Be­tä­ti­gung und über die Aus­übung der Mei­nungs-, Ver­samm­lungs- oder Ver­ei­ni­gungs­frei­heit, die auch nach­rich­ten­dienst­lich re­le­vant sind, dür­fen un­ter kei­nen Um­stän­den zur Er­fül­lung ad­mi­nis­tra­ti­ver Auf­ga­ben be­ar­bei­tet wer­den.

Die Aus­nah­me zur Er­fül­lung ad­mi­nis­tra­ti­ver Auf­ga­ben ist schliess­lich nicht in Art. 5 Abs. 5 nNDG, son­dern in Art. 5 Abs. 6 nNDG - bei den wei­te­ren Aus­nah­men - auf­zu­füh­ren. So wird deut­lich, dass die­se Per­so­nen­da­ten grund­sätz­lich auch von der Da­ten­be­ar­bei­tungs­schran­ke er­fasst sind und es sich nur um ei­ne Aus­nah­me vom Grund­satz han­delt.

2.3 Art. 5 Abs. 6 lit. b und Art. 5 Abs. 8 nNDG

In Art. 5 Abs. 6 lit. b und Art. 5 Abs. 8 nNDG ist si­cher­zu­stel­len, dass nur Da­ten von den be­tref­fen­den Or­ga­ni­sa­tio­nen und Per­so­nen be­schafft und be­ar­bei­tet wer­den dür­fen.

Ge­mäss Art. 5 Abs. 6 lit. b nNDG kön­nen Da­ten über ei­ne Or­ga­ni­sa­ti­on oder Per­son aus­nahms­wei­se be­schafft und be­ar­bei­tet wer­den, wenn kon­kre­te An­halts­punk­te vor­lie­gen, dass ei­ne Or­ga­ni­sa­ti­on oder Per­son ih­re Rech­te aus­übt, um Tä­tig­kei­ten nach Art. 6 Abs. 1 lit. a nNDG vor­zu­be­rei­ten oder durch­zu­füh­ren. Da­bei ist nicht klar, wel­che Da­ten und in Be­zug auf wen die­se Da­ten be­schafft und be­ar­bei­tet wer­den dür­fen. Es ist si­cher­zu­stel­len, dass nur Da­ten von den be­tref­fen­den Or­ga­ni­sa­tio­nen und Per­so­nen be­schafft und be­ar­bei­tet wer­den dür­fen.

Für Art. 5 Abs. 8 nNDG gilt das glei­che.

2.4. Art. 5 Abs. 6 lit. c nNDG - Schutz ei­ner Or­ga­ni­sa­ti­on oder Per­son

Art. 5 Abs. 6 lit. c nNDG ist zu strei­chen.

Ge­mäss Art. 5 Abs. 6 lit. c nNDG kann der NDB Da­ten über ei­ne Or­ga­ni­sa­ti­on oder Per­son be­schaf­fen und be­ar­bei­ten, wenn es zu ih­rem Schutz vor ei­ner Ak­ti­vi­tät nach Art. 6 Abs. 1 lit. a NDG not­wen­dig ist. Die­se be­vor­mun­den­de Hal­tung geht nicht mit ei­nem de­mo­kra­ti­schen Rechts­staat ein­her. Es ist im Üb­ri­gen dar­auf hin­zu­wei­sen, dass der NDB die Er­fas­sung von Da­ten über Or­ga­ni­sa­tio­nen in der Ver­gan­gen­heit be­reits mit die­sem An­satz be­grün­det hat, wo­bei der NDB vie­le In­for­ma­tio­nen über die ent­spre­chen­den Or­ga­ni­sa­tio­nen er­fasst und de­ren Ak­ti­vi­tä­ten teil­wei­se auch aus nach­rich­ten­dienst­li­cher Sicht kom­men­tiert und ein­ge­ord­net hat. Die in der be­tref­fen­den Or­ga­ni­sa­ti­on ak­ti­ven Per­so­nen ver­lie­ren mit die­sem An­satz weit­ge­hend den Schutz da­vor, ih­re Grund­rech­te frei von Be­ob­ach­tung durch den Nach­rich­ten­dienst aus­üben zu kön­nen.11

2.5 Art. 45 Abs. 4 nNDG

Art. 45 Abs. 4 nNDG muss er­satz­los ge­stri­chen wer­den.

Ge­mäss Art. 45 Abs. 4 nNDG kann der NDB Da­ten ans Aus­land ge­ben, um über­haupt fest­zu­stel­len, ob es sich um nach­rich­ten­dienst­li­che Da­ten han­delt. Die­se Da­ten­wei­ter­ga­be ist nicht zu recht­fer­ti­gen, da die Schweiz über Da­ten, wel­che aus­län­di­schen Ge­heim­diens­ten zur Ver­fü­gung ge­stellt wor­den sind, kei­ne Kon­trol­le mehr hat. Es ist da­von aus­zu­ge­hen, dass sämt­li­che Da­ten, auch wenn die­se dann in der Schweiz ge­löscht wur­den, im Aus­land wei­ter­hin ge­spei­chert wer­den. Schon seit Jah­ren ist be­kannt, dass die Schweiz als Tier-B «fo­cu­sed co­ope­ra­ti­on»-Part­ner zum engs­ten Kreis der Ge­heim­diens­te um NSA und Fi­ve Eyes ge­hört.12 Seit mehr als ei­nem Jahr­zehnt wer­den von die­sen Ge­heim­diens­ten enorm gros­se Da­ten­men­gen ge­spei­chert.13 Es ist nicht da­von aus­zu­ge­hen, dass ei­ne Lö­schung von Da­ten dort er­folgt.

2.6 Art. 46 nNDG - Prü­fung der An­wen­dung von Art. 5 Abs. 5 nNDG

Auch bei der An­ony­mi­sie­rung von Per­so­nen­da­ten sind Rück­schlüs­se auf die Per­son oder Or­ga­ni­sa­ti­on und da­mit Grund­rechts­ver­let­zun­gen mög­lich.

Art. 46 Abs. 1 Satz 2 nNDG ist wie folgt zu än­dern: «Ist dies der Fall und liegt kei­ne Aus­nah­me nach Ar­ti­kel 5 Ab­sät­ze 6 oder 8 vor, so löscht der NDB die Per­so­nen­da­ten um­ge­hend.»

Die Prü­fung, ob das Be­ar­bei­ten von Da­ten zu­läs­sig ist, muss im­mer be­reits bei de­ren Er­fas­sung ge­macht wer­den und darf nicht erst bei de­ren Ver­wen­dung als Ar­beits­da­ten pas­sie­ren - an­sons­ten be­steht ein nicht zu recht­fer­ti­gen­der Grund­rechts­ein­griff. Art. 46 Abs. 2 nNDG ist wie folgt zu än­dern: «Bei Per­so­nen­da­ten aus öf­fent­lich zu­gäng­li­chen Quel­len und bei ge­son­dert ab­ge­spei­cher­ten Per­so­nen­da­ten aus ge­neh­mi­gungs­pflich­ti­gen Be­schaf­fungs­mass­nah­men er­folgt die­se Prü­fung so­fort bei der Er­fas­sung.»

Ge­mäss Art. 5 Abs. 6 lit. a nNDG ist die Be­ar­bei­tung der Da­ten, wel­che un­ter die Be­ar­bei­tungs­schran­ke fal­len, aus­nahms­wei­se mög­lich, wenn es nach Art. 46 Abs. 1 nNDG not­wen­dig ist. Nach Art. 46 Abs. 1 nNDG prüft der NDB, wenn nach­rich­ten­dienst­li­che Da­ten vor­lie­gen, ob Art. 5 Abs. 5 nNDG zur An­wen­dung kommt und an­ony­mi­siert ge­ge­be­nen­falls die Per­so­nen­da­ten. Der vor­ge­se­he­ne Pro­zess nach Art. 5 Abs. 5 i.V.m. Art. 46 nNDG ist ins­ge­samt un­klar und ein zir­ku­lä­rer Ver­weis.

Ge­mäss Da­ten­schutz­ge­setz sind Da­ten per­so­nen­be­zo­gen, wenn die Per­so­nen, auf wel­che sich die Da­ten be­zie­hen, be­stimmt oder be­stimm­bar sind (vgl. Art. 3 lit. a DSG). Ei­ne An­ony­mi­sie­rung durch den NDB ist dem­nach nur dann aus­rei­chend, wenn von den nach­rich­ten­dienst­li­chen Da­ten kei­ne Rück­schlüs­se auf die Iden­ti­tät von Per­so­nen oder die kon­kre­te Or­ga­ni­sa­tio­nen mehr mög­lich sind. Wird et­wa ei­ne Per­son in ei­nem nach­rich­ten­dienst­li­chen Da­ten­satz oh­ne Na­men ge­nannt, ob­wohl sich im Kon­text leicht her­aus­fin­den lässt, um wen es sich tat­säch­lich han­delt, so ist die An­ony­mi­sie­rung un­zu­rei­chend.

Bei Per­so­nen­da­ten aus ö­ffen­tlich zu­gän­gl­ichen Quel­len und bei ge­son­dert ab­ge­spei­cher­ten Per­so­nen­da­ten aus ge­neh­mi­gungs­pflich­ti­gen Be­schaf­fungs­mass­nah­men soll die Pru­̈fu­ng ge­mäss Art. 46 Abs. 2 nNDG zu­dem erst er­fol­gen, be­vor der NDB die Da­ten als Ar­beits­da­ten ver­wen­det. Dem Nach­rich­ten­dienst wä­re es da­mit zu­künf­tig mög­lich, In­for­ma­tio­nen zu po­li­ti­schen Er­eig­nis­sen und Tä­tig­kei­ten zu sam­meln und ab­zu­spei­chern, so­fern er die­se nicht ak­tiv ei­ner Per­son zu­ord­net. Dies schafft ei­ne ge­setz­li­che Grund­la­ge da­für, be­lie­bi­ge In­for­ma­tio­nen zu er­fas­sen und erst in ei­nem zwei­ten Schritt zu über­prü­fen, ob sie für den NDB über­haupt re­le­vant sind und ob sie un­ter ei­ne Aus­nah­me fal­len. Mit die­sem Grund­satz wird die Be­ar­bei­tungs­schran­ke von Art. 5 NDG voll­stän­dig aus­ge­he­belt. Be­zeich­nend ist zu­dem, dass kei­ne Frist vor­ge­se­hen ist, in wel­cher die Über­prü­fung nach Art. 46 Abs. 1 nNDG vor­ge­nom­men wer­den muss. Die Re­ge­lung er­scheint als Schlupf­loch für die jet­zi­ge Pra­xis des NDB, wo­nach Da­ten zum Teil über Jah­re hin­weg und oh­ne er­sicht­li­chen Grund in den nach­rich­ten­dienst­li­chen Da­ten­ban­ken be­hal­ten wer­den. So stellt auch die GPDel fest, dass fal­sche, un­nüt­ze und für den Staats­schutz be­lang­lo­se Da­ten vom NDB un­sys­te­ma­tisch und zu­fäl­lig ge­sam­melt so­wie feh­ler­haft ver­wen­det wer­den, und dass die Lö­schung sol­cher Da­ten so­wie von Da­ten, wel­che der Be­ar­bei­tungs­schran­ken un­ter­lie­gen, nicht zu­ver­läs­sig funk­tio­niert.14 Be­reits im Jahr 2010 for­der­te die GPDel, dass das Sam­meln die­ser In­for­ma­tio­nen ver­hin­dert wer­den muss.15 Wenn Da­ten un­ter die Da­ten­be­ar­bei­tungs­schran­ke fal­len, dür­fen die­se über­haupt nicht be­ar­bei­tet wer­den. Ei­ne all­fäl­li­ge nach­träg­li­che Lö­schung än­dert dar­an nichts.

3. Aus­kunfts­recht

3.1. Art. 63a Abs. 8 nNDG - Ver­wei­ge­rung des Aus­kunfts­rechts

Art. 63a Abs. 8 nNDG ist zu strei­chen. Das stell­ver­tre­ten­de Ein­sichts­recht des EDÖB ge­mäss Art. 63a Abs. 3 ff. nNDG ist kein Er­satz für die wirk­sa­me Be­schwer­de.

Ge­mäss Art. 63a Abs. 8 nNDG kön­nen die Aus­künf­te nach den Ab­sät­zen 1 und 2 und die Mit­tei­lun­gen nach den Ab­sät­zen 3 und 4 nicht an­ge­foch­ten wer­den. Die­se Ver­wei­ge­rung des Aus­kunfts­rechts und der Aus­schluss von Rechts­mit­teln da­ge­gen tan­gie­ren die Grund­rech­te und ver­stos­sen ge­gen das Recht auf wirk­sa­me Be­schwer­de ge­mäss Art. 13 EM­RK. Be­reits heu­te ist die Aus­kunfts­pra­xis des Nach­rich­ten­diens­tes kaum EM­RK kon­form.16 Das Bun­des­ge­richt hat fest­ge­hal­ten, dass das in­di­rek­te Aus­kunfts­recht nach Art. 64 f. NDG per se kei­ne wirk­sa­me Be­schwer­de­mög­lich­keit nach Art. 13 EM­RK ge­währ­leis­tet.17 Es ist un­trag­bar, dass die­se spär­lich aus­ge­stal­te­ten Rech­te mit der Re­vi­si­on wei­ter be­schnit­ten wer­den. Selbst der er­läu­tern­de Be­richt er­kennt, dass «die Ver­fas­sungs- und Völ­ker­rechts­kon­for­mi­tät des Ver­zichts auf ein or­dent­li­ches Rechts­mit­tel für die be­trof­fe­ne Per­son bei der Ein­schrän­kung oder Ver­wei­ge­rung des Aus­kunfts­rechts» noch um­strit­ten sei und im Ver­lau­fe des Ver­nehm­las­sungs­ver­fah­rens ver­tief­ter ge­klärt wer­de.18

Ein funk­tio­nie­ren­des Aus­kunfts­recht ist um­so be­deu­ten­der, als der NDB in den letz­ten Jah­ren un­recht­mäs­sig Da­ten er­ho­ben hat. Die GPDel kommt in ih­rem Jah­res­be­richt 201919 zum Schluss, dass der NDB nicht ge­währ­leis­ten kann, dass sei­ne Da­ten in Über­ein­stim­mung mit den Vor­ga­ben des NDG be­ar­bei­tet wer­den. So wur­de ein gros­ser Teil der er­ho­be­nen Da­ten nie auf ih­re Kon­for­mi­tät mit den Schran­ken von Art. 5 NDG über­prüft. Dies, ob­wohl die nach­rich­ten­dienst­li­che Da­ten­be­ar­bei­tung Rech­te tan­giert, wel­che durch die EM­RK und die BV ge­schützt sind; so et­wa die in­for­ma­tio­nel­le Selbst­be­stim­mung als Be­stand­teil des Rechts auf Schutz des Pri­vat­le­bens, die Mei­nungs­äus­se­rungs­frei­heit und - so­weit es um Mei­nungs­äus­se­run­gen an­läss­lich von Kund­ge­bun­gen geht - die Ver­samm­lungs­frei­heit.20 Wenn Da­ten zu Un­recht er­fasst wer­den, muss zu­min­dest ein funk­tio­nie­ren­des Aus­kunfts­recht zur Ver­fü­gung ste­hen.

3.2. Art. 64 nNDG - Aus­kunft im Rah­men der ELD

Mit der For­mu­lie­rung von Art. 64 nNDG muss auch in der Pra­xis ge­währ­leis­tet sein, dass die Aus­kunft von an­de­ren Be­hör­den tat­säch­lich funk­tio­niert.

Ge­mäss Art. 64 nNDG ob­liegt die Pflicht zur Aus­kunft über die in der ELD (Elek­tro­ni­sche La­ge­dar­stel­lung) ent­hal­te­nen Per­so­nen­da­ten den Be­hör­den von Bund und Kan­to­nen, wel­che die­se ab­ge­spei­chert ha­ben. Das kann nur funk­tio­nie­ren, wenn die­se Be­hör­den die Aus­kunfts­ge­su­che auch tat­säch­lich er­hal­ten und die­ser Pflicht nach­kom­men. So steht im er­läu­tern­den Be­richt zwar, dass der NDB die Aus­kunfts­ge­su­che an die zu­stän­di­gen Be­hör­den wei­ter­lei­tet,21 ein Rechts­gut­ach­ten zeigt je­doch, dass in Ein­zel­fäl­len ei­ne gros­se An­zahl an ELD-Ein­trä­gen von an­de­ren Be­hör­den exis­tie­ren und die Aus­kunft hier­zu ver­wei­gert wur­de - es kön­ne vom NDB nicht eru­iert wer­den, von wel­chen Be­hör­den die Ein­trä­ge sei­en.22 Art. 64 nNDG darf ei­ner sol­chen Ar­gu­men­ta­ti­on kei­nen Raum las­sen, da­mit das Recht auf Aus­kunft nicht um­gan­gen wer­den kann.

4. Ge­neh­mi­gungs­pflich­ti­ge Be­schaf­fungs­mass­nah­men (GEBM)

4.1. Art. 14 nNDG - ver­deck­te prä­ven­ti­ve Über­wa­chung mit­tels Or­tungs­ge­rät

Auf den Ein­satz von Or­tungs­ge­rä­ten oh­ne rich­ter­li­che Ge­neh­mi­gung ist zu ver­zich­ten. Ge­ne­rell müs­sen Ob­ser­va­tio­nen - mit oder oh­ne Or­tungs­ge­rä­te - im­mer als GEBM aus­ge­stal­tet sein.

Ge­mäss Art. 14 nNDG kann der NDB wä­hre­nd der Dau­er ei­ner Ob­ser­va­ti­on zur Un­ter­stü­tzu­ng ein Or­tungs­ge­rät an ei­nem Fahr­zeug oder Ge­gen­stand ein­set­zen, wenn dies für die Si­cher­stel­lung der Kon­ti­nui­tät der Über­wa­chung er­for­der­lich ist. Die Über­mitt­lung der Da­ten wird ge­stoppt, wenn die Ob­ser­va­ti­on be­en­det ist oder der Sicht­kon­takt dau­er­haft ver­lo­ren geht. Ob­wohl die Ob­ser­va­ti­on ge­heim durch­ge­führt wird, zählt sie nicht zu den ge­neh­mi­gungs­pflich­ti­gen Be­schaf­fungs­mass­nah­men. Der Bun­des­rat recht­fer­tigt die­sen Ver­zicht auf ein Ge­neh­mi­gungs­ver­fah­ren da­mit, dass die Ob­ser­va­ti­on ei­nen «re­la­tiv ge­rin­gen»23 Ein­griff in die Grund­rech­te der über­wach­ten Per­son dar­stel­le.

Die An­ord­nung ei­ner Ob­ser­va­ti­on mit­tels Or­tungs­ge­rät oh­ne rich­ter­li­che Ge­neh­mi­gung ist hoch­pro­ble­ma­tisch: In ei­nem Lei­tent­scheid hat das Bun­des­ge­richt fest­ge­stellt, dass die prä­ven­ti­ve GPS-Über­wa­chung oh­ne rich­ter­li­che Ge­neh­mi­gung ein er­heb­li­ches Miss­brauch­s­po­ten­ti­al birgt. Be­reits ein­zel­ne Miss­bräu­che die­ser Über­wa­chungs­mög­lich­keit könn­ten un­ter Um­stän­den zu ei­ner ge­ne­rel­len Miss­trau­ens­stim­mung füh­ren und so­mit schäd­li­che Fol­gen für die frei­heit­li­che, de­mo­kra­ti­sche Ord­nung ha­ben.24 Die vom Bun­des­rat ver­tre­ten An­sicht, wo­nach der vor­ge­schla­ge­ne Ein­satz ei­nes Or­tungs­ge­rä­tes durch den NDB sich von dem­je­ni­gen im Sin­ne ei­ner po­li­zei­li­chen Ob­ser­va­ti­on un­ter­schei­de, ist nicht über­zeu­gend.

