Das Verwaltungsgericht Bern hält das Demonstrationsverbot der Stadt Bern für verfassungswidrig und unverhältnismässig. Umzüge bleiben deswegen erlaubt.
Der Rechtsstreit geht auf einen Entscheid des Berner Stadtparlaments von Mai 2008 zurück. Dieses beschloss im Nachgang zu den Ausschreitungen an der Anti-SVP-Demonstration im Herbst 2007, Kundgebungsumzüge grundsätzlich zu verbieten. Demonstrationen wurden auf Platzkundgebungen beschränkt.
Dagegen reichten verschiedene Einzelpersonen, Organisationen und Parteien, darunter auch grundrechte.ch, Beschwerde ein. Die damalige Berner Regierungsstatthalterin Regula Mader hiess diese Beschwerde gut. Sie befand, das verschärfte Kundgebungsreglement widerspreche der kantonalen Verfassung.
Doch der Berner Gemeinderat zog den Entscheid der Statthalterin ans Verwaltungsgericht weiter. Dieses hat nun am Donnerstag die Beschwerde der Stadt abgewiesen.
Kein grundsätzliches Verbot
Die Idee, Marschkundgebungen grundsätzlich zu verbieten, sei gut gemeint, aber kaum das richtige Mittel, sagte der vorsitzende Verwaltungsrichter. Auch die übrigen vier Verwaltungsrichter kamen zu diesem Schluss. Die umstrittene Bestimmung greife zu stark in Grundrechte wie die Meinungsäusserungs- und Versammlungsfreiheit ein.
Selbstverständlich müsse die Stadt für die Sicherheit bei Demonstrationen sorgen, argumentierten die Richter. Deshalb müsse auch jede einzelne Kundgebung im Vorfeld sorgfältig geprüft und beurteilt werden. Wenn Indizien vorliegen, kann eine Bewilligung durchaus verweigert werden.
Wenn aber grundsätzlich alle Demonstrationsumzüge verboten und lediglich Ausnahmen gewährt würden, werde das Verhältnis von Regel und Ausnahmen auf den Kopf gestellt. Auch werde das Recht auf Selbstbestimmung der Organisatoren beschnitten. Die Richter gaben zudem zu bedenken, dass Platzkundgebungen nicht automatisch weniger gefährlich seien als Umzüge.
«Sieg für die Grundrechte»
«Das ist vor allem ein Sieg für die Grundrechte», sagte die frühere Regierungsstatthalterin Mader nach der Sitzung des Verwaltungsgerichts. Das einstimmige Ergebnis des Gerichts zeige, dass der Berner Stadtrat nicht sorgfältig vorgegangen sei, als er die umstrittene Bestimmung beschlossen habe.
Der Berner Sicherheitsdirektor Reto Nause (CVP) bezeichnete dagegen das Urteil als enttäuschend und praxisfern. Die Situation Berns als Bundesstadt mit vielen Kundgebungen sei speziell. Doch mit dem Entscheid des Verwaltungsgerichts sei der Spielraum der Stadt, um die Kundgebungen kontrollieren zu können, enger geworden.
Am 24. Februar 2010 hat der Gemeinderat Bern bekannt gegeben, dass er das Urteil nicht ans Bundesgericht weiterziehe.
Ortspolizei liest keine Gerichtsurteile
Die Orts- und Gewerbepolizei der Stadt Bern hat Anfang dieses