Auch - oder ge­ra­de - im öf­fent­li­chen Raum ha­ben Per­so­nen ein Recht auf Ach­tung ih­res Pri­vat­le­bens. So stellt ge­mäss EGMR die Auf­zeich­nung von Da­ten durch ei­ne staat­li­che Ver­wal­tung - auch an ei­nem öf­fent­li­chen Ort - ein Ein­griff in das Recht auf Pri­vat­le­ben dar.25.Men­schen soll­ten grund­sätz­lich nicht da­mit rech­nen müs­sen, dass ein Ge­heim­dienst ih­re Ge­sprä­che auf­zeich­net und po­ten­zi­ell über Jahr­zehn­te spei­chert. Dass im ak­tu­el­len Ge­setz so­wie im Ge­set­zes­ent­wurf we­der ein rich­ter­li­ches Ge­neh­mi­gungs­ver­fah­ren noch die nach­träg­li­che Mit­tei­lung an die über­wach­te Per­son vor­ge­se­hen sind, be­deu­tet zu­dem, dass die­se Mass­nah­me de fac­to kei­ner ge­richt­li­chen Kon­trol­le un­ter­liegt. Ein Um­stand, der in ei­nem Rechts­staat un­halt­bar ist.

Die Schwe­re des Grund­rechts­ein­griffs er­gibt sich zu­dem nicht nur aus der Su­che nach ei­ner be­stimm­ten In­for­ma­ti­on, son­dern auch aus der Ver­knüp­fung von Da­ten aus meh­re­ren Quel­len. Bei der Ob­ser­va­ti­on kön­nen vi­su­el­le Auf­zeich­nun­gen (Fo­tos, Vi­de­os) ge­macht wer­den. Zu­dem ver­fügt der NDB über ein Ge­sichts­er­ken­nungs­sys­tem, was die Iden­ti­fi­zie­rung von Per­so­nen und da­mit die Ver­knüp­fung mit an­de­ren Da­ten er­leich­tert. Selbst wenn Da­ten al­so im öf­fent­li­chen Raum ge­sam­melt wer­den, ver­schärft ih­re Spei­che­rung und Ver­knüp­fung mit an­de­ren In­for­ma­tio­nen in­ner­halb ei­ner staat­li­chen Da­ten­bank den staat­li­chen Grund­rechts­ein­griff.

Da ei­ne nach­träg­li­che In­for­ma­ti­on in al­ler Re­gel un­ter­blei­ben wird, ist die Über­prü­fung, ob die schwer­lich nach­voll­zieh­ba­ren Gren­zen ei­ner sol­chen Über­wa­chung ein­ge­hal­ten wur­den und ge­ge­be­nen­falls die Or­tungs­ge­rä­te tat­säch­lich ab­ge­schal­tet wur­den, zu­dem kaum mög­lich. Die Be­stim­mung über­zeugt nicht zu­letzt des­halb nicht, weil die Be­amt*in­nen auch bei dau­er­haf­tem Ver­lust des Sicht­kon­tak­tes ei­ne Über­wa­chung ver­nünf­ti­ger­wei­se nicht gänz­lich «stop­pen» kön­nen, weil sie da­zu auch das Or­tungs­ge­rät wie­der de­mon­tie­ren müs­sen.

Es muss noch dar­auf hin­ge­wie­sen wer­den, dass der NDB be­reits heu­te über die Mög­lich­keit ver­fügt, ei­ne Per­son oder ei­ne Sa­che zu lo­ka­li­sie­ren (Art. 26 Abs. 1 lit. b NDG). Der neue Art. 14 Abs. 3 nNDG und der Vor­be­halt in Art. 26 Abs. 1 lit. b nNDG in fi­ne ha­ben als ein­zi­ge Fol­ge ei­ne wei­te­re Ver­let­zung der Pri­vat­sphä­re der Bür­ge­rin­nen und Bür­ger, wäh­rend der Schutz, den Art. 14 NDG bie­tet, be­reits heu­te un­ge­nü­gend ist, um die in­ter­na­tio­na­len Nor­men, de­nen die Schweiz un­ter­liegt, zu er­fül­len.

4.2 Be­din­gun­gen der Ge­neh­mi­gung

4.2.1. Art. 27 Abs. 1 lit. a Ziff. 1 nNDG- Er­wei­te­rung auf ge­walt­tä­ti­gen Ex­tre­mis­mus

GEBM dür­fen nicht auf ge­walt­tä­ti­gen Ex­tre­mis­mus aus­ge­wei­tet wer­den.

Für den Aus­druck «ge­walt­tä­ti­ger Ex­tre­mis­mus» exis­tiert kei­ne ge­setz­lich-ver­bind­li­che De­fi­ni­ti­on. Da­mit liegt kei­ne ge­nü­gen­de ge­setz­li­che Grund­la­ge für Grund­rechts­ein­grif­fe und ein Ver­stoss ge­gen die An­for­de­run­gen von Art. 8 EM­RK vor.

Art. 27 Abs. 1 lit. a Ziff. 1 nNDG sieht vor, dass GEBM neu für al­le in Art. 19 Abs. 2 nNDG ge­nann­ten Be­dro­hun­gen an­ge­ord­net wer­den kön­nen. Da­mit sind GEBM nun auch zur Auf­klä­rung von ge­walt­tä­tig-ex­tre­mis­ti­schen Ak­ti­vi­tä­ten ein­setz­bar.

Je­de ge­hei­me Über­wa­chung führt zu ei­nem Ein­griff in das Recht auf Pri­vat­le­ben ge­mäss Art. 8 EM­RK und muss da­her klar, vor­her­seh­bar und be­son­ders prä­zi­se in ei­nem Ge­setz vor­ge­se­hen sein.26 Das Ge­setz muss zu­dem die Be­din­gun­gen auf­lis­ten, un­ter wel­chen die Be­hör­den ei­ne Per­son über­wa­chen dür­fen,27 und die Straf­ta­ten und Per­so­nen­ka­te­go­ri­en de­fi­nie­ren, die über­wacht wer­den kön­nen.28

Dem­ge­gen­über hat der Bun­des­rat den Be­griff «ge­walt­tä­ti­ger Ex­tre­mis­mus», zu des­sen Ab­wen­dung nun GEBM an­ge­wen­det wer­den dür­fen, nicht ab­schlies­send de­fi­niert. Viel­mehr hat er be­reits im Zu­sam­men­hang mit dem BWIS fest­ge­stellt, dass - eben­so we­nig wie Ter­ro­ris­mus - «auch der Be­griff des Ex­tre­mis­mus de­fi­ni­to­risch nicht ab­schlies­send er­fass­bar»29 ist und das Ge­setz aus die­sem Grund «be­wusst ei­ne Le­gal­de­fi­ni­ti­on die­ser Be­grif­fe»30 ver­mei­de. Art. 19 Abs. 2 nNDG stellt in dem Sin­ne auch kei­ne Le­gal­de­fi­ni­ti­on der dort auf­ge­lis­te­ten Be­dro­hun­gen auf, son­dern schlicht ei­ne Be­schrei­bung.31

Aus die­sem Grund exis­tiert in­halt­lich kei­ne recht­lich bin­den­de De­fi­ni­ti­on des Be­griffs «ge­walt­tä­ti­ger Ex­tre­mis­mus». Wie der NDB die­sen Be­griff künf­tig aus­le­gen und an­wen­den wird, ist da­mit weit­ge­hend un­vor­her­seh­bar und will­kür­lich. Dem durch die GEBM vor­ge­se­he­nen Grund­rechts­ein­griff fehlt es da­her an ei­ner aus­rei­chend prä­zi­sen Ge­set­zes­grund­la­ge.32 Die ein­fa­che Be­schrei­bung der Be­dro­hungs­la­ge in Art. 19 Abs. 2 nNDG ist zu va­ge, um als De­fi­ni­tio­nen den An­for­de­run­gen der EM­RK zu ent­spre­chen.

Wie sich in Un­ter­su­chun­gen der nach­rich­ten­dienst­li­chen Pra­xis ge­zeigt hat, hat die Un­ter­schei­dung zwi­schen le­gi­ti­men po­li­ti­schen Ak­ti­vi­tä­ten und nach­rich­ten­dienst­lich re­le­van­tem Ge­wal­tex­tre­mis­mus nie zu­ver­läs­sig funk­tio­niert. So ist im­mer wie­der grund­recht­lich ge­schütz­te po­li­ti­sche Be­tä­ti­gung in den Fo­kus des Nach­rich­ten­diens­tes ge­kom­men. Bis zum Fi­chen­skan­dal be­traf dies ins­be­son­de­re «Lin­ke», «Al­ter­na­ti­ve», «Grü­ne», Frie­dens­be­weg­te, Dritt­welt-Ak­ti­vis­ten, Frau­en­be­we­gun­gen, Fremd­ar­bei­ter­be­treu­er, An­ti-AKW-Be­we­gun­gen und re­li­giö­se Grup­pie­run­gen, wel­che von Staats­schüt­zern als po­ten­ti­ell ge­fähr­lich emp­fun­den wur­den.33 Meh­re­re Be­rich­te der GPDel und Fäl­le, in de­nen die Be­trof­fe­nen Ein­sicht in ih­re nach­rich­ten­dienst­li­chen Da­ten er­hiel­ten, ma­chen deut­lich, dass der Nach­rich­ten­dienst auch nach In­kraft­tre­ten des BWIS, mit wel­chem der Ge­setz­ge­ber ei­ne kla­re Grund­la­ge für die nach­rich­ten­dienst­li­che Tä­tig­keit hat schaf­fen wol­len, Da­ten über po­li­ti­sche Tä­tig­kei­ten sam­mel­te, wel­che durch Grund­rech­te ge­schützt sind.34 Ein Rechts­gut­ach­ten, wel­ches die Pra­xis der In­for­ma­ti­ons­be­schaf­fung des NDB un­ter­sucht hat, zeigt auf, wie ei­ne NGO zwi­schen 1999 und 2019 vom Nach­rich­ten­dienst in ins­ge­samt 405 Do­ku­men­ten er­fasst wor­den ist, wo­bei die NGO fälsch­li­cher­wei­se mehr­fach im Kon­text von Links­ex­tre­mis­mus Er­wäh­nung fin­det und ihr stel­len­wei­se un­ter­stellt wird, sich nicht ge­nü­gend deut­lich von Ge­walt­ak­ten dis­tan­ziert zu ha­ben.35

4.2.2. Art. 27 Abs. 1 lit. a Ziff. 2 nNDG - Über­wa­chung zu­guns­ten frem­der Staa­ten

Auf die Mög­lich­keit, GEBM zu­guns­ten frem­der Staa­ten an­zu­ord­nen, ist zu ver­zich­ten. Die Schweiz wird da­mit an­fäl­lig für Druck aus dem Aus­land, was ih­re Un­ab­hän­gig­keit und Neu­tra­li­tät ge­fähr­det.

Ge­mäss der Ge­set­zes­vor­la­ge sol­len ge­neh­mi­gungs­pflich­ti­ge Be­schaf­fungs­mass­nah­men im Fal­le ei­ner «kon­kre­ten Be­dro­hung wich­ti­ger in­ter­na­tio­na­ler Si­cher­heits­in­ter­es­sen» auch auf Er­su­chen aus­län­di­scher Staa­ten an­ge­ord­net wer­den kön­nen. Aus­län­di­sche Staa­ten könn­ten die Schweiz dem­nach er­su­chen, Über­wa­chungs­mass­nah­men ge­gen Or­ga­ni­sa­tio­nen oder Ein­zel­per­so­nen durch­zu­füh­ren, die sie ge­mäss ih­rer ei­ge­nen De­fi­ni­ti­on als Ter­ro­rist*in­nen oder Ex­tre­mist*in­nen ein­stu­fen.

Die Nach­for­schun­gen könn­ten dar­über hin­aus auch Per­so­nen be­tref­fen, die sich im Ho­heits­ge­biet ei­nes an­de­ren Staa­tes be­fin­den, je­doch ein Kom­mu­ni­ka­ti­ons­sys­tem in der Schweiz nut­zen (bspw. ei­ne E-Mail-Adres­se bei ei­nem An­bie­ter aus der Schweiz). Dies wür­de die nach­träg­li­che Un­ter­rich­tung der be­trof­fe­nen Per­son über die An­wen­dung der Mass­nah­men be­son­ders er­schwe­ren - ein Um­stand, dem im Ge­set­zes­ent­wurf nicht Rech­nung ge­tra­gen wird.

Die An­ord­nung von GEBM auf Er­su­chen aus­län­di­scher Staa­ten steht in ei­nem Span­nungs­feld zum Grund­satz der Wah­rung der Un­ab­hän­gig­keit der Schweiz bzw. ih­rer Neu­tra­li­tät (Art. 54 BV). Be­son­ders wenn nicht zu­gleich die Si­cher­heit der Schweiz tan­giert ist, son­dern bloss - nicht wei­ter de­fi­nier­te - «ne­ga­ti­ve Re­ak­tio­nen der be­trof­fe­nen Staa­ten» ge­gen­über der Schweiz fol­gen könn­ten oder «in­ter­na­tio­na­les Han­deln un­er­läss­lich» ist (vgl. Art. Abs. 1 lit. a nNDG), be­steht die Ge­fahr, dass sich die Schweiz er­press­bar macht. So könn­ten Dritt­staa­ten der Schweiz Re­tor­si­ons­mass­nah­men an­dro­hen, wenn der NDB nicht zu Han­den die­ser Dritt­staa­ten tä­tig wird. Sou­ve­rä­ni­täts- und neu­tra­li­täts­po­li­tisch er­scheint ei­ne so weit­ge­hen­de Be­stim­mung nicht halt­bar und es droht ei­ne zu­neh­men­de und nicht kon­trol­lier­ba­re Im­pli­ka­ti­on der Schweiz in in­ter­na­tio­na­le Aus­ein­an­der­set­zun­gen.

4.3. Ge­neh­mi­gungs­ver­fah­ren

4.3.1. Art. 29 nNDG- An­trag für GEBM

Der NDB muss dem Bun­des­ver­wal­tungs­ge­richt im­mer die voll­stän­di­gen Ak­ten und nicht nur die «we­sent­li­chen Ak­ten» über­ge­ben.

Für die über­wach­te Per­son muss wäh­rend des Ge­neh­mi­gungs­ver­fah­rens ein*e Ver­tre­ter*in er­nannt wer­den, der*die den vol­len Zu­gang zu den Ak­ten und zum Ver­fah­ren hat und da­zu er­mäch­tigt ist, vor dem BV­Ger im Na­men der über­wach­ten Per­son Be­geh­ren zu stel­len.

Es müs­sen de­tail­lier­te Sta­tis­ti­ken (nicht nur die An­zahl ge­neh­mig­te oder ab­ge­lehn­te An­trä­ge) über die Ge­neh­mi­gungs­ver­fah­ren ver­öf­fent­licht wer­den.

Art. 29 Abs. 1 lit. g nNDG sieht vor, dass der NDB dem BV­Ger An­trä­ge mit «den für die Ge­neh­mi­gung we­sent­li­chen Ak­ten» ein­reicht. In sei­ner Bot­schaft zum NDG gab der Bun­des­rat an, dass der NDB dem BV­Ger «al­le not­wen­di­gen An­ga­ben zur Be­ur­tei­lung, ob die Mass­nah­me den ge­setz­li­chen An­for­de­run­gen ent­spricht, al­so na­ment­lich die Be­schrei­bung der tat­säch­li­chen An­halts­punk­te für die kon­kre­te Be­dro­hung der in­ne­ren oder äus­se­ren Si­cher­heit der Schweiz, die Dar­le­gung der Ver­hält­nis­mäs­sig­keit der Mass­nah­me, [...]»36 ein­rei­chen muss.

Fak­tisch ver­mag die­se Be­stim­mung je­doch nicht zu ga­ran­tie­ren, dass dem Ge­richt ein fun­dier­tes Bild der Si­tua­ti­on ver­mit­telt wird. In Wirk­lich­keit be­steht das Ri­si­ko, dass die vom NDB aus­ge­wähl­ten und vor­ge­leg­ten An­halts­punk­te ein ver­zerr­tes Bild der Rea­li­tät dar­stel­len und der NDB nur An­halts­punk­te ein­reicht, wel­che für ei­ne Mass­nah­me spre­chen. Die Wir­kung der rich­ter­li­chen Ge­neh­mi­gung von GEBM ist na­tur­ge­mäss oh­ne­hin be­grenzt, da sol­che Mass­nah­men dar­auf zie­len, Er­kennt­nis­se zu ge­win­nen, dies mit­un­ter bei ei­ner zu­min­dest in­iti­al dün­nen Fak­ten­la­ge. Da­mit wird die rich­ter­li­che Über­prü­fung sich re­gel­mäs­sig nur dar­auf er­stre­cken kön­nen, ob der NDB das Be­ste­hen der Vor­aus­set­zun­gen für die Mass­nah­me gel­tend ma­che (u.U. ge­stützt auf Ver­mu­tun­gen), nicht aber auf das ef­fek­ti­ve Be­ste­hen der da­bei vom NDB gel­tend ge­mach­ten Tat­sa­chen. Auch wenn das Ge­richt Er­gän­zun­gen zu den Ak­ten ver­lan­gen kann, setzt dies vor­aus, dass sei­ne Auf­merk­sam­keit be­son­ders auf ein Ele­ment in den Ak­ten ge­lenkt wird.37

Dar­über hin­aus ist die Frist für die Er­tei­lung der Be­wil­li­gung sehr kurz und eig­net sich da­her schlecht für ein Hin und Her der Ak­ten zwi­schen dem BV­Ger und dem NDB. Da­mit das BV­Ger frist­ge­recht ei­ne in­for­mier­te Ent­schei­dung tref­fen kann, ist die Zu­stel­lung der voll­stän­di­gen Ak­ten durch den NDB un­ab­ding­bar.

Wei­ter be­steht im Ge­neh­mi­gungs­ver­fah­ren ein deut­li­ches Un­gleich­ge­wicht zwi­schen den Mit­teln, wel­che dem NDB zur Ver­fü­gung ste­hen, und der von den Mass­nah­men be­trof­fe­nen - im Ver­fah­ren nicht an­we­sen­den - Per­son. Um die Ver­tei­di­gung ih­rer In­ter­es­sen zu ge­währ­leis­ten, muss im Ge­neh­mi­gungs­ver­fah­ren ei­ne Ver­tre­tung an­we­send sein, die das Macht­ge­fäl­le zum NDB aus­gleicht.

Die Ent­schei­dun­gen des BV­Gers zu den Ge­neh­mi­gungs­an­trä­gen wer­den schliess­lich nicht ver­öf­fent­licht (Art. 5 Abs. 1 In­for­ma­ti­ons­re­gle­ment für das Bun­des­ver­wal­tungs­ge­richt vom 21. Fe­bru­ar 2008)38.Um ei­ne mi­ni­ma­le öf­fent­li­che und de­mo­kra­ti­sche Kon­trol­le her­zu­stel­len, ist die Be­reit­stel­lung von sta­tis­ti­schen Da­ten da­her zwin­gend. Dem­ge­gen­über ver­öf­fent­licht der NDB in sei­nem Jah­res­be­richt le­dig­lich die An­zahl der durch­ge­führ­ten Mass­nah­men. Die jähr­li­che Zahl der ge­neh­mig­ten, teil­wei­se ge­neh­mig­ten, be­dingt ge­neh­mig­ten, frei­ge­ge­be­nen, zu­rück­ge­zo­ge­nen, ver­wei­ger­ten usw. Mass­nah­men und ih­re in­halt­li­chen Be­grün­dun­gen - Ter­ro­ris­mus, ge­walt­tä­ti­ger Ex­tre­mis­mus usw. - ist je­doch nicht er­sicht­lich und ei­ne Be­ur­tei­lung der Wirk­sam­keit der rich­ter­li­chen Kon­trol­le un­mög­lich. Spä­tes­tens nach dem Ab­schluss der Ope­ra­ti­on soll­ten die ent­spre­chen­den Ent­schei­de ver­öf­fent­licht wer­den.

4.3.2. Art. 29a Abs. 5 nNDG - GEBM im Aus­land

Al­le GEBM müs­sen der ge­richt­li­chen Kon­trol­le durch das BV­Ger un­ter­lie­gen, un­ab­hän­gig da­von, ob sie in der Schweiz oder im Aus­land durch­ge­führt wer­den sol­len.

Auch wenn mit der Ge­neh­mi­gung des be­trof­fe­nen Staa­tes die Durch­füh­rung ei­ner Über­wa­chung durch den NDB im Aus­land er­folgt, muss die­se der rich­ter­li­chen Kon­trol­le un­ter­lie­gen.

Art. 29a Abs. 5 nNDG im­pli­ziert, dass ers­tens GEBM auch im Aus­land durch­ge­führt wer­den und dass hier­bei ei­ne ge­richt­li­che Kon­trol­le durch das BV­Ger ent­fällt. Be­tref­fend das Ein­drin­gen in Com­pu­ter­sys­te­me, mit dem Hin­weis auf den statt­des­sen an­wend­ba­ren Art. 37 nNDG, wird er­sicht­lich, dass der Bun­des­rat bzw. der*die Vor­ste­her*in des VBS über die Durch­füh­rung sol­cher Mass­nah­men ent­schei­det, in dring­li­chen Fäl­len die Di­rek­ti­on des NDB (Art. 37 Abs. 3 nNDG).

Die Durch­füh­rung von GEBM im Aus­land ist völ­ker­recht­lich im Lich­te von Ter­ri­to­ria­li­tät und Sou­ve­rä­ni­tät höchst pro­ble­ma­tisch und - ab­ge­se­hen von we­ni­gen Aus­nah­me - un­zu­läs­sig. Das Bun­des­ge­richt hat in BGE 146 IV 36 fest­ge­hal­ten, dass auf­grund des Ter­ri­to­ria­li­täts­prin­zips sol­che Mass­nah­men, auch wenn sie für die Schweiz rechts­gül­tig an­ge­ord­net wur­den, im Aus­land grund­sätz­lich nur durch­ge­führt wer­den dür­fen, wenn dies mit in­ter­na­tio­na­lem Recht ver­ein­bar ist, oder, falls nicht, der be­trof­fe­ne Staat nach den Re­geln der in­ter­na­tio­na­len Rechts­hil­fe vor­gän­gig sein Ein­ver­ständ­nis ge­ge­ben hat.

Zu­dem ist nicht er­sicht­lich, wes­halb die ge­richt­li­che Kon­trol­le ent­fal­len soll, wenn ei­ne GEBM im Aus­land durch­ge­führt oder fort­ge­führt wird. So wä­re es nicht zu recht­fer­ti­gen, wenn et­wa die Ver­län­ge­rung ei­ner GEBM dem BV­Ger nicht vor­ge­legt wer­den müss­te, weil ei­ne Per­son sich zu die­sem Zeit­punkt im Ur­laub oder auf ei­ner Ge­schäfts­rei­se im Aus­land be­fin­det. Eben­so we­nig wä­re es zu le­gi­ti­mie­ren, die be­trof­fe­ne Per­son nach­träg­lich nicht oder nur über den Teil der Über­wa­chung zu in­for­mie­ren, wel­cher in der Schweiz durch­ge­führt wur­de. Die rich­ter­li­che Ge­neh­mi­gung auf Fäl­le zu be­schrän­ken, in wel­chem der NDB auf schwei­ze­ri­schem Ho­heits­ge­biet han­delt, ist un­halt­bar. Es wür­de auch be­deu­te­ten, dass die Schweiz die Grund­rech­te ih­rer Bür­ger*in­nen auf dem ei­ge­nen Ho­heits­ge­biet bes­ser schützt als im Aus­land. Be­son­ders für Aus­land­schwei­zer*in­nen ist das höchst pro­ble­ma­tisch. Es gibt kei­ne Be­stim­mung im Ge­set­zes­ent­wurf, die bspw. ver­bie­tet, die Stimm­cou­verts von Aus­land­schwei­zer*in­nen ab­zu­fan­gen und zu öff­nen. Da es sich bei den über­wach­ten Per­so­nen auch um Bür­ger*in­nen ei­nes an­de­ren Staa­tes han­deln kann, läuft die Schweiz zu­dem Ge­fahr, mit­tels ei­ner Staats­be­schwer­de nach Art. 33 EM­RK vor dem EGMR ver­klagt zu wer­den.

4.4. Art. 29b und 30 nNDG - Dau­er der Ge­neh­mi­gung und Ver­län­ge­rung von GEBM

Für die Zeit­span­ne zwi­schen dem An­trag für GEBM und de­ren rich­ter­li­chen Be­ur­tei­lung resp. der rich­ter­li­chen Ge­neh­mi­gung von GEBM und de­ren Durch­füh­rung braucht es ge­setz­lich fest­ge­leg­te Ma­xi­mal­fris­ten.

Es ist aus­drück­lich vor­zu­se­hen, dass der NDB die be­trof­fe­nen Per­so­nen auch dann über ih­re Über­wa­chung in­for­mie­ren muss, wenn er auf die kon­kre­te Durch­füh­rung der GEBM ver­zich­tet hat.

Es ist vor­zu­se­hen, dass die Ver­län­ge­rung ei­ner GEBM vor Ab­lauf der lau­fen­den Mass­nah­me ge­neh­migt wer­den muss. Ei­ne Fort­set­zung ei­ner GEBM über die be­wil­lig­te Dau­er hin­aus ist in je­dem Fall un­zu­läs­sig.

Auf ein er­leich­ter­tes Frei­ga­be-Ver­fah­ren bei Ver­län­ge­run­gen und auf die Ein­füh­rung des Be­griffs «ge­ring­fü­gi­ge Er­wei­te­rung» ist zu ver­zich­ten. Je­de Ver­län­ge­rung oder Er­wei­te­rung ei­ner GEBM muss ei­nem voll­stän­di­gen und form­ge­rech­ten Ver­fah­ren un­ter­stellt wer­den.

Der Ge­set­zes­ent­wurf sieht vor, dass die Ge­neh­mi­gung für GEBM zu ei­nem vom BV­Ger fest­ge­leg­ten Zeit­punkt wirk­sam wird. Hin­sicht­lich der Wirk­sam­keit von GEBM ist es je­doch not­wen­dig, ge­wis­se ge­setz­li­che Fris­ten fest­zu­le­gen. So kön­nen sich et­wa zwi­schen der rich­ter­li­chen Ge­neh­mi­gung und der tat­säch­li­chen Durch­füh­rung der Mass­nah­me die Um­stän­de mass­ge­bend än­dern. Zu­dem wird die Be­ur­tei­lung ei­ner kon­kre­ten Be­dro­hung im­mer wie mehr zur Spe­ku­la­ti­on, je län­ger im Vor­aus sie ge­tä­tigt wird - und da­mit zu ei­ner blos­sen Wahr­schein­lich­keit, wel­che den vor­ge­se­he­nen Grund­rechts­ein­griff nicht zu recht­fer­ti­gen ver­mag.

Än­dern sich die Um­stän­de seit der Ge­neh­mi­gung tat­säch­lich, muss der NDB zu­dem die Ver­ant­wor­tung tra­gen, die­sen Um­stand dem Ge­richt mit­zu­tei­len, da­mit die GEBM wi­der­ru­fen wer­den kann. In die­sem Zu­sam­men­hang ist ins­be­son­de­re von Be­deu­tung, dass die be­trof­fe­ne Per­son auch dann von der Mass­nah­me un­ter­rich­tet wird, wenn die­se vor ih­rer Durch­füh­rung auf­ge­ho­ben wur­de.

Ist ei­ne Ver­län­ge­rung der GEBM not­wen­dig, so muss ge­mäss Art. 29b nNDG der NDB le­dig­lich vor Ab­lauf der lau­fen­den Mass­nah­me beim BV­Ger sei­nen An­trag auf Ver­län­ge­rung stel­len. Die Mög­lich­keit ei­ner Fort­set­zung von GEBM bis zum Vor­lie­gen ei­nes Ent­schei­des des BV­Gers be­tref­fend die Ver­län­ge­rung er­öff­net ein nicht un­er­heb­li­ches Miss­brauch­s­po­ten­ti­al. Zweck der ge­richt­li­chen Ge­neh­mi­gung ist u.a. ge­ra­de ei­ne Be­fris­tung von GEBM im Lich­te des Ver­hält­nis­mäs­sig­keits­prin­zips. Um Miss­brauch vor­zu­beu­gen, muss im Ge­setz die ge­gen­tei­li­ge Lö­sung ex­pli­zit vor­ge­se­hen wer­den, na­ment­lich, dass im Rah­men des Ge­neh­mi­gungs­ent­schei­des die Fort­set­zung ei­ner GEBM über die be­wil­lig­te Dau­er hin­aus un­zu­läs­sig ist. Zur Fort­füh­rung ei­ner Mass­nah­me muss in je­dem Fall die Ge­neh­mi­gung des BV­Ger vor­lie­gen.

Schliess­lich ist auch die in Art. 29b Abs. 3 nNDG vor­ge­se­he­ne Ver­pflich­tung zur Ver­nich­tung der Da­ten bei Ab­leh­nung der Ge­neh­mi­gung oder Ver­län­ge­rung nicht aus­rei­chend, ins­be­son­de­re, wenn der NDB in der Zwi­schen­zeit Da­ten an an­de­re Stel­len wei­ter­ge­ge­ben hat. Soll­te die oben er­wähn­te Mög­lich­keit ei­ner Fort­set­zung der GEBM vor dem Vor­lie­gen der rich­ter­li­chen Ge­neh­mi­gung bei­be­hal­ten wer­den, müss­te das Ge­setz ga­ran­tie­ren, dass der NDB, so­lan­ge die Ge­neh­mi­gung und die Frei­ga­be der Ver­län­ge­rung nicht er­teilt wur­den, die Da­ten nicht an an­de­re In­stan­zen wei­ter­ge­ben darf.

Es ist so­dann nicht zu recht­fer­ti­gen, dass die Vor­ste­her*in­nen des EJPD und des EDA bei der Ver­län­ge­rung von GEBM nicht mehr kon­sul­tiert wer­den müs­sen. Die­se Ver­ein­fa­chung ge­schieht schein­bar in ers­ter Li­nie, weil die Kon­sul­ta­ti­on ei­ne «be­trächt­li­che Be­las­tung» des*der Vor­ste­her*in des EDA und EJPD dar­stel­le. Da­bei wird je­doch ver­ges­sen, dass je­de wei­te­re Adres­se (Art. 30 Abs. 4 lit. a nNDG) oder Sa­che «im Be­sitz der be­reits über­wach­ten Per­son» (Art. 30 Abs. 4 lit. b - d nNDG) auch un­ter Ei­gen­tum oder Nut­zung ei­ner an­de­ren Per­son sein kann und so­mit po­ten­ti­ell wie­der neue tan­gier­te Per­so­nen mit­ein­schlies­sen kann. Aus­ser­dem be­deu­tet ei­ne ver­län­ger­te oder er­wei­ter­te Über­wa­chung ei­nen noch schwe­re­ren Ein­griff in die Rech­te der über­wach­ten Per­son und kei­nes­wegs, wie sug­ge­riert, ei­ne gleich­blei­ben­de Schwe­re. Der mi­ni­ma­le Zeit­ge­winn steht in kei­nem Ver­hält­nis zum Schwe­re­grad des Grund­rechts­ein­griffs, wel­cher ei­ne GEBM für die be­trof­fe­nen Per­so­nen dar­stellt. Da sich die Fra­ge nach der Ver­hält­nis­mäs­sig­keit mit der Fort­dau­er ei­ner Mass­nah­me im­mer mehr auf­drängt, soll­ten auch die Be­din­gun­gen und Kon­troll­me­cha­nis­men er­höht, und nicht ge­schwächt wer­den. Zu­letzt soll der*die Vor­ste­her*in des VBS ge­mäss Art. 30 Abs. 3 nNDG auch bei «ge­ring­fü­gi­gen Er­wei­te­run­gen» die Vor­ste­hen­den des EJPD und des EDA nicht mehr kon­sul­tie­ren müs­sen. De fac­to stel­len aber auch die­se Er­wei­te­run­gen ei­ne zu­sätz­li­che Über­wa­chung dar, wel­che nur un­ter Ein­hal­tung al­ler Ver­fah­rens­ga­ran­ti­en zu­läs­sig sein darf. Der er­läu­tern­de Be­richt ver­sucht zu be­schwich­ti­gen, in­dem her­vor­ge­ho­ben wird, dass die vor­her­ge­hen­de Kon­sul­ta­ti­on im­mer noch frei­wil­lig ge­sche­hen kön­ne. Die­se Stel­len wer­den fak­tisch aber nur noch nach­träg­lich dar­über in­for­miert und mehr als Au­gen­wi­sche­rei ist die­ser Hin­weis ent­spre­chend nicht.

4.5. Art. 33 nNDG - Mit­tei­lung an von Über­wa­chung be­trof­fe­ne Per­so­nen

Die Mög­lich­keit ei­nes end­gül­ti­gen Ver­zichts auf ei­ne Mit­tei­lung ist zu strei­chen. Ge­mäss EM­KR, BV und bun­des­ge­rich­ter­li­cher Recht­spre­chung ist le­dig­lich ein zeit­lich be­grenz­ter (und ggf. ver­län­ger­ba­rer) Auf­schub ak­zep­ta­bel.

Es ist nur die Mög­lich­keit ei­nes Auf­schubs ei­ner Mit­tei­lung für drei Mo­na­te bei­zu­be­hal­ten. Die­ser Auf­schub muss dem Ge­neh­mi­gungs- und Frei­ga­be­ver­fah­ren un­ter­stellt wer­den.

Die Mit­tei­lung an die be­trof­fe­ne Per­son nach Ab­schluss der Über­wa­chung ist ein we­sent­li­ches Ele­ment des Rechts­staa­tes. Oh­ne nach­träg­lich über die Über­wa­chung in­for­miert zu wer­den, hat die be­trof­fe­ne Per­son kei­ne wirk­sa­me Be­schwer­de­mög­lich­kei­ten im Sin­ne von Art. 13 EM­RK und sie kann mög­li­che Ver­let­zun­gen ih­res Rechts auf Pri­vat­sphä­re we­der fest­stel­len noch be­he­ben las­sen. Die Mit­tei­lung ist zwar nicht im­mer so­fort mög­lich, sie muss aber er­fol­gen, «so­bald die Mit­tei­lung er­fol­gen kann, oh­ne den Zweck der Ein­schrän­kung zu ge­fähr­den»39.

Der vor­lie­gen­de Ge­set­zes­ent­wurf sieht in Art. 33 Abs. 4 nNDG den end­gül­ti­gen «Ver­zicht» auf die Mit­tei­lung an die be­trof­fe­ne Per­son vor. Der dau­er­haf­te Ver­zicht auf die In­for­ma­ti­on ist ge­mäss bun­des­ge­rich­ter­li­cher Recht­spre­chung je­doch un­zu­läs­sig.40 Mög­lich ist ein­zig ein kur­zer und be­fris­te­ter Auf­schub der Mit­tei­lung.

Ge­mäss Art. 33 Abs. 2bis nNDG soll die Frist für Auf­schü­be von Mit­tei­lun­gen von drei auf sechs Mo­na­te aus­ge­dehnt wer­den. An­ge­sichts der Schwe­re des Ein­griffs in die Rech­te der be­trof­fe­nen Per­son ist dies un­an­ge­mes­sen. Das Auf­schie­ben der In­for­ma­ti­on «auf ein be­stimm­tes Er­eig­nis» ist zu­dem pro­ble­ma­tisch, wenn das Er­eig­nis un­klar be­schrie­ben wird, nicht ein­tritt oder die Be­hör­de, wel­che da­für zu­stän­dig ist, ver­gisst den NDB dar­über zu in­for­mie­ren. Ei­ne re­gel­mäs­si­ge Kon­trol­le in kur­zen Ab­stän­den ist der ein­zi­ge Weg, um si­cher­zu­stel­len, dass ei­ne Mit­tei­lung nicht ver­ges­sen geht und die Rech­te der be­trof­fe­nen Per­son ge­wahrt wer­den.

Der Bun­des­rat übt Auf­sicht über den NDB und ist po­li­tisch für des­sen Han­deln ver­ant­wort­lich. Es ist da­her ge­recht­fer­tigt, dass je­de Ein­schrän­kung der Mit­tei­lungs­pflicht dem Frei­ga­be­ver­fah­ren und nicht nur der Ge­neh­mi­gung durch das BV­Ger un­ter­liegt. Die Idee des «er­for­der­li­chen Auf­schubs auf­grund der Be­zie­hun­gen der Schweiz zum Aus­land» (Abs. 4) könn­te zu­dem zu Aus­le­gungs­pro­ble­men füh­ren.

4.6. Art. 50 nNDG - Da­ten aus ge­neh­mi­gungs­pflich­ti­gen Be­schaf­fungs­mass­nah­men

4.6.1. Ver­nich­tung und Aus­son­de­rung von Da­ten

Ei­ne un­ab­hän­gi­ge In­stanz muss die Da­ten aus­son­dern und die nicht er­for­der­li­chen Da­ten ver­nich­ten - vor ih­re Über­mitt­lung an den NDB.

Die Aus­son­de­rung von nach­rich­ten­dienst­lich nicht re­le­van­ten Da­ten muss vor der Über­mitt­lung der Da­ten an den NDB statt­fin­den, da et­wa in den über­wach­ten Kom­mu­ni­ka­tio­nen sen­si­ble oder vom Be­rufs­ge­heim­nis ge­schütz­te Da­ten ent­hal­ten sein kön­nen.

Art. 50 Abs. 1 nNDG sieht vor, dass die im Rah­men ei­ner GEBM ge­sam­mel­ten Da­ten spä­tes­tens nach Ab­schluss ei­ner Ope­ra­ti­on ge­prüft und ggf. ver­nich­tet wer­den müs­sen. Nach dem ak­tu­el­len Ge­set­zes­text müs­sen sie in­ner­halb von 30 Ta­gen nach Ab­schluss der Ein­zel­mass­nah­me ver­nich­tet wer­den. Je län­ger die Da­ten auf­be­wahrt wer­den, des­to grös­ser ist das Ri­si­ko für die be­trof­fe­nen Per­so­nen, in ih­ren Grund­rech­ten ver­letzt zu wer­den. In die­sem Zu­sam­men­hang ist dar­an zu er­in­nern, dass ei­ne Über­wa­chung oft­mals auch die In­for­ma­ti­ons­be­schaf­fung über Per­so­nen (bspw. Ge­sprächs­part­ner*in­nen) und da­mit Ein­grif­fe in ih­re Pri­vat­sphä­re um­fasst, wel­che nicht Ziel der Über­wa­chung sind.

Nach der Recht­spre­chung des EGMR muss der Um­gang mit In­for­ma­tio­nen, die bei ei­ner ge­hei­men Über­wa­chung ge­sam­melt wer­den, re­gu­liert wer­den.41 Da­ten, die kei­nen Be­zug zu der Straf­tat bzw. der Be­dro­hung ha­ben, wel­che An­lass für die Über­wa­chung wa­ren, müs­sen um­ge­hend ver­nich­tet wer­den.42 Auch bei der Er­he­bung müs­sen In­for­ma­tio­nen be­reits ge­schützt wer­den und für all­fäl­lig in­vol­vier­te Drit­te (z. B. Dienst ÜPF, Ban­ken usw.) Si­cher­heits­pflich­ten vor­ge­se­hen wer­den, um die Da­ten zu schüt­zen. Was den Dienst ÜPF be­trifft, so müs­sen je­ne Da­ten, wel­che nach An­sicht des NDB ge­löscht wer­den soll­ten, nicht nur in den Da­ten­ban­ken des NDB, son­dern auch im Ver­ar­bei­tungs­sys­tem des Diens­tes ÜPF ge­löscht wer­den. Um die Rech­te der be­trof­fe­nen Per­so­nen um­fas­send zu schüt­zen, müss­te die Aus­son­de­rung und Lö­schung al­ler Da­ten durch ei­ne un­ab­hän­gi­ge In­stanz - vor ih­rer Über­mitt­lung an den NDB - um­ge­setzt wer­den.

4.6.2. Art. 50 Abs. 2 nNDG - Durch das Be­rufs­ge­heim­nis ge­schütz­te Da­ten

Der*die Rich­ter*in, wel­che*r die Aus­son­de­rung durch­führt, muss in al­len Fäl­len, zu wel­chen er von un­ter das Be­rufs­ge­heim­nis fal­len­dem Da­ten durch das Aus­son­de­rungs­ver­fah­ren Kennt­nis er­langt hat, in den Aus­stand tre­ten.

Vom Be­rufs­ge­heim­nis ge­schütz­te Da­ten müs­sen so­fort ver­nich­tet wer­den, un­ab­hän­gig da­von, ob sie wäh­rend der Über­wa­chung ei­ner der be­ruf­li­chen Schwei­ge­pflicht un­ter­ste­hen­den Per­son oder ei­ner Dritt­per­son er­ho­ben wer­den.

Ge­mäss Art. 50 Abs. 2 nNDG er­folgt die Aus­son­de­rung und Ver­nich­tung von nicht er­for­der­li­chen Da­ten bei GEBM ge­gen­über Per­so­nen, wel­che dem Be­rufs­ge­heim­nis un­ter­ste­hen, un­ter der Lei­tung des Bun­des­ver­wal­tungs­ge­rich­tes.

Von zen­tra­ler Be­deu­tung ist in ei­nem ers­ten Schritt, dass die­se Aus­son­de­rung er­folgt, be­vor der NDB Zu­gang zu den Da­ten er­hält. Nur so kann si­cher­ge­stellt wer­den, dass der NDB le­dig­lich die für ihn not­wen­di­gen und nicht durch das Be­rufs­ge­heim­nis ge­schütz­ten Da­ten ein­se­hen kann. Hin­ge­gen er­hält der*die Rich­ter*in des BV­Gers, wel­che*r die Aus­son­de­rung vor­nimmt, zwangs­läu­fig Kennt­nis von ver­trau­li­chen In­for­ma­tio­nen. Ins­be­son­de­re bei der Über­wa­chung von An­wält*in­nen be­steht da­her die Ge­fahr, dass Rich­ter*in­nen In­for­ma­tio­nen über an­de­re Ver­fah­ren er­hal­ten, in wel­che die über­wach­ten Rechts­ver­tre­ter*in­nen vor dem BV­Ger in­vol­viert sind. Von sol­chen In­for­ma­tio­nen dür­fen Rich­ter*in­nen für die Be­hand­lung an­de­rer Fäl­le un­ter kei­nen Um­stän­den pro­fi­tie­ren kön­nen und ha­ben in die­sen Fäl­len in den Aus­stand zu tre­ten.

Wei­ter be­schränkt sich die Aus­son­de­rung und Ver­nich­tung bei GEBM ge­gen­über Per­so­nen, die dem Be­rufs­ge­heim­nis un­ter­lie­gen, ex­pli­zit auf «nicht er­for­der­li­chen Da­ten». Dies, ob­wohl durch­aus vor­stell­bar ist, dass aus nach­rich­ten­dienst­li­cher Sicht «er­for­der­li­che» Da­ten gleich­zei­tig un­ter das Be­rufs­ge­heim­nis fal­len. Wer­den die­se Da­ten den­noch vom NDB be­ar­bei­tet, wür­de dies das Be­rufs­ge­heim­nis aus­höh­len. Ge­mäss dem zwei­ten Satz von Art. 50 Abs. 2 nNDG sol­len zu­dem bei der Über­wa­chung ei­ner an­de­ren Per­son er­ho­be­ne Da­ten, zu wel­chen ei­ne Per­son mit be­ruf­li­cher Schwei­ge­pflicht ein Zeug­nis­ver­wei­ge­rungs­recht be­sitzt, un­ab­hän­gig von ih­rer Er­for­der­lich­keit ge­löscht wer­den. In dem Sin­ne be­steht der un­halt­ba­re Zu­stand, dass die Da­ten von schwei­ge­pflich­ti­gen Per­so­nen bes­ser ge­schützt sind, wenn sie aus der Über­wa­chung von Dritt­per­so­nen stam­men.

Das Ge­setz muss dem­entspre­chend si­cher­stel­len, dass al­le Da­ten, die dem Be­rufs­ge­heim­nis un­ter­ste­hen, ver­nich­tet wer­den - un­ab­hän­gig da­von, wel­che Per­son das Ziel ei­ner Über­wa­chung bil­det. Dar­über hin­aus sind im Fal­le ei­ner di­rek­ten Über­wa­chung von Per­so­nen mit be­ruf­li­cher Schwei­ge­pflicht auch al­le an­de­ren nicht «er­for­der­li­chen Da­ten» zu lö­schen. Zu­dem ist im Ge­setz ex­pli­zit fest­zu­hal­ten, dass die Aus­son­de­rung und Ver­nich­tung vor­ge­nom­men wer­den muss, be­vor der NDB Zu­gang zu den Da­ten er­hält: Die­ser soll nur Zu­gang zu Da­ten er­hal­ten, die nicht dem Be­rufs­ge­heim­nis un­ter­ste­hen und «er­for­der­lich» sind. Schliess­lich ist klar­zu­stel­len, wer für die Aus­son­de­rung und Ver­nich­tung ver­ant­wort­lich ist, wenn die über­wach­te Per­son nicht dem Be­rufs­ge­heim­nis un­ter­liegt.

Es ist zu be­to­nen, dass ei­ne nach­träg­li­che Aus­son­de­rung nicht ge­nügt, um die aus Be­rufs­ge­heim­nis­sen und dem Quel­len­schutz flies­sen­den An­sprü­che zu wah­ren, son­dern dass si­cher­ge­stellt wer­den muss, dass - von ge­recht­fer­tig­ten Aus­nah­me­fäl­len ab­ge­se­hen - Da­ten, wel­che Be­rufs­ge­heim­nis­sen oder dem Quel­len­schutz un­ter­ste­hen, vom NDB schon gar nicht er­fasst wer­den dür­fen.

4.7. Art. 83 nNDG - Rechts­we­ge

Über­mit­tel­ten Da­ten müs­sen ver­nich­tet wer­den, wenn die so­fort rechts­kräf­ti­ge Ver­fü­gung, die die Über­mitt­lung an­ord­net, als un­gül­tig er­klärt wird.

Die In­for­ma­tio­nen, die der NDB der über­wach­ten Per­son nach ei­ner GEBM mit­tei­len muss, müs­sen prä­zi­siert wer­den.

Die Ver­tei­lung der ge­richt­li­chen Kom­pe­ten­zen be­züg­lich Ge­neh­mi­gung und Be­schwer­de müs­sen neu be­ur­teilt wer­den.

Falls Da­ten über­mit­telt wer­den und die ent­spre­chen­de Ver­fü­gung spä­ter von ei­nem Ge­richt als un­gül­tig er­klärt wird, müs­sen die be­trof­fe­nen Da­ten so­fort ver­nich­tet wer­den.

Da­mit ei­ne Be­schwer­de tat­säch­lich wirk­sam sein kann muss sie sich auf ge­naue In­for­ma­tio­nen stüt­zen kön­nen. Es muss da­her prä­zi­siert wer­den, wel­che In­for­ma­tio­nen der über­wach­ten Per­son nach­träg­lich mit­ge­teilt wer­den müs­sen. Das BV­Ger darf nicht die Über­wa­chun­gen ge­neh­mi­gen und spä­ter die Be­schwer­de ge­gen sei­ne ei­ge­nen Ver­fü­gun­gen be­han­deln.

Art. 83 Abs. 2 nNDG sieht vor, dass Be­schwer­den ge­gen be­stimm­te Ver­fü­gun­gen kei­ne auf­schie­ben­de Wir­kung ha­ben. Dies be­trifft ins­be­son­de­re Fäl­le, in wel­chen der NDB ei­ne Per­son oder ei­ne Be­hör­de an­weist, ihm Aus­kunft zu er­tei­len. Die­se Be­stim­mung muss da­hin­ge­hend er­gänzt wer­den, dass die be­reit­ge­stell­ten Da­ten in je­dem Fall dann ver­nich­tet wer­den müs­sen, wenn die Ver­fü­gung des NDB auf­grund ei­ner Be­schwer­de nach­träg­lich als un­gül­tig er­klärt wird.

Ge­mäss Art. 83 Abs. 3 NDG ist ei­ne Be­schwer­de ge­gen ei­ne GEBM in­ner­halb von 30 Ta­gen nach der Mit­tei­lung der Mass­nah­me an die be­trof­fe­ne Per­son mög­lich. Die­se Be­stim­mung ist je­doch un­be­frie­di­gend, da sie le­dig­lich die va­ge for­mu­lier­te Mög­lich­keit ei­ner Be­schwer­de ge­gen die «An­ord­nung ei­ner ge­neh­mi­gungs­pflich­ti­gen Be­schaf­fungs­mass­nah­me» vor­sieht. Not­wen­dig wä­re viel­mehr, dass ex­pli­zit die NDB-in­ter­ne An­ord­nung als auch die Ge­neh­mi­gung des BV­Gers so­wie die Frei­ga­be des Bun­des­ra­tes an­ge­foch­ten wer­den kön­nen. Da ei­ne Ope­ra­ti­on po­ten­zi­ell meh­re­re Jah­re ge­dau­ert ha­ben könn­te, ist die Be­schwer­de­frist von 30 Ta­gen zu­dem viel zu kurz. Sie räumt den Be­trof­fe­nen nicht ge­nü­gend Zeit ein, um al­le Ele­men­te der Über­wa­chung zur Kennt­nis zu neh­men und zu über­prü­fen - ins­be­son­de­re, wenn sie ihr nicht von An­fang an zur Ver­fü­gung ge­stellt wer­den.

Ge­mäss Art. 33 nNDG ent­hält die Mit­tei­lung ei­ner Mass­na­hem an die be­trof­fe­ne Per­son wei­ter le­dig­lich die Art, den Grund und die Dau­er der Über­wa­chung. Die­se ein­fa­che Be­schrei­bung der durch­ge­führ­ten Mass­nah­me reicht je­doch nicht aus, um de­ren Recht­mäs­sig­keit zu be­ur­tei­len. Viel­mehr müss­ten das Ge­neh­mi­gungs­ver­fah­ren (or­dent­lich oder dring­lich), das Da­tum des An­trags so­wie der Ge­neh­mi­gung, die An­zahl der Ver­län­ge­run­gen wie auch die Grün­de da­für ge­nannt wer­den.43 Auf Ba­sis von Art. 33 nNDG könn­te der NDB bei der Ver­fas­sung von In­for­ma­ti­ons­schrei­ben Ele­men­te aus­las­sen, die ihm un­wich­tig er­schei­nen, wel­che je­doch aus Sicht der be­trof­fe­nen Per­son für die Gel­tend­ma­chung ih­rer Rech­te von ent­schei­den­der Be­deu­tung sind. Es ist aus die­sen Grün­den zwin­gend not­wen­dig, dass der NDB der be­trof­fe­nen Per­son eben­so die Über­wa­chungs­an­ord­nung, die Ent­schei­de des BV­Gers und des Bun­des­ra­tes so­wie ge­ge­be­nen­falls al­le nütz­li­chen Zu­satz­in­for­ma­tio­nen mit­tei­len.

Schliess­lich führt die Tat­sa­che, dass das BV­Ger für die Ge­neh­mi­gung von Mass­nah­men und an­schlies­send für die Be­schwer­de ge­gen die­sel­ben zu­stän­dig ist, zu ei­nem in­ak­zep­ta­blen In­ter­es­sen­kon­flikt. Die­ser Kon­flikt spitzt sich zu, wenn die ge­neh­mig­te Mass­nah­me ei­ne dem Be­rufs­ge­heim­nis ver­pflich­te­te Per­son be­trifft: In die­sem Fall son­dert das BV­Ger zu­sätz­lich noch die In­for­ma­tio­nen aus. So­fern die be­trof­fe­ne Per­son in der Ver­gan­gen­heit ihr Recht auf in­di­rek­te Aus­kunft zu Per­so­nen­da­ten gel­tend ge­macht hat, wird es eben­falls das BV­Ger ge­we­sen sein, wel­ches über ih­ren An­trag ent­schie­den hat. Das BV­Ger selbst hat die­sen In­ter­es­sen­kon­flikt im Ver­nehm­las­sungs­ver­fah­ren zur ers­ten Fas­sung des NDG be­reits an­ge­spro­chen und vor­ge­schla­gen, die Zu­stän­dig­keit für Be­schwer­den ge­gen Über­wa­chungs­mass­nah­men ei­nem an­de­ren Ge­richt zu über­tra­gen. Das Pro­blem ist nach wie vor ak­tu­ell.

4.8 Art. 26 Abs. 1 lit. f und g nNDG - ver­deck­te Über­wa­chung von Bank­be­zie­hun­gen und Fi­nanz­trans­ak­tio­nen

Die ver­deck­te Über­wa­chung von Bank­be­zie­hun­gen und Fi­nanz­trans­ak­tio­nen ist in ih­rer un­be­stimm­ten Aus­ge­stal­tung zu strei­chen.

Art. 26 Abs. 1 lit. f und g nNDG sieht als GEBM das Ein­ho­len von Aus­künf­ten be­tref­fend Be­zie­hun­gen zwi­schen ei­ner na­tür­li­chen oder ju­ris­ti­schen Per­son und Fi­nanz­in­ter­me­di­är*in­nen/Händ­ler*in­nen (Art. 26 Abs. 1 lit. f nNDG) so­wie der Über­wa­chung sol­cher Be­zie­hun­gen (Art. 26 Abs. 1 lit. g nNDG) vor. Bei­de Mass­nah­men sind in ih­ren Aus­wir­kun­gen kaum zu un­ter­schät­zen und wer­fen ver­schie­de­ne rechts­dog­ma­ti­sche Fra­gen auf.

Es fällt auf, dass der Mass­nah­me - an­ders als die an­de­ren wei­ter­rei­chen­den GEBM (ins­be­son­de­re Funk-, Ka­belauf­klä­rung, Ein­drin­gen in Com­pu­ter­sys­te­me etc.) - im Ge­setz nir­gends ei­ne ei­gen­stän­di­ge ma­te­ri­el­le Re­ge­lung zu­grun­de liegt. Viel­mehr wird sie le­dig­lich bei­läu­fig bei der Auf­zäh­lung der Ge­neh­mi­gungs­pflicht er­wähnt, wo­durch der Wort­laut aus­ge­spro­chen un­be­stimmt aus­fällt. An­ders als et­wa in Art. 284 und Art. 285 StPO (Über­wa­chung von Bank­be­zie­hun­gen) fehlt es an ei­ner mi­ni­ma­len Ein­gren­zung der Mass­nah­me nach nNDG be­tref­fend de­ren Vor­aus­set­zun­gen und Um­fang. Zu­dem ist die Mass­nah­me nicht auf die ei­gent­li­che Ziel­per­son be­schränkt, son­dern kann sich auch auf Drit­te er­stre­cken. So könn­ten et­wa auch das Bank­kon­to ei­ner An­wäl­tin in den Fo­kus ver­deck­ter Über­wa­chun­gen rü­cken, die we­gen Ter­ro­ris­mus oder Ge­wal­tex­tre­mis­mus be­schul­dig­te Per­so­nen ver­tritt - zwecks Über­wa­chung der Ab­sen­der*in­nen von Ho­no­r­ar­zah­lun­gen und Aus­for­schung des Netz­wer­kes der be­trof­fe­nen Ziel­per­son.

Die Ban­ken wer­den mit der Mass­nah­me in er­heb­li­chem Um­fang in den Dienst des NDB (und ggf. auch aus­län­di­scher Nach­rich­ten­diens­te) ge­nom­men, was das Bank­kun­den- und das Ge­schäfts­ge­heim­nis aus­höhlt. Eben­so fehlt ei­ne Re­ge­lung be­tref­fend Selbst­be­las­tungs­frei­heit der be­trof­fe­nen Fi­nanz­in­ter­me­di­är*in­nen/Händ­ler*in­nen, wie sie ana­log in der StPO be­steht (vgl. Art. 285 Abs. 2 StPO).

Ge­mäss Bun­des­rat soll sich die­se Mass­nah­me et­wa ge­gen «kom­mer­zi­el­le Un­ter­neh­men, ide­el­le Or­ga­ni­sa­tio­nen oder re­li­giö­se Ein­rich­tun­gen» rich­ten. Die Mass­nah­me be­zweckt aus­drück­lich, in Fäl­len, wo kein be­grün­de­ter Ver­dacht (bei­spiels­wei­se auf Ter­ror­fi­nan­zie­rung) be­steht, ei­ne Über­wa­chung an­ord­nen zu kön­nen. So soll ei­ne all­fäl­li­ge Be­dro­hung er­kannt und bes­ser ein­ge­schätzt wer­den kön­nen.44 Zu­dem zielt die Mass­nah­me ex­pli­zit dar­auf ab, das zwi­schen­staat­li­che Spe­zia­li­täts­prin­zip zu um­ge­hen: In­for­ma­tio­nen, die in­ter­na­tio­nal zweck­ge­bun­den aus­ge­tauscht wer­den, sol­len im Rah­men des nNDG - und ge­ge­be­nen­falls so­gar in all­fäl­li­gen spä­te­ren Straf­ver­fah­ren - auch ent­ge­gen die­sen Zwe­cken und Auf­la­gen ver­wen­det wer­den kön­nen.

Ins­ge­samt er­weist sich die Mass­nah­me vor die­sem Hin­ter­grund als schran­ken­los, was an­ge­sichts der be­trof­fe­nen Grund­rech­te der Wirt­schafts­frei­heit, der per­sön­li­chen Frei­heit, der Pri­vat­sphä­re und in­for­ma­tio­nel­len Selbst­be­stim­mung so­wie des Bank­kun­den­ge­heim­nis­ses und der Ge­schäfts­ge­heim­nis­se rechts­staat­lich nicht hin­zu­neh­men ist.

Ge­ra­de we­gen der an­ge­dach­ten Aus­deh­nung der GEBM auf den Be­reich des «ge­walt­tä­ti­gen Ex­tre­mis­mus» er­scheint die Mass­nah­me so­dann im Hin­blick auf die Mei­nungs-, Ver­samm­lungs- und Ver­ei­ni­gungs­frei­heit be­son­ders pro­ble­ma­tisch. Dies um­so mehr, als das In­stru­ment sehr um­fas­send ein­ge­setzt wer­den soll, et­wa zur «Netz­werkauf­klä­rung» be­tref­fend Gross­an­läs­se oder zur Ab­klä­rung von fi­nan­zi­el­ler Un­ter­stüt­zung von Per­so­nen und Or­ga­ni­sa­tio­nen.45 Als «ge­walt­tä­ti­ges Ver­hal­ten» gilt - zu­min­dest ge­mäss De­fi­ni­ti­on im «Hoo­li­gan-Kon­kor­dat», auf wel­che die kan­to­na­len Voll­zugs­be­hör­den ge­ge­be­nen­falls ab­stel­len - un­ter an­de­rem be­reits ei­ne Nö­ti­gung, wo­mit et­wa die Ak­ti­ons­form «Men­schen­tep­pich» dar­un­ter sub­su­miert wer­den dürf­te. Da ei­ne Nö­ti­gung zu­dem als «Ver­ge­hen ge­gen die Frei­heit» klas­si­fi­ziert wird, dürf­te auch ei­ne «kon­kre­te Be­dro­hung» ge­mäss Art. 27 Abs. 1 nNDG (i.V.m. Art. 19 Abs. 2 nNDG) eher leicht­fer­tig be­jaht wer­den. Mit­hin könn­te ein Ak­ti­ons­bünd­nis, das ent­spre­chen­de Ak­ti­ons­for­men nutzt, Ziel ei­ner ent­spre­chen­den ver­deck­ten Über­wa­chung der Fi­nanz­trans­ak­tio­nen wer­den. Eben­so er­scheint die No­vel­le zu­ge­schnit­ten auf die Über­wa­chung der Fi­nanz­trans­ak­tio­nen von Un­ter­stüt­zungs-Netz­wer­ken, die et­wa im An­schluss an ei­ne Ak­ti­on/De­mons­tra­ti­on Per­so­nen un­ter­stüt­zen, wel­che von po­li­zei­li­chen Mass­nah­men oder Straf­ver­fol­gung be­trof­fen sind. Durch ei­ne ein­zi­ge der­ar­ti­ge Über­wa­chung - bei­spiels­wei­se ei­nes Crowd­fun­dings - kön­nen hun­der­te oder gar tau­sen­de Per­so­nen be­zie­hungs­wei­se Spen­der*in­nen in den Fo­kus des NDB ge­ra­ten.

Als be­son­ders pro­ble­ma­tisch er­weist sich ver­deck­te Über­wa­chung von Bank­be­zie­hun­gen und Fi­nanz­trans­ak­tio­nen auch im Lich­te von Art. 27 nNDG, der künf­tig selbst bei ei­ner dif­fu­sen Be­dro­hung «wich­ti­ger in­ter­na­tio­na­ler Si­cher­heits­in­ter­es­sen» bzw. dro­hen­den «ne­ga­ti­ven Re­ak­tio­nen» von Dritt­staa­ten ge­gen­über der Schweiz die An­ord­nung von GEBM er­laubt. Dies er­öff­net ein er­heb­li­ches Ri­si­ko für die Neu­tra­li­tät und Un­ab­hän­gig­keit der Schweiz, et­wa in­dem Dritt­staa­ten von der Schweiz die Über­wa­chung von Trans­ak­tio­nen be­stimm­ter aus­län­di­scher Ziel­per­so­nen ver­lan­gen und im Un­ter­las­sungs­fall ne­ga­ti­ve Fol­gen an­dro­hen könn­ten. So könn­te et­wa ei­ne glo­ba­le Gross­macht im Zu­sam­men­hang mit ei­nem krie­ge­ri­schen Kon­flikt von der Schweiz die Über­wa­chung von Fi­nanz­trans­ak­tio­nen von Ex­po­nent*in­nen ei­ner be­stimm­ten Kriegs­par­tei ver­lan­gen, die von die­sem Staat als ter­ro­ris­tisch ein­ge­stuft wird.

Schliess­lich ist dar­auf hin­zu­wei­sen, dass sich der Re­ge­lungs­ge­gen­stand der hier vor­ge­schla­ge­nen Be­stim­mung mit je­nem an­de­rer Ge­set­ze über­schnei­det (insb. StGB, StPO, GwG, PMT, BankG). Den be­ste­hen­den ge­setz­li­chen Re­ge­lun­gen ist nicht noch ei­ne wei­te­re, rechts­staat­lich be­denk­li­che Be­stim­mung im NDG hin­zu­zu­fü­gen.

4.9 Art. 28 nNDG - An­ord­nung ge­neh­mi­gungs­pflich­ti­ger Be­schaf­fungs­mass­nah­men ge­gen­über Dritt­per­so­nen

Auf die Strei­chung von Art. 28 Abs. 2 NDG ist zu ver­zich­ten. GEBM dür­fen ge­gen­über Dritt­per­so­nen, die dem Be­rufs­ge­heim­nis, dem Quel­len­schutz der Me­di­en­schaf­fen­den so­wie an­der­wei­ti­gen Ge­heim­hal­tungs­pflich­ten un­ter­lie­gen, nicht durch­ge­führt wer­den.

Art. 28 nNDG sieht vor, dass nun­mehr auch un­be­tei­lig­te Dritt­per­so­nen ex­pli­zit auch dann Ziel­ob­jekt von GEBM sein kön­nen, wenn Da­ten «dort­hin» - al­so zu ih­nen als blos­se Emp­fän­ger*in­nen - über­mit­telt bzw. von ih­nen emp­fan­gen oder auf­be­wahrt wer­den. Dies hat schwer­wie­gen­de Aus­wir­kun­gen: Künf­tig kön­nen sich u.a. die Kom­mu­ni­ka­ti­ons­ka­nä­le sämt­li­cher sich im Um­feld ei­ner Ziel­per­son be­find­li­cher Per­so­nen (Fa­mi­lie, Freund*in­nen etc.) als mög­li­che Zie­le von GEBM er­wei­sen. Ein Schwer­punkt dürf­te auf Dritt­per­so­nen lie­gen, de­nen ty­pi­scher­wei­se be­son­ders ver­trau­li­che Da­ten an­ver­traut wer­den. Die Ein­schrän­kung der «be­grün­de­ten An­halts­punk­te» lässt kei­ne hin­rei­chen­de Ein­schrän­kung der Mass­nah­me zu.

Be­son­ders gra­vie­rend ist, dass die Mass­nah­men ge­mäss Ent­wurf - auf­grund der be­ab­sich­tig­ten Strei­chung von Art. 28 Abs. 2 NDG - auch ge­gen­über Dritt­per­so­nen an­ge­wen­det wer­den soll, die dem Be­rufs­ge­heim­nis, dem Quel­len­schutz der Me­di­en­schaf­fen­den so­wie an­der­wei­ti­gen Ge­heim­hal­tungs­pflich­ten (Art. 171-173 StPO) un­ter­ste­hen. Dies stellt ei­ne schwer­wie­gen­de Aus­höh­lung in­sti­tu­tio­na­li­sier­ter rechts­staat­li­cher Ge­heim­nis­schutz­vor­keh­run­gen dar, mit je­weils un­ter­schied­li­chen Aus­wir­kun­gen. Auf die drei gra­vie­rends­ten Be­rei­che wird ex­em­pla­risch kurz ein­ge­gan­gen:

  1. An­walts­ge­heim­nis: Die an­walt­li­che Man­dats­aus­übung setzt ei­ne be­son­de­re Nä­he und Ver­trau­ens­ver­hält­nis vor­aus; oh­ne die Ge­währ­leis­tung die­ser Ver­trau­lich­keit wür­de die Wahr­neh­mung der Be­rufs­pflich­ten der An­walt­schaft ver­un­mög­licht. Ge­ra­de wo Per­so­nen sich im Aus­land auf­hal­ten, sind per­sön­li­che Be­spre­chung nicht mög­lich, wes­halb die Kom­mu­ni­ka­ti­on re­gel­mäs­sig über Ka­nä­le er­folgt, die ei­ner GEBM zu­gäng­lich sind. Die ge­setz­li­che Mög­lich­keit der Über­wa­chung die­ser Ka­nä­le wird - wohl nir­gends mehr als be­tref­fend die An­walt­schaft - ein vi­ru­len­tes In­ter­es­se des NDB her­vor­ru­fen, dies auch tat­säch­lich zu tun. Als Re­sul­tat da­von muss je­de*r An­wält*in, die in ei­nem für den NDB re­le­van­ten Be­reich (Ter­ro­ris­mus, aber auch Ge­wal­tex­tre­mis­mus) prak­ti­ziert, da­mit rech­nen, dass sämt­li­che Kom­mu­ni­ka­ti­ons­ka­nä­le (ins­be­son­de­re Te­le­fon, E-Mail etc.) mit­tels GEBM über­wacht wer­den. Da­durch wer­den nicht nur die ver­tre­te­nen Kli­ent*in­nen hin­sicht­lich ei­ner staat­li­chen Über­wa­chung «vo­gel­frei», son­dern auch die ent­spre­chen­den Ver­tei­di­ger*in­nen und Rechts­an­wält*in­nen. Die Aus­sicht auf ei­ne «Tria­ge un­ter Auf­sicht des Bun­des­ver­wal­tungs­ge­richts»46 ver­mag die da­mit ver­bun­de­nen schwer­wie­gen­den Be­den­ken in kei­ner Wei­se aus­zu­räu­men.

  2. Arzt­ge­heim­nis: Ähn­lich pro­ble­ma­tisch ist Aus­höh­lung des Be­rufs­ge­heim­nis­ses im me­di­zi­ni­schen Be­reich. Die Be­ra­tung und Be­hand­lung von Pa­ti­ent*in­nen setzt vor­aus, dass die Ärz­te­schaft Kennt­nis von sen­si­blen, die Pri­vat- und In­tim­sphä­ren be­tref­fen­den In­for­ma­tio­nen er­hält. Die Be­trof­fe­nen er­tei­len sol­che In­for­ma­tio­nen al­ler­dings nur, wenn die Ver­trau­lich­keit ge­währ­leis­tet sei. Die ab­so­lu­ten Ge­heim­hal­tungs­pflich­ten ist da­her not­wen­di­ge Vor­aus­set­zun­gen für ei­ne er­folg­rei­che Dia­gno­se­stel­lung und Be­hand­lung.47

  3. Jour­na­lis­ti­scher Quel­len­schutz: Der Schutz jour­na­lis­ti­scher Quel­len stellt ei­nen be­deut­sa­men Eck­pfei­ler der Pres­se­frei­heit dar und ge­währ­leis­tet so die In­for­ma­ti­ons­frei­heit.48 Wenn Jour­na­list*in­nen bei der blos­sen Kor­re­spon­denz mit Per­so­nen, die mög­li­cher­wei­se Ziel­per­so­nen des nNDG sein könn­ten, da­mit rech­nen müs­sen, dass ih­re ge­sam­te Kor­re­spon­denz ei­ner Über­wa­chung bzw. GEBM un­ter­liegt, so hat dies ei­nen schwer­wie­gen­den Ab­schre­ckungs- und Ein­schüch­te­rungs­ef­fekt («chil­ling ef­fect»). Me­di­en­schaf­fen­de kön­nen ih­re Auf­ga­be als In­for­ma­ti­ons­ver­mitt­ler*in­nen und Wäch­ter*in­nen nur er­fül­len, wenn sie die er­for­der­li­che In­for­ma­ti­on von Drit­ten er­hal­ten, ins­be­son­de­re Hin­wei­se auf Vor­komm­nis­se von ge­sell­schaft­li­chem In­ter­es­se, die sonst ver­bor­gen blei­ben wür­den. Dies wie­der­um setzt vor­aus, dass die In­for­ma­ti­ons­ge­ber dar­auf ver­trau­en kön­nen, dass ihr Na­me nicht preis­ge­ge­ben wird. Ei­ne Pflicht zur Preis­ga­be der an­ver­trau­ten In­for­ma­tio­nen könn­te In­for­mant*in­nen ab­schre­cken. Un­ter Schutz steht da­mit ins­be­son­de­re die Iden­ti­tät der Quel­le.49 Be­reits mit der be­ste­hen­den ge­setz­li­chen Grund­la­ge funk­tio­niert der jour­na­lis­ti­sche Quel­len­schutz nicht zu­ver­läs­sig, ins­be­son­de­re, was den Schutz der Iden­ti­tät der Quel­le be­trifft. Das NDG müss­te in­so­weit nach­ge­bes­sert wer­den. Mit der vor­ge­schla­ge­nen Re­vi­si­on von Art. 28 nNDG wür­de die Ge­fähr­dung statt­des­sen grös­ser, was in ei­ner frei­en, kri­ti­schen und un­ab­hän­gi­ge Me­di­en­land­schaft in ei­nem Rechts­staat nicht hin­nehm­bar ist.

Die Wah­rung des Be­rufs­ge­heim­nis­ses und des Quel­len­schut­zes funk­tio­niert be­reits im gel­ten­den NDG nicht zu­ver­läs­sig, zu­mal es der nach­rich­ten­dienst­li­chen Da­ten­er­fas­sung oh­ne­hin in­hä­rent ist, dass sie mit­un­ter über die Da­ten von be­stimm­ten Ziel­per­so­nen oder -or­ga­ni­sa­ti­on hin­aus auch Da­ten von Dritt­per­so­nen um­fas­sen kann. Teil­wei­se - et­wa bei der Funk- und Ka­belauf­klä­rung - wer­den auch Da­ten er­fasst, bei de­nen der NDB zu­min­dest in­iti­al gar nicht weiss, auf wel­che Per­son oder Or­ga­ni­sa­ti­on sie sich be­zie­hen. Es be­darf da­mit ei­ner kla­ren Be­stim­mung im Ge­setz, wo­nach Da­ten, wel­che ei­nem Be­rufs­ge­heim­nis oder dem Quel­len­schutz un­ter­lie­gen, vom NDB schon gar nicht er­fasst wer­den dür­fen. Aus­nah­men von die­sem Grund­satz be­dürf­ten ei­ner ex­pli­zi­ten ge­setz­li­chen Grund­la­ge, wo­bei ge­währ­leis­tet sein müss­te, dass die­se nur in Fäl­len zur An­wen­dung ge­lan­gen kön­nen, in de­nen dies auch als ge­recht­fer­tigt er­scheint.

Zu be­to­nen ist, dass ei­ne nach­träg­li­che Lö­schung von Da­ten, wel­che ei­nem Be­rufs­ge­heim­nis oder dem Quel­len­schutz un­ter­lie­gen, den Grund­satz, dass sol­che Da­ten nicht er­fasst wer­den dür­fen, nicht zu er­set­zen ver­mö­gen. Die nach­träg­li­che Lö­schung än­dert nichts dar­an, dass das Be­rufs­ge­heim­nis der Quel­len­schutz durch­bro­chen wor­den ist und das die Be­trof­fe­nen da­mit ih­rer durch Grund­rech­te ge­deck­ten Schut­zes ver­lus­tig ge­gan­gen sind. Die Kennt­nis­nah­me der dem Ge­heim­nis un­ter­lie­gen­den Tat­sa­chen per se wird sich auch nicht rück­gän­gig ma­chen las­sen.

Die Strei­chung von Art. 28 Abs. 2 NDG ist da­mit strik­te ab­zu­leh­nen. Auch das Bun­des­ge­richt hat in sei­nem Lei­tent­scheid BGE 147 I 280 fest­ge­hal­ten: «Die ver­trau­li­chen Kom­mu­ni­ka­tio­nen zwi­schen Me­di­en­schaf­fen­den und ih­ren Quel­len bzw. zwi­schen An­wäl­ten oder An­wäl­tin­nen und ih­rer Kli­ent­schaft ge­nies­sen be­son­de­ren Schutz: Ge­ziel­te Mass­nah­men zu ih­rer Über­wa­chung sind grund­sätz­lich aus­ge­schlos­sen […]; be­steht den­noch die Ge­fahr der Er­fas­sung sol­cher Kom­mu­ni­ka­tio­nen, sind be­son­de­re Vor­keh­run­gen zu ih­rem Schutz er­for­der­lich».50

Da­her müs­sen - ge­ra­de an­ders als be­ab­sich­tigt - die Be­stim­mun­gen zum Schutz des Be­rufs­ge­heim­nis­ses und des Quel­len­schut­zes so aus­ge­baut wer­den, dass die Wah­rung der Grund­rech­te der Be­trof­fe­nen in die­sem Be­reich durch­ge­hend als ge­währ­leis­tet er­scheint. So­weit sich nach­rich­ten­dienst­li­che In­stru­men­te nicht so ein­set­zen las­sen, dass die Ein­hal­tung die­ser Grund­rech­te ga­ran­tiert wer­den kann , sind die be­tref­fen­den In­stru­men­te ab­zu­schaf­fen. Dies be­schlägt na­ment­lich die Funk- und Ka­belauf­klä­rung, wel­che sich auf gan­ze Kom­mu­ni­ka­ti­ons­strö­me be­zieht (z.B. al­le Da­ten, wel­che durch ei­ne be­stimm­te Glas­fa­ser­lei­tung ge­hen), und da­mit auch al­le von Be­rufs­ge­heim­nis­sen und vom Quel­len­schutz ge­deck­ten Da­ten, wel­che sich im er­fass­ten Kom­mu­ni­ka­ti­ons­strom be­fin­den, mit ein­be­zieht.

4.10. Art. 37 nNDG - Dring­li­che An­ord­nung des Ein­drin­gens in Com­pu­ter­sys­te­me und Com­pu­ter­netz­wer­ke im Aus­land

Die Mass­nah­me des Ein­drin­gens in Com­pu­ter­sys­te­me und Com­pu­ter­netz­wer­ke, die sich im Aus­land be­fin­den, ist völ­ker­recht­lich und sou­ve­rä­ni­täts­po­li­tisch äus­serst de­li­kat. Dring­li­che Mass­nah­men zur Wah­rung der äus­se­ren und in­ne­ren Si­cher­heit sind grund­sätz­lich in Art. 184 und Art. 185 BV ge­re­gelt und fal­len in die Zu­stän­dig­keit des Bun­des­ra­tes.

Sou­ve­rä­ni­täts­po­li­tisch er­scheint es pro­ble­ma­tisch, die­se weit­rei­chen­de Kom­pe­tenz in ge­ne­rell-abs­trak­ter Wei­se im Ge­setz an Be­amt*in­nen zu de­le­gie­ren. Sinn­vol­ler er­scheint es, die­se Kom­pe­tenz - so­weit sie über­haupt als zu­läs­sig er­scheint - wei­ter­hin beim Bun­des­rat zu be­las­sen und ge­ge­be­nen­falls das Ge­setz mit ei­ner De­le­ga­ti­ons­kom­pe­tenz im Fal­le der Dring­lich­keit zu ver­se­hen. Dies er­laubt dem Bun­des­rat, auf Ver­ord­nungs-/Wei­sungs­ebe­ne kla­re Schran­ken vor­zu­se­hen.

4.11. Art. 38 NDG (Funk­auf­klä­rung) und Art. 39 ff. NDG (Ka­belauf­klä­rung)

Die Be­stim­mun­gen zur Funk­auf­klä­rung (Art. 38 NDG) und zur Ka­belauf­klä­rung (Art. 39 - 43 NDG) sind zu strei­chen.

In Be­zug auf die Ka­belauf­klä­rung wer­den in der Ver­nehm­las­sungs­vor­la­ge punk­tu­el­le Än­de­run­gen vor­ge­schla­gen. Rich­ti­ger­wei­se muss die Re­vi­si­on des NDG An­lass da­für sein, sich der grund­le­gen­den Pro­ble­ma­tik, wel­che mit der Ka­belauf­klä­rung ein­her­geht, zu stel­len: Die Ka­belauf­klä­rung ist ei­ne an­lass­lo­se Mas­sen­über­wa­chung, die es dem NDB er­mög­licht, die ge­sam­te un­ver­schlüs­sel­te Te­le­kom­mu­ni­ka­ti­on, die über grenz­über­schrei­ten­de Glas­fa­ser­ka­bel läuft, nach Stich­wor­ten zu durch­su­chen. Da ein gros­ser Teil der in­ter­net­ba­sier­ten Kom­mu­ni­ka­ti­on der in der Schweiz wohn­haf­ten Per­so­nen über aus­län­di­sche Ser­ver und Netz­wer­ke führt, kön­nen al­le Men­schen, die sich in der Schweiz be­fin­den und sich im In­ter­net be­we­gen, von die­ser Über­wa­chung be­trof­fen sein.

Der mit der Ka­belauf­klä­rung ver­bun­de­ne weit rei­chen­de Ein­griff in die Grund­rech­te al­ler Per­so­nen, wel­che di­gi­ta­le Ka­nä­le nut­zen, um sich zu in­for­mie­ren und mit an­de­ren Per­so­nen zu kom­mu­ni­zie­ren, und da­bei da­mit rech­nen müs­sen, von der Ka­belauf­klä­rung tan­giert zu wer­den, ist nicht zu recht­fer­ti­gen. Glei­ches gilt für die Funk­auf­klä­rung, wel­che auf die Er­fas­sung elek­tro­ma­gne­ti­scher Aus­strah­lun­gen von Te­le­kom­mu­ni­ka­ti­ons­sys­te­men, die sich im Aus­land be­fin­den, zielt. Die Be­stim­mun­gen zur Funk­auf­klä­rung (Art. 38 NDG) und zur Ka­belauf­klä­rung (Art. 39 - 43 NDG) sind aus die­sem Grund zu strei­chen.

4.12. Art. 39 nNDG - Ka­belauf­klä­rung ge­gen schwei­ze­ri­sche na­tür­li­che oder ju­ris­ti­sche Per­so­nen im Aus­land

Auf die Ka­belauf­klä­rung ge­gen schwei­ze­ri­sche na­tür­li­che oder ju­ris­ti­sche Per­so­nen im Aus­land ist zu ver­zich­ten.

Mit der Auf­he­bung der ak­tu­el­len Be­gren­zung der Ka­belauf­klä­rung auf nicht-schwei­ze­ri­sche na­tür­li­che oder ju­ris­ti­sche Per­so­nen wird künf­tig die Ka­belauf­klä­rung ge­gen­über sämt­li­chen Schwei­zer*in­nen zu­läs­sig sein, so­weit die­se sich im Aus­land auf­hal­ten. Dies stellt ge­gen­über der ur­sprüng­li­chen ver­spro­che­nen Re­ge­lung ei­ne er­heb­li­che Aus­wei­tung dar.

4.13 Art. 41 Abs. 3 nNDG - Aus­wei­tung der Frist

Bei je­der ein­zel­nen Ka­belauf­klä­rung kommt es mit gröss­ter Wahr­schein­lich­keit zu ei­nem Ein­griff in den Kern­be­reich der Pri­vat­sphä­re. Sie ist des­halb per se schon ab­zu­leh­nen, in je­dem Fal­le aber nicht noch gross­zü­gi­ger zu er­lau­ben. Die Frist in Art. 41 Abs. 3 nNDG darf nicht auf 12 Mo­na­te aus­ge­wei­tet wer­den.

Bis­lang war die Ka­belauf­klä­rung auf 6 Mo­na­te be­schränkt, mit der Op­ti­on um Ver­län­ge­rung für drei Mo­na­te. Die­se Fris­ten sol­len auf 12, re­spek­ti­ve 18 Mo­na­te er­wei­tert wer­den.

Je­de Ka­belauf­klä­rung be­deu­tet mit gröss­ter Wahr­schein­lich­keit ei­nen Ein­griff in den Kern­be­reich der Pri­vat­sphä­re, wel­cher ab­zu­leh­nen ist. Die im er­läu­tern­den Be­richt ge­brach­ten Ar­gu­men­te ver­mö­gen an­ge­sichts des­sen in je­dem Fall nicht für ei­ne Ver­län­ge­rung, al­so ei­ne Aus­wei­tung der Ver­let­zung, zu über­zeu­gen: Be­grün­det wird die Ver­län­ge­rung u.a. da­mit, dass sich «die Nach­rich­ten­be­dürf­nis­se nicht im Rhyth­mus von drei Mo­na­ten» än­der­ten, dass sich die Schweiz bei der Ka­belauf­klä­rung noch auf Neu­land be­we­ge und der Wis­sens­auf­bau Zeit be­an­spru­che. Ge­ra­de wenn man sich noch auf Neu­land be­fin­det, macht es aber um­so mehr Sinn, je­den Schritt ge­nau an­zu­schau­en. Ei­ne kür­ze­re Kon­troll­frist ist auch für den Wis­sens­auf­bau wün­schens­wert, da fehl­ge­lei­te­te Res­sour­cen schnel­ler wie­der neu zu­ge­teilt wer­den kön­nen. Wie schnell sich der Rhyth­mus än­dert, scheint bes­ten­falls Spe­ku­la­ti­on, da es sich ja ge­ra­de, wie im Be­richt selbst ge­schrie­ben, um Neu­land han­delt. Ei­ne Ver­län­ge­rung der Fris­ten macht al­so im Ge­gen­teil kei­nen Sinn.

4.14. Art. 42 nNDG - Ana­ly­se von Si­gna­len und Da­ten aus be­ste­hen­den Auf­trä­gen zur Ka­belauf­klä­rung

Im Rah­men ei­nes von der Di­gi­ta­len Ge­sell­schaft zu­sam­men mit sie­ben Pri­vat­per­so­nen, dar­un­ter Jour­na­list*in­nen und ein Rechts­an­walt, ge­führ­ten Be­schwer­de­ver­fah­rens hat das Bun­des­ge­richt ent­schie­den, dass das Bun­des­ver­wal­tungs­ge­richt die Pra­xis der Funk- und Ka­belauf­klä­rung ein­läss­lich un­ter­su­chen und prü­fen muss, ob die­se die Grund­rech­te ver­letzt. In sei­nen Stel­lung­nah­men in die­sem Ver­fah­ren ge­gen­über dem Bun­des­ver­wal­tungs­ge­richt hat der NDB bis­her kei­ne Be­reit­schaft ge­zeigt, die Pra­xis der Funk- und Ka­belauf­klä­rung ak­ku­rat und nach­voll­zieh­bar dar­zu­le­gen. Gleich­zei­tig hat sich der NDB sehr be­müht, ein Bild zu zeich­nen, in wel­chem die Ka­belauf­klä­rung als sehr ziel­ge­rich­te­te Mass­nah­me er­scheint, ins­be­son­de­re, was die an­geb­li­che Mög­lich­keit be­trifft, ge­zielt die Si­gna­le ein­zel­ner grenz­über­schrei­ten­der Lei­tun­gen zu eru­ie­ren und aus­zu­lei­ten, wel­che ge­häuft Da­ten ent­hal­ten, wel­che ih­ren Ur­sprung oder ihr Ziel in wei­ter ent­fern­ten Län­dern wie bei­spiels­wei­se Sy­ri­en oder Russ­land ent­hal­ten. Die Hin­wei­se der Be­schwer­de­füh­ren­den, wo­nach die Dar­le­gun­gen des NDB mit den tech­ni­schen Ge­ge­ben­hei­ten nicht in Über­ein­klang zu brin­gen sind, hat der NDB zu­rück­ge­wie­sen, und hat ent­ge­gen den hier­bei be­ste­hen­den tech­ni­schen Hür­den und Schwie­rig­kei­ten dar­auf be­harrt, in der La­ge zu sein, den ge­such­ten Ver­kehr in ei­ner eng be­grenz­ten Zahl von grenz­über­schrei­ten­den Lei­tun­gen zu fin­den und aus­zu­lei­ten.

Die Be­grün­dung für die Be­fug­nis­se, wel­che sich der NDB mit Art. 43 Abs. 3bis nNDG ein­räu­men las­sen will, ste­hen in ei­nem star­ken Kon­trast zu den Ver­laut­ba­run­gen, wel­che der NDB im er­wähn­ten Be­schwer­de­ver­fah­ren ab­ge­ge­ben hat. Im er­läu­tern­den Be­richt räumt der NDB nun ein, dass nicht ein­fach eru­iert wer­den kann, über wel­che Lei­tun­gen die Da­ten von und nach wei­ter ent­fern­ten Län­dern ge­hen. Gleich­zei­tig ist zu den be­tref­fen­den Aus­füh­run­gen im er­läu­tern­den Be­richt - eben­so wie zu je­nen im Be­schwer­de­ver­fah­ren - fest­zu­hal­ten, dass die­se als schwer nach­voll­zieh­bar und nicht über­zeu­gend er­schei­nen. So ist nicht er­sicht­lich, war­um der NDB die Her­kunft bzw. den End­punkt von Da­ten aus bzw. in wei­ter ent­fern­te(n) Län­dern bes­ser eru­ie­ren kön­nen soll als die Schwei­zer Be­trei­be­rin­nen von lei­tungs­ge­bun­de­nen Net­zen und An­bie­te­rin­nen von Te­le­kom­mu­ni­ka­ti­ons­leis­tun­gen, zu­mal der NDB im glei­chen Atem­zug dar­legt, die Be­trei­be­rin­nen und An­bie­te­rin­nen wür­den ih­re Da­ten­flüs­se per­ma­nent op­ti­mie­ren (was sich ge­ra­de auch auf die Da­ten­flüs­se in wei­ter ent­fern­te Län­der be­zie­hen wird).

Zwar be­teu­ert der NDB, die ge­wünsch­te Aus­wer­tung sei rein tech­ni­scher Na­tur. Dies darf aber nicht dar­über hin­weg­täu­schen, dass ei­ne sol­che Ana­ly­se not­wen­di­ger­wei­se die Kom­mu­ni­ka­ti­on vie­ler of­fen­kun­dig un­be­schol­te­ner Per­so­nen be­schlägt. Oh­ne Aus­wer­tung von Me­ta­da­ten und zu­min­dest teil­wei­se auch von In­halts­da­ten wird ei­ne sol­che Ana­ly­se nicht zu be­werk­stel­li­gen sein. Ei­ne sol­che Ana­ly­se wä­re da­mit not­wen­di­ger­wei­se mit der Er­fas­sung und Aus­wer­tung per­so­nen­be­zo­ge­ner Da­ten und da­mit mit Grund­rechts­ein­grif­fen ver­bun­den. Dies ist auch dann nicht zu recht­fer­ti­gen, wenn der NDB da­mit letzt­lich die Op­ti­mie­rung von Ka­belauf­klä­rungs­auf­trä­gen be­zweckt. Auf die vor­ge­se­he­ne Be­stim­mung ist da­her zu ver­zich­ten.

5. Qua­li­täts­si­che­rung: Art. 58b nNDG - Nach­rich­ten­dienst­li­che Per­so­nen­da­ten des NDB

Be­reits im gel­ten­den NDG ist vor­ge­se­hen, dass der NDB die von ihm be­ar­bei­te­ten Da­ten pe­ri­odisch über­prüft. Im Zu­ge der Neu­ord­nung der Da­ten­er­fas­sung und -ab­la­ge wird dies­be­züg­lich ei­ne Neu­re­ge­lung vor­ge­schla­gen.

Es ist dar­auf hin­zu­wei­sen, dass die pe­ri­odi­sche Über­prü­fung bis­lang nie zu ge­währ­leis­ten ver­mocht hat, dass Da­ten, wel­che nicht (mehr) ge­spei­chert wer­den dür­fen oder wel­che nicht (mehr) be­nö­tigt wer­den, ge­löscht wer­den. Die Auf­sicht­s­tä­tig­keit der GPDel hat im­mer wie­der be­trächt­li­che Da­ten­men­gen zu Ta­ge ge­för­dert, die schon gar nicht hät­ten er­fasst wer­den dür­fen oder zu­min­dest im Rah­men der pe­ri­odi­schen Über­prü­fung hät­ten ge­löscht wer­den müs­sen. So fand die GPDel im Jahr 2019 Da­ten, zu de­nen sie be­reits 2010 fest­ge­hal­ten hat­te, dass die­se zu lö­schen sind.51 Auch an­de­re in der Öf­fent­lich­keit be­kannt ge­wor­de­ne Bei­spie­le zei­gen, dass Da­ten über Jah­re er­fasst blie­ben, wel­che im Rah­men der pe­ri­odi­schen Über­prü­fung hät­ten ge­löscht wer­den müs­sen.52

6. «In­ter­net» statt «Cy­ber­raum»

Der Be­griff «Cy­ber­raum» ist ein sehr schwam­mi­ger Be­griff. De fac­to soll das In­ter­net über­wacht wer­den, des­halb muss dies auch wört­lich so fest­ge­hal­ten sein.

6.1 Art. 6 Abs. 1 lit. b nNDG

In Art. 6 Abs. 1 lit. b nNDG ist das Wort «Cy­ber­raum» durch «In­ter­net» zu er­set­zen:

«zur Fest­stel­lung, Be­ob­ach­tung und Be­ur­tei­lung von si­cher­heits­po­li­tisch be­deut­sa­men Vor­gän­gen im Aus­land und im In­ter­net;»

6.2 Art. 19 Abs. 2 lit. f nNDG

In Art. 19 Abs. 2 lit. b nNDG ist das Wort «Cy­ber­raum» durch «In­ter­net» zu er­set­zen:

«zur Fest­stel­lung, Be­ob­ach­tung und Be­ur­tei­lung von si­cher­heits­po­li­tisch be­deut­sa­men Vor­gän­gen im Aus­land und im In­ter­net;»«si­cher­heits­po­li­tisch be­deut­sa­men Ak­ti­vi­tä­ten im In­ter­net»

7. Art. 75 ff. NDG - Kom­plett­re­vi­si­on der Auf­sichts­be­hör­de AB-ND

In der Re­vi­si­on des NDG muss ei­ne ge­setz­li­che Grund­la­ge er­ar­bei­tet wer­den, in der die AB-ND kei­ner­lei Ab­hän­gig­kei­ten zum VBS und grösst­mög­li­che Un­ab­hän­gig­keit zu an­de­ren staat­li­chen In­sti­tu­tio­nen hat .

In Art. 75 ff. NDG wer­den im ak­tu­el­len NDG die ge­setz­li­chen Grund­la­gen für die «un­ab­hän­gi­ge» Auf­sichts­be­hör­de des Nach­rich­ten­diens­tes (AB-ND) be­schrie­ben. Es ist of­fen­sicht­lich, dass ei­ne Be­hör­de, wel­che, wie der NDB, dem VBS an­ge­sie­delt ist (Art. 77 NDG) und de­ren Lei­tung durch den VBS vor­ge­schla­gen wird (Art. 76 Abs. 2 NDG), nicht über die er­for­der­li­che Un­ab­hän­gig­keit ver­fügt und so­mit auch sei­ne Auf­ga­be, die Kon­trol­le des NDB, nicht be­frie­di­gend wahr­neh­men kann.

8. Straf­recht­li­che Be­stim­mun­gen

8.1. Art. 83a nNDG ­- Or­ga­ni­sa­ti­ons­ver­bot

Auf ein Or­ga­ni­sa­ti­ons­ver­bot ist zu ver­zich­ten. Wenn über­haupt ist ein sol­ches Ver­bot nicht vom Bun­des­rat, son­dern vom Par­la­ment zu be­schlies­sen.

Neu soll in Art. 74 nNDG ein Or­ga­ni­sa­ti­ons­ver­bot ein­ge­führt wer­den, wäh­rend bis­he­ri­ge Ver­bo­te stets auf ei­nem Spe­zi­al­ge­setz be­ruh­ten (Bun­des­ge­setz über das Ver­bot der Grup­pie­run­gen «Al-Qaïda» und «Is­la­mi­scher Staat» so­wie ver­wand­ter Or­ga­ni­sa­tio­nen vom 12. De­zem­ber 2014)53. Nun­mehr soll die Kom­pe­tenz, ein Ver­bot aus­zu­spre­chen, zu­dem beim Bun­des­rat lie­gen. Da­mit wä­re ein sol­cher Ent­scheid weit we­ni­ger de­mo­kra­tisch, als ein vom Par­la­ment ver­ab­schie­de­tes und dem Re­fe­ren­dum bzw. ei­ner öf­fent­li­chen po­li­ti­schen Dis­kus­si­on un­ter­wor­fe­nes Ge­setz. Dies wiegt be­son­ders schwer, da das Ver­bot ei­ner Or­ga­ni­sa­ti­on die Wer­te der Ver­fas­sung so­wie die Ach­tung der Mei­nungs-, Ver­eins- oder Ver­samm­lungs­frei­heit be­ein­träch­tigt.

Wei­ter hat sich be­reits die im Som­mer 2022 durch­ge­führ­te Ver­nehm­las­sung der bun­des­rät­li­chen Ver­fü­gung über das Ver­bot von Al-Qaïda und des Is­la­mi­schen Staa­tes als pro­ble­ma­tisch er­wie­sen. Nach der Pu­bli­ka­ti­on im Bun­des­blatt54 konn­te der be­grün­de­te Ent­wurf der Ver­fü­gung nur in den Bü­ros des Ge­ne­ral­se­kre­ta­ri­ats des VBS ein­ge­se­hen wer­den, und auch dann nur un­ter der Vor­aus­set­zung, dass ei­ne per­sön­li­che Be­trof­fen­heit von dem zu er­las­sen­den Ver­bot dar­ge­legt wer­den kann. Mit an­de­ren Wor­ten be­durf­te es dem Nach­weis, dass ei­ne Per­son selbst ei­ner ter­ro­ris­ti­schen Or­ga­ni­sa­ti­on an­ge­hört und so­mit ge­gen das be­ste­hen­de Ge­setz und sei­ne Straf­be­stim­mun­gen ver­stösst, um sich über­haupt zur Auf­recht­er­hal­tung des Ver­bots äus­sern zu kön­nen. Ein sol­ches Ver­fah­ren ver­stösst ins­be­son­de­re ge­gen das Recht, sich nicht selbst be­las­ten zu müs­sen (Art. 113 Abs. 1 StPO). Zu­dem ist es da­mit auch ein Ali­bi­ver­fah­ren, da kei­ne Per­son ei­ne Selbst­be­las­tung in Kauf neh­men wird, um an ei­nem Ver­wal­tungs­ver­fah­ren teil­neh­men zu kön­nen.

Ei­ner bun­des­rät­li­chen Ver­fü­gung, wel­che Nicht­ein­hal­tung mit­tels straf­recht­li­cher Be­stim­mun­gen sank­tio­niert, fehlt es da­mit an der not­wen­di­gen Le­gi­ti­mi­tät. Da der Bun­des­rat zu­dem sei­ne Ver­fü­gung je­der­zeit än­dern kann, um wei­te­re Grup­pen in die Lis­te der ver­bo­te­nen Or­ga­ni­sa­tio­nen auf­zu­neh­men, kann er de fac­to die Tat­be­stands­merk­ma­le ei­ner Straf­tat de­fi­nie­ren - ein Vor­recht, wel­ches dem Par­la­ment im Rah­men der Schaf­fung for­mel­le Ge­set­ze vor­be­hal­ten blei­ben muss.

8.2. Art. 83b i.V.m. Art. 73 Abs. 1 nNDG - Tä­tig­keits­ver­bot

Die straf­recht­li­che Be­stim­mung «Ver­let­zung des Tä­tig­keits­ver­bots» muss ge­stri­chen wer­den.

Soll­te die kon­kre­te Durch­füh­rung der ver­bo­te­nen Tä­tig­keit wah­re Ri­si­ken mit sich brin­gen, wür­de die­se Tat schon un­ter die ak­tu­el­len Be­stim­mun­gen des StGB fal­len. Es be­steht kein In­ter­es­se, ei­ne neue Straf­tat bzw. im Ge­setz über ge­heim­dienst­li­che Tä­tig­kei­ten neue Straf­be­stim­mun­gen vor­zu­se­hen.

Das Tä­tig­keits­ver­bot in Art. 73 NDG ist ein be­son­ders schwer­wie­gen­der Ein­griff in die Grund­wer­te der Ver­fas­sung so­wie in die Ach­tung der per­sön­li­chen Frei­heit, Wirt­schafts­frei­heit, Mei­nungs­frei­heit, Ver­ei­ni­gungs- so­wie Ver­samm­lungs­frei­heit.

Ei­ne Per­son, wel­che die Si­cher­heit der Schweiz kon­kret be­droht, kann be­reits heu­te in den An­wen­dungs­be­reich von Straf­be­stim­mun­gen wie der Be­tei­li­gung an oder Un­ter­stüt­zung ei­ner kri­mi­nel­len / ter­ro­ris­ti­schen Or­ga­ni­sa­ti­on (Art. 260­ter StGB), der Fi­nan­zie­rung des Ter­ro­ris­mus (Art. 260quin­quies StGB), der An­wer­bung, Aus­bil­dung und Rei­sen im Hin­blick auf ei­ne ter­ro­ris­ti­sche Straf­tat (Art. 260s­e­xies StGB) oder der straf­ba­ren Vor­be­rei­tungs­hand­lun­gen (Art. 260­bis StGB) fal­len, wenn sie et­wa kon­kret ei­nen An­schlag plant. Das Straf­recht un­ter­liegt auf­grund sei­ner Kon­se­quen­zen für die Be­trof­fe­nen zu­dem ei­nem stren­ge­ren Le­ga­li­täts­prin­zip als an­de­re Rechts­be­rei­che. Es ist des­halb für die Ver­let­zung des Tä­tig­keits­ver­bot - wel­ches im prä­ven­ti­ven Be­reich an­setzt - nicht ge­recht­fer­tigt, straf­recht­li­che Sank­tio­nen vor­zu­se­hen.

Da der Bun­des­rat zu­dem sei­ne Ver­fü­gung än­dern kann, um wei­te­re Tä­tig­kei­ten zu ver­bie­ten oder das be­ste­hen­de Ver­bot auf wei­te­re Per­so­nen aus­zu­deh­nen, läuft dies de fac­to dar­auf hin­aus, dass er die Tat­be­stands­merk­ma­le der Straf­tat de­fi­nie­ren kann. Ein Vor­recht, wel­ches dem Par­la­ment bei der Schaf­fung for­mel­ler Ge­set­ze vor­be­hal­ten blei­ben muss.

8.3. Art. 83c nNDG - Un­ge­hor­sam ge­gen Ver­fü­gun­gen

Die straf­recht­li­che Be­stim­mung «Un­ge­hor­sam ge­gen Ver­fü­gun­gen und Ver­let­zung der Ge­heim­hal­tungs­pflicht» ist zu strei­chen.

Ge­mäss dem Wort­laut von Art. 83c Abs. 1 lit. a nNDG scheint die Be­stim­mung auf al­le vom NDB zu­ge­stell­ten Ver­fü­gun­gen an­wend­bar zu sein. Im er­läu­tern­den Be­richt55 wer­den je­doch nur Ver­fü­gun­gen über die Be­schaf­fung von In­for­ma­tio­nen er­wähnt. Der tat­säch­li­che An­wen­dungs­be­reich der Be­stim­mung ist da­her im Ge­setz un­klar de­fi­niert.

Die Be­stim­mung sieht ei­ne Geld­stra­fe von CHF 100'000 vor. Bei der Be­schaf­fung von In­for­ma­tio­nen hat die Be­schwer­de ge­gen ei­ne Ver­fü­gung des NDB kei­ne auf­schie­ben­de Wir­kung (Art. 83 Abs. 2 nNDG). Da sich der NDB auf ver­trau­li­che In­for­ma­tio­nen stützt, kann er sei­ne Ver­fü­gun­gen nicht im­mer aus­führ­lich be­grün­den. So wä­re es de fac­to mög­lich, dass ei­ne Per­son, die ei­ne lü­cken­haft be­grün­de­te Ent­schei­dung er­hal­ten und Be­schwer­de ein­ge­legt hat, trotz­dem straf­recht­lich ver­folgt wird, wenn sie die Ver­fü­gung nicht in­ner­halb der vom NDB selbst ge­setz­ten Frist um­setzt.

Die Geld­stra­fe von CHF 100,000 über­steigt zu­dem die Geld­stra­fe, wel­che von ei­nem Ge­richt bei Nicht­be­fol­gung ei­nes Ur­teils ver­hängt wer­den kann, um ein 10-fa­ches. Es ist nicht er­sicht­lich, war­um die Ver­fü­gun­gen des NDB 10-Mal wich­ti­ger und re­spek­ta­bler sein soll­ten als das Ur­teil ei­nes Ge­richts.

Schliess­lich ver­fügt der NDB be­reits heu­te über die Mög­lich­keit, Ver­fü­gun­gen un­ter Hin­weis auf Straf­an­dro­hung nach Art. 292 StGB zu er­las­sen. Das gel­ten­de Recht ist da­her aus­rei­chend.

8.4. Art. 83d und 83e nNDG- Ge­richts­bar­keit

Auf die ver­wal­tungs­straf­recht­li­che Kom­pe­tenz des NDB und des durch­füh­ren­den Diens­tes für die Ka­belauf­klä­rung muss ver­zich­tet wer­den. Der NDB darf nicht Ver­fü­gun­gen er­las­sen und den Un­ge­hor­sam ge­gen die­se selbst ver­fol­gen.

Soll­ten die Straf­be­stim­mun­gen be­züg­lich Or­ga­ni­sa­ti­ons- und Tä­tig­keits­ver­bot trotz al­lem bei­be­hal­ten wer­den, muss Art. 83e nNDG zwin­gend da­hin­ge­hend prä­zi­siert wer­den, dass die Mit­tei­lungs­pflicht nur die­se bei­den Straf­ta­ten be­trifft.

Ge­mäss Art. 83d nNDG wä­re es dem NDB künf­tig er­laubt, selbst Per­so­nen zu ver­fol­gen, die ei­ne sei­ner Ver­fü­gun­gen nicht um­ge­setzt ha­ben. Durch die­se Be­stim­mung wür­de die Un­ter­schei­dung zwi­schen prä­ven­ti­ven Tä­tig­kei­ten, die in den Zu­stän­dig­keits­be­reich des NDB fal­len, und re­pres­si­ven Tä­tig­kei­ten, die den Straf­ver­fol­gungs­be­hör­den ob­lie­gen, stark ver­wischt.

Der NDB wä­re in die­ser Kon­stel­la­ti­on Rich­ter und Par­tei zu­gleich und das Recht auf ein fai­res Ver­fah­ren für von der Straf­ver­fol­gung be­trof­fe­ne Per­so­nen nicht ge­währ­leis­tet. Dies gilt um­so mehr, als der NDB be­stimm­te Be­reich der Ak­ten ge­heim hal­ten kann. Be­trof­fe­ne wür­de sich al­so ei­ner Be­hör­de ge­gen­über­se­hen, wel­che trotz lü­cken­haf­ter Be­grün­dung und mit der Mög­lich­keit, den Zu­gang zu ge­wis­sen Ak­ten­be­rei­chen zu ver­hin­dern, ei­ne Ver­fü­gung aus­spre­chen und bei Nicht­be­fol­gung die straf­recht­li­che Ver­fol­gung auf­neh­men dürf­te. Ei­ne Straf­ver­fol­gung durch den NDB ge­mäss dem VStrR ist in dem Sin­ne ab­so­lut un­halt­bar. Die­se Über­le­gun­gen gel­ten glei­cher­mas­sen für den durch­füh­ren­den Dienst bei Ka­belauf­klä­rung.

Die Mit­tei­lung von Ent­schei­den an­de­rer Be­hör­den an den NDB scheint ge­mäss Art. 83e nNDG für al­le Ent­schei­de zu gel­ten, die auf­grund der Straf­be­stim­mun­gen des NDG ge­fällt wer­den. Dies, ob­wohl der Bun­des­rat die Mit­tei­lung in sei­ner Bot­schaft nur für Ent­schei­de im Be­reich des Or­ga­ni­sa­ti­ons- und Tä­tig­keits­ver­bots vor­sah. Soll­ten die­se Straf­ta­ten im nNDG bei­be­hal­ten, müss­te in je­dem Fall der An­wen­dungs­be­reich der Mel­de­pflicht von Art. 83e nNDG im Ge­set­zes­text prä­zi­siert wer­den.

9. Aus­wei­tung des Aus­rei­se­ver­bots

9.1. Art. 24h nBWIS

Zu­min­dest aber ist die Aus­nah­me des po­li­zei­li­chen Nach­wei­ses in Art. 24h Abs. 1 lit. a nBWIS zu strei­chen, so­dass nur bei ei­nem rechts­kräf­ti­gen Ur­teil das Aus­rei­se­ver­bot an­ge­ord­net wer­den kann. Art. 24h Abs. 1 lit. a nBWIS ist da­mit wie folgt zu än­dern: «sie da­für rechts­kräf­tig ver­ur­teilt wor­den ist und»

Art. 24h Abs. 2 nBWIS ist zu strei­chen, da po­li­zei­li­che Nach­wei­se nicht ge­nü­gen, um ein Aus­rei­se­ver­bot an­zu­ord­nen.

Un­ter dem neu­en Ab­schnitt «Mass­nah­men ge­gen Ge­walt­tä­tig­kei­ten an De­mons­tra­tio­nen und Kund­ge­bun­gen» soll fed­pol ge­mäss Art. 24h nBWIS Per­so­nen die Aus­rei­se aus der Schweiz in ein be­stimm­tes Land für ei­ne be­stimm­te Zeit­dau­er un­ter­sa­gen kön­nen, wenn da­mit zu rech­nen ist, dass es dort zu Ge­walt­tä­tig­kei­ten kommt. Die­ses Aus­rei­se­ver­bot kennt das BWIS bis­her nur bei ter­ro­ris­ti­schen Ge­fähr­der*in­nen ge­mäss Art. 23n BWIS und für Sport­ver­an­stal­tun­gen ge­mäss Art. 24c BWIS. Da­mit wird das Aus­rei­se­ver­bot mas­siv aus­ge­wei­tet.

Ge­mäss Art. 24h Abs. 1 lit. a BWIS kann die Aus­rei­se ei­ner Per­son un­ter­sagt wer­den, wenn sie da­für ver­ur­teilt wor­den ist oder «aus­nahms­wei­se po­li­zei­li­che Nach­wei­se vor­lie­gen», dass sie sich an ei­ner De­mons­tra­ti­on oder Kund­ge­bung in der Schweiz oder im Aus­land an Ge­walt­tä­tig­kei­ten ge­gen Per­so­nen oder Sa­chen be­tei­ligt hat.

Als po­li­zei­li­che Nach­wei­se gel­ten ge­mäss Art. 24h Abs. 2 nBWIS na­ment­lich Straf­an­zei­gen auf­grund po­li­zei­li­cher Fest­stel­lun­gen (lit. a) und po­li­zei­li­che Fern­hal­te­ver­fü­gun­gen und Weg­wei­sungs­ver­fü­gun­gen (lit. b). Die­se Auf­zäh­lung ist auf­grund der Ver­wen­dung des Worts «na­ment­lich» nicht ab­schlies­send. Der er­läu­tern­de Be­richt ver­weist so­dann ex­pli­zit auf Art. 5 VVMH, wo­nach auch glaub­wür­di­ge Aus­sa­gen der Po­li­zei oder Pri­vat­per­so­nen oder Mel­dun­gen von aus­län­di­schen Be­hör­den als An­nah­me für die Ge­fähr­lich­keit aus­rei­chen sol­len.

We­der po­li­zei­li­che Straf­an­zei­gen noch Fern­hal­te- oder Weg­wei­sungs­ver­fü­gun­gen und schon gar nicht glaub­wür­di­ge Aus­sa­gen be­wei­sen aber das Vor­lie­gen ei­ner Straf­tat. Im er­läu­tern­den Be­richt wird dies da­mit er­klärt, dass meh­re­re Jah­re ver­ge­hen kön­nen, bis ei­ne Per­son rechts­kräf­tig ver­ur­teilt wird, wenn ge­gen ein Ur­teil oder ei­nen Straf­be­fehl ein Rechts­mit­tel ein­ge­legt wird und ein jah­re­lan­ges Zu­war­ten mit ei­ner Aus­rei­se­be­schrän­kung den prä­ven­ti­ven Zie­len der Mass­nah­me zu­wi­der­lau­fen wür­de. Das kann zu­tref­fen, ist aber in ei­nem Rechts­staat, in wel­che nur ein rechts­kräf­ti­ges Ur­teil das Vor­lie­gen ei­ner Straf­tat nach­zu­wei­sen ver­mag, aus­zu­hal­ten. Art. 24h nBWIS ver­stösst da­mit ge­gen das Prin­zip der Un­schulds­ver­mu­tung. Es ist nicht zu recht­fer­ti­gen, prä­ven­tiv und oh­ne Nach­weis ei­ner tat­säch­lich be­gan­ge­nen Straf­tat, ein Aus­rei­se­ver­bot an­zu­ord­nen.

Ku­mu­la­tiv zur Vor­aus­set­zung in Abs. 1 müs­sen ge­mäss Art. 24h Abs. 1 lit. b nBWIS kon­kre­te und ak­tu­el­le An­halts­punk­te vor­lie­gen, dass die Per­son aus­rei­sen will, um sich im Be­stim­mungs­land an ei­ner De­mons­tra­ti­on oder Kund­ge­bung mit in­ter­na­tio­na­lem Be­zug an Ge­walt­tä­tig­kei­ten ge­gen Per­so­nen oder Sa­chen zu be­tei­li­gen. Da­bei ist völ­lig un­klar, wel­ches Aus­mass die Ge­walt­tä­tig­kei­ten ge­gen­über Sa­chen an­neh­men muss. Viel­mehr muss aus­drück­lich fest­ge­hal­ten wer­den, dass nicht je­de Ge­walt­tä­tig­keit ge­gen­über Sa­chen ein Aus­rei­se­ver­bot recht­fer­ti­gen kann, son­dern die­se ein ge­wis­ses Aus­mass an­neh­men müs­sen.

Der er­läu­tern­de Be­richt er­kennt rich­tig, dass durch das Aus­rei­se­ver­bot das Recht auf freie Mei­nungs­äus­se­rung tan­giert wer­den kann. Dies wird da­mit be­grün­det, dass die Re­ge­lung nur auf Per­so­nen an­wend­bar sei, die sich mit ho­her Wahr­schein­lich­keit an Ge­walt­tä­tig­kei­ten be­tei­li­gen wer­den, was nicht von der Mei­nungs­äus­se­rungs­frei­heit ge­deckt sei und des­halb das Grund­recht auf freie Mei­nungs­äus­se­rung gar nicht tan­giert wer­de. Ei­ne le­dig­lich ho­he Wahr­schein­lich­keit an künf­tig zu be­ge­hen­den Ge­walt­tä­tig­kei­ten reicht aber nicht aus, um das Grund­recht auf freie Mei­nungs­äus­se­rung gar nicht erst zu tan­gie­ren, ins­be­son­de­re da kein rechts­kräf­ti­ges Ur­teil vor­lie­gen muss, das das Vor­lie­gen von be­gan­ge­nen Ge­walt­tä­tig­kei­ten nach­weist. Es liegt ein Ein­griff in das Grund­recht auf freie Mei­nungs­äus­se­rung und in die per­sön­li­che Frei­heit vor, wel­che nicht durch die ho­he Wahr­schein­lich­keit ei­ner zu­künf­ti­gen Ge­walt­tä­tig­keit ge­recht­fer­tigt wer­den.

Zu­dem er­scheint es als frag­lich, wie es mög­lich sein soll, all­fäl­li­ges künf­ti­ges ge­walt­tä­ti­ges Ver­hal­ten an­läss­lich ei­ner Kund­ge­bung oder De­mons­tra­ti­on pro­gnos­ti­zie­ren zu kön­nen. Al­lein aus ver­gan­ge­nem Ver­hal­ten, zu­mal bei ei­nem solch schwam­mi­gen Ge­walt­be­griff, wird sich dies re­gel­mäs­sig nicht zu­ver­läs­sig ab­lei­ten kön­nen, was oh­ne Wei­te­res im Ver­gleich zum Straf­recht deut­lich wird, wo ei­ne ne­ga­ti­ve Pro­gno­se in Be­zug auf künf­ti­ge De­lik­te die Aus­nah­me ist und wo die Schwie­rig­kei­ten in Be­zug auf die Le­gal­pro­gno­se von der Rechts­wis­sen­schaft gut her­aus­ge­ar­bei­tet wor­den sind.

Im er­läu­tern­den Be­richt selbst steht, dass die Aus­rei­se­be­schrän­kung «ein prä­ven­ti­ves po­li­zei­li­ches In­stru­ment»56 ist. Da­mit fällt die Aus­wei­tung des Aus­rei­se­ver­bo­tes nicht in den nach­rich­ten­dienst­li­chen Be­reich und ge­hört nicht in die vor­lie­gen­de Ge­set­zes­vor­la­ge rein - sie zeugt aber von der ty­pi­schen Ver­mi­schung von po­li­zei­li­chen und nach­rich­ten­dienst­li­chen Be­fug­nis­sen, wel­che strikt zu tren­nen sind.

9.2. Art. 24k nBWIS - Al­ters­gren­ze

Ge­mäss Art. 24k nBWIS kann die Aus­rei­se­be­schrän­kung ge­gen ei­ne Per­son ver­fügt wer­den, die das 15. Al­ters­jahr voll­endet hat. Mass­nah­men ge­gen­über Ju­gend­li­chen soll­ten grund­sätz­lich, wie das Ju­gend­straf­recht, er­zie­he­ri­sche Wir­kung ent­fal­ten. Die vor­ge­se­he­ne Mass­nah­me ge­gen Min­der­jäh­ri­ge ab 15 Jah­ren ist in dem Sin­ne hoch­pro­ble­ma­tisch und steht im Wi­der­spruch zur von der Schweiz ra­ti­fi­zier­ten UNO-Kin­der­rechts­kon­ven­ti­on.

10. Da­ten­be­ar­bei­tung und Qua­li­täts­si­che­rung: Al­go­rith­men und Ge­sichts­er­ken­nung

Auf ei­ne au­to­ma­ti­sier­te Be­ar­bei­tung von Per­so­nen­da­ten und Be­ar­bei­tung bio­me­tri­scher Da­ten ist zu ver­zich­ten. Je­den­falls darf ei­ne sol­che nicht oh­ne ex­pli­zi­te ge­setz­li­che Grund­la­ge vor­ge­nom­men wer­den. Ei­ne sol­che hät­te den grund­recht­li­chen In­ter­es­sen hin­rei­chend Rech­nung zu tra­gen und müss­te stren­ge Schran­ken so­wie ad­äqua­te Schutz­vor­keh­run­gen vor­se­hen. Die Ver­wen­dung bio­me­tri­scher Da­ten und die au­to­ma­ti­sier­te Be­ar­bei­tung von Per­so­nen­da­ten durch den Nach­rich­ten­dienst wird sich al­ler­dings an­ge­sichts des schwe­ren Ein­griffs in die Grund­rech­te, wel­cher da­mit ver­bun­den wä­re, und an­ge­sichts der grund­sätz­li­chen Pro­ble­me sol­cher Tech­no­lo­gi­en ins­ge­samt nicht recht­fer­ti­gen las­sen.

Die Un­ab­hän­gi­ge Auf­sichts­be­hör­de über die nach­rich­ten­dienst­li­chen Tä­tig­kei­ten hat im März 2022 ih­ren Tä­tig­keits­be­richt ver­öf­fent­licht. In die­sem Be­richt hat sie be­kannt ge­macht, dass der NDB seit 2020 ein Ge­sichts­er­ken­nungs­sys­tem ein­setzt, mit dem Per­so­nen auf Fo­tos be­stimmt wer­den kön­nen. Die Un­ab­hän­gi­ge Auf­sichts­be­hör­de hält fest, dass der NDB dies tut, ob­schon be­tref­fend kei­nes der In­for­ma­ti­ons­sys­te­me ei­ne der­ar­ti­ge Be­ar­bei­tung bio­me­tri­scher Da­ten vor­ge­se­hen ist.

Es fällt auf, dass der vor­lie­gen­de Re­vi­si­ons­ent­wurf zwar den Ein­satz von lern­fä­hi­gen Pro­gram­men zur Su­che und Ka­te­go­ri­sie­rung von In­for­ma­tio­nen als «un­ab­ding­bar» preist, zu­gleich aber auf ei­ne ge­setz­li­che Re­ge­lung vor­her­seh­ba­ren Vor­aus­set­zun­gen und Schran­ken ver­zich­tet. Statt­des­sen bleibt es bei ei­nem nicht nach­voll­zieh­ba­ren Lip­pen­be­kennt­nis, dass ein Ein­satz künst­li­cher In­tel­li­genz mit dem Ri­si­ko schwer­wie­gen­der Grund­rechts­ein­grif­fe «nicht ge­plant» sei.57

Das re­vi­dier­te Da­ten­schutz­recht sieht be­tref­fend bio­me­tri­sche Da­ten be­son­de­re Schutz­vor­keh­run­gen vor, un­ter an­de­rem in­dem die­se als be­son­ders schüt­zens­wert be­wer­tet wer­den.58 Eben­so wird die au­to­ma­ti­sier­te Be­ar­bei­tung von Per­so­nen­da­ten, die ein ho­hes Ri­si­ko für die Per­sön­lich­keit oder die Grund­rech­te der be­trof­fe­nen Per­son mit sich bringt, als «Pro­filing mit ho­hem Ri­si­ko» qua­li­fi­ziert (Art. 5 lit. g nDSG), was mit ver­schie­de­nen Schutz­vor­keh­run­gen ver­bun­den ist.

Vor die­sem ge­setz­ge­be­ri­schen Hin­ter­grund liegt es nicht im Be­lie­ben des Bun­des­ra­tes be­zie­hungs­wei­se des NDB, fest­zu­le­gen, wann bio­me­tri­sche Da­ten oder ei­ne au­to­ma­ti­sier­te Be­ar­bei­tung von Per­so­nen­da­ten ei­nen schwer­wie­gen­den Grund­rechts­ein­griff dar­stel­len. Viel­mehr ist es Auf­ga­be des Par­la­men­tes ggf. ei­ne ge­setz­li­che Grund­la­ge, die den grund­recht­li­chen In­ter­es­sen hin­rei­chend Rech­nung trägt, aus­zu­ar­bei­ten. Die Ver­wen­dung bio­me­tri­scher Da­ten und die au­to­ma­ti­sier­te Be­ar­bei­tung von Per­so­nen­da­ten durch den Nach­rich­ten­dienst wür­de al­ler­dings zu schwer wie­gen­den Ein­grif­fen in die Grund­rech­te füh­ren, ins­be­son­de­re, weil da­mit gros­se Da­ten­be­stän­de ana­ly­siert wer­den könn­ten. Zu­dem sind ent­spre­chen­de Sys­te­me mit ei­ner Rei­he von grund­sätz­li­chen Pro­ble­men be­haf­tet (na­ment­lich: gros­se Zahl der von ei­nem Ein­satz be­trof­fe­nen Per­so­nen bzw. feh­len­de Ziel­ge­richtet­heit der Sys­te­me; man­geln­de Trans­pa­renz und Nach­voll­zieh­bar­keit; dis­kri­mi­nie­ren­de Wir­kung, insb. von Ge­sichts­er­ken­nungs­sys­te­men). Da­mit er­scheint es als sehr frag­lich, in wie weit die Ver­wen­dung bio­me­tri­scher Da­ten oder ei­ne au­to­ma­ti­sier­te Be­ar­bei­tung von Per­so­nen­da­ten im nach­rich­ten­dienst­li­chen Be­reich über­haupt als ge­recht­fer­tigt er­schei­nen könn­ten.

Mit bes­tem Dank für die Be­rück­sich­ti­gung un­se­rer An­mer­kun­gen ver­blei­ben wir

mit freund­li­chen Grüs­sen

NGO Ko­ali­ti­on, die un­ter­zeich­nen­den Or­ga­ni­sa­tio­nen gem. Po­si­ti­ons­pa­pier

1 Vgl. Vorkommnisse im EJPD, Bericht der Parlamentarischen Untersuchungskommission (PUK) vom 22. November 1989 und Vorkommnisse im EJPD, Ergänzungsbericht der Parlamentarischen Untersuchungskommission (PUK) vom 29. Mai 1990.

2 Vgl. Art. 3 aBWIS.

3 Vgl. BBI 1994 II 1127, hier 1171.

4 Vgl. Jahresbericht 2019 der Geschäftsprüfungskommissionen und der Geschäftsprüfungsdelegation der eidgenössischen Räte vom 28. Januar 2020, BBI 2020-2971, hier 3045.

5 Vgl. Berichterstattung des SRF in 10vor10 vom 01. Juni 2022. Dies dürfte darauf zurückzuführen sein, dass die Vorsteherin des VBS den Direktor des NDB angewiesen hat, alle von der Geschäftsprüfungsdelegation vorgeschlagenen Massnahmen umzusetzen (vgl. Vgl. Jahresbericht 2020 der Geschäftsprüfungskommissionen und der Geschäftsprüfungsdelegation der eidgenössischen Räte vom 26. Januar 2021, BBI 2021-570, hier S. 111).

6 Vgl. Györffy Viktor, Rechtsgutachten zur Praxis der Informationsbeschaffung durch den Nachrichtendienst des Bundes (NDB), 25. Mai 2022, S. 5 N 5 ff.

7 Vgl. Botschaft zum Bundesgesetz über Massnahmen zur Wahrung der inneren Sicherheit und zur Volksinitiative «S.O.S. Schweiz ohne Schnüffelpolizei» vom 7. März 1994, S. 1171.

8 Zum Ganzen vgl. Györffy Viktor Rechtsgutachten zur Praxis der Informationsbeschaffung durch den Nachrichtendienst des Bundes (NDB), 25. Mai 2022.

9 Jahresbericht 2019 der Geschäftsprüfungskommissionen und der Geschäftsprüfungsdelegation der eidgenössischen Räte vom 28. Januar 2020, S. 81.

10 Vgl. Györffy Viktor, Rechtsgutachten zur Praxis der Informationsbeschaffung durch den Nachrichtendienst des Bundes (NDB), 25. Mai 2022, S. 34 N 137 f.

11 Vgl. Györffy Viktor, Rechtsgutachten zur Praxis der Informationsbeschaffung durch den Nachrichtendienst des Bundes (NDB), 25. Mai 2022, S. 31 N 124 und S. 33 f. N 133 ff.

14 Vgl. Datenbearbeitung im Staatsschutzinformationssystem ISIS, Bericht der Geschäftsprüfungsdelegation der Eidgenössischen Räte vom 21. Juni 2010 sowie die Jahresberichte 2019, 2020 und 2021 der GPDel.

15 Vgl. Datenbearbeitung im Staatsschutzinformationssystem ISIS, Bericht der Geschäftsprüfungsdelegation der Eidgenössischen Räte vom 21. Juni 2010, BBI 2010 7739, S. 2 ff.

16 Vgl. etwa EGMR, Klass u.a. gegen Deutschland, 5029/71, Urteil vom 6. September 1978 oder EGMR, Leander gegen Schweden, 9248/81, vom 26. März 1987.

17 BGE 147 I 280, E 9.2.4.

18 Vgl. Erläuternder Bericht zur Revision des Bundesgesetzes vom 25. September 2015 über den Nachrichtendienst vom Mai 2022, BBI 2022, S. 29.

19 Jahresbericht 2019 der Geschäftsprüfungskommissionen und der Geschäftsprüfungsdelegation der eidgenössischen Räte vom 28. Januar 2020, BBI 2020, S. 81.

20 Vgl. Györffy Viktor, Rechtsgutachten zur Praxis der Informationsbeschaffung durch den Nachrichtendienst des Bundes (NDB), 25. Mai 2022, S. 49 N 188.

21 Vgl. Erläuternder Bericht zur Revision des Bundesgesetzes vom 25. September 2015 über den Nachrichtendienst vom Mai 2022, BBI 2022, S. 29.

22 Vgl. Györffy Viktor, Rechtsgutachten zur Praxis der Informationsbeschaffung durch den Nachrichtendienst des Bundes (NDB), 25. Mai 2022, S. 24 N 93.

23 Botschaft zum Nachrichtendienstgesetz vom 19. Februar 2014, BBI 2014 2105, S. 2149.

24 BGE 147 I 103, E. 17.5.2.

25 Statt vieler vgl. EGMR, Peck gegen Vereinigtes Königreich, 44647/98, Urteil vom 28. Januar 2003, § 59 oder EGMR, Perry gegen Vereinigtes Königreich, 63737/00, Urteil vom 17. Juli 2003; vgl. auch § 38; Gonin Luc/Bigler Olivier, Convention européenne des droits de l`homme (CEDH): commentaire des articles 1 à 18 CEDH, Bern, 2018, EMRK 8 N 54.

26 Vgl. Gonin Luc/Bigler Olivier, Convention européenne des droits de l›homme (CEDH): commentaire des articles 1 à 18 CEDH, Bern, 2018, EMRK 8 N 53 und 147; EGMR, Guide sur l’article 8 de la Convention européenne des droits de l’homme, 31. August 2021, N 219.

27 Vgl. EGMR, Guide sur l’article 8 de la Convention européenne des droits de l’homme, 31. August 2021, N 16; EGMR, Roman Zakharov gegen Russland, 47143/06, Urteil vom 4. Dezember 2015, § 229; Meyer-Ladewig Jens/ Nettesheim Martin, in: Meyer-Ladewig Jens/Nettesheim Martin/Von Raumer Stefan (Hrsg.), EMRK: Europäische Menschenrechtskonvention: Handkommentar, 4. Aufl., Baden-Baden, 2017, EMRK 8, N 34 und 37.

28 Vgl. EGMR, Roman Zakharov gegen Russland, 47143/06, Urteil vom 4. Dezember 2015, § 231; EGMR, Big Brother Watch u.a. gegen Vereinigtes Königreich, 58170/13, 62322/14, 24960/15, Urteil vom 13. September 2018, § 307; Gonin Luc/ Bigler Olivier, Convention européenne des droits de l'homme (CEDH): commentaire des articles 1 à 18 CEDH, Bern, 2018, EMRK 8, N 151.

29 Botschaft zum Bundesgesetz über Massnahmen zur Wahrung der inneren Sicherheit und zur Volksinitiative «S.O.S. Schweiz ohne Schnüffelpolizei» vom 7. März 1994, BBl 1994 II 1127, hier 1170.

30 Botschaft zum Bundesgesetz über Massnahmen zur Wahrung der inneren Sicherheit und zur Volksinitiative «S.O.S. Schweiz ohne Schnüffelpolizei» vom 7. März 1994, BBl 1994 II 1127, hier 1168.

31 Botschaft zum Nachrichtendienstgesetz vom 19. Februar 2014, BBI 2014 2105, S. 2158.

32 Vgl. EGMR, Guide sur l’article 8 de la Convention européenne des droits de l’homme, 31. August 2021, N 20.

33 Vgl. Vorkommnisse im EJPD, Bericht der Parlamentarischen Untersuchungskommission (PUK) vom 22. November 1989 und Vorkommnisse im EJPD, Ergänzungsbericht der Parlamentarischen Untersuchungskommission (PUK) vom 29. Mai 1990 sowie https://www.bar.admin.ch/bar/de/home/recherche/recherchetipps/themen/nachrichtendienste--spione--landesverraeter-und-staatsschutz-in-/die-politische-polizei-und-der-staatsschutz-in-der-schweiz-.html.

34 Vgl. Datenbearbeitung im Staatsschutzinformationssystem ISIS, Bericht der Geschäftsprüfungsdelegation der Eidgenössischen Räte vom 21. Juni 2010 sowie Jahresberichte 2019, 2020 und 2021 der GPDel.

35 Vgl. Györffy Viktor, Rechtsgutachten zur Praxis der Informationsbeschaffung durch den Nachrichtendienst des Bundes (NDB), 25. Mai 2022, insb. S. 23 ff. N 89 ff.

36 Botschaft zum Nachrichtendienstgesetz vom 19. Februar 2014, BBl 2014 2105, hier 2168.

37 Vgl. Schweri Florian, Le respect de la vie privée des personnes concernées par une mesure de surveillance secrète: analyse du droit suisse au regard de la Convention européenne des droits de l’homme, Université de Genève, Master, 2021, [einsehbar unter: https://archive-ouverte.unige.ch/unige:159835], S. 14.

38 SR 173.320.4.

39 EGMR, Klass u.a. gegen Deutschland, 5029/71, Urteil vom 6. September 1978, § 58; vgl. auch EGMR, Roman Zakharov gegen Russland, 47143/06, Urteil vom 4. Dezember 2015, §§ 286 bis 290.

40 Vgl. BGE 109 Ia 273, E. 12b in fine «[Es ist nicht unverhältnismässig] von der nachträglichen Benachrichtigung der Betroffenen abzusehen, soweit und solange eine solche den Zweck der durchgeführten Überwachungsmassnahmen gefährden würde» (Hervorhebung hinzugefügt); Kreyden Aileen, Das Nachrichtendienstgesetz im Spannungsverhältnis zwischen Geheimhaltungsinteresse und Recht auf Rechtsschutz: wie kann bei geheimen Überwachungsmassnahmen Rechtsschutz gewährt werden?, Zürich, 2017, N 59.

41 Vgl. Roman Zakharov gegen Russland, 47143/06, Urteil vom 4. Dezember 2015, § 253 bis 256; Kennedy gegen Vereinigte Königreich, 26839/05, Urteil vom 18. Mai 2010, § 164.

42 Vgl. Roman Zakharov gegen Russland, 47143/06, Urteil vom 4. Dezember 2015, § 258.

43 Vgl. Schweri Florian, Le respect de la vie privée des personnes concernées par une mesure de surveillance secrète: analyse du droit suisse au regard de la Convention européenne des droits de l’homme, Université de Genève, Master, 2021, [einsehbar unter: https://archive-ouverte.unige.ch/unige:159835], S. 15 f.

44 Vgl. Erläuternder Bericht zur Revision des Bundesgesetzes vom 25. September 2015 über den Nachrichtendienst vom Mai 2022, BBl 2022, S. 9.

45 Vgl. Erläuternder Bericht zur Revision des Bundesgesetzes vom 25. September 2015 über den Nachrichtendienst vom Mai 2022, BBl 2022, S. 10.

46 Vgl. Erläuternder Bericht zur Revision des Bundesgesetzes vom 25. September 2015 über den Nachrichtendienst vom Mai 2022, BBl 2022, S. 12.

47 Vgl. Stellungnahme der Ärztevereinigung FMH in Tagesanzeiger online, 24.6.2022, Werden Ärzte, Anwälte und Journalisten bald ausgespäht?, [einsehbar unter: https://www.tagesanzeiger.ch/nachrichtendienst-soll-anwaelte-aerzte-und-journalisten-ausspaehen-duerfen-121795356050].

48 Vgl. EGMR, Jecker gegen die Schweiz, 35449/14, Urteil vom 6. Januar 2021.

49 Vgl. Müller Jörg Paul/Schefer Markus [mit Zeller Franz], Grundrechte in der Schweiz, 4. Aufl., Bern 2008, S. 472; Frowein/Peukert, EMRK-Kommentar, 3. Aufl., Kehl am Rhein 2009, Art. 10 Rn. 17; Handkommentar EMRK-Meyer-Ladewig/Nettesheim, EMRK 10 N 39; Basler-Komm/ZELLER, Art. 172 StPO, N 2, N 7 f.; Donatsch, in: Kommentar zur Schweizerischen Strafprozessordnung, Donatsch/Hansjakob/Lieber (Hrsg.), 2. Aufl., Zürich/Basel/Genf 2014, Art. 172 N 2 und N 4; Basler-Komm/Bommer/Goldschmid, Art. 264 StPO, N 15; Györffy Viktor, Quellenschutz im Strafprozess, in: medialex 6/16 sowie medialex Jahrbuch 2016, S. 79 ff., Rz. 2 f.; EGMR, Goodwin v. The United Kingdom (GC), 17488/90, Urteil vom 27. März 1996; EGMR, Voskuil v. The Netherlands, 64752/01, Urteil vom 22. November 2007; BGE 132 I 184; BGE 140 IV 108.

50 BGE 147 I 280, E. 6.2.3.

51 Vgl. Datenbearbeitung im Staatsschutzinformationssystem ISIS, Bericht der Geschäftsprüfungsdelegation der Eidgenössischen Räte vom 21. Juni 2010 sowie Jahresberichte 2019, 2020 und 2021 der GPDel.

52 Vgl. Györffy Viktor, Rechtsgutachten zur Praxis der Informationsbeschaffung durch den Nachrichtendienst des Bundes (NDB), 25. Mai 2022, insb. S. 42 ff. N 167 ff.

53 SR 122.

54 Vgl. Allgemeinverfügung betreffend das Verbot der Gruppierungen «Al-Qaïda» und «Islamischer Staat» sowie verwandter Organisationen, BBl 2022 1802.

55 Vgl. Erläuternder Bericht zur Revision des Bundesgesetzes vom 25. September 2015 über den Nachrichtendienst vom Mai 2022, BBl 2022, S. 32.

56 Vgl. Erläuternder Bericht zur Revision des Bundesgesetzes vom 25. September 2015 über den Nachrichtendienst vom Mai 2022, BBl 2022, S. 34.

57 Vgl. Erläuternder Bericht zur Revision des Bundesgesetzes vom 25. September 2015 über den Nachrichtendienst vom Mai 2022, BBl 2022, S. 22.

58 Vgl. Art. 5 lit. c Ziff. 4 nDSG in der beschlossenen Fassung, vgl. BBl 2020 7639 ff.

 

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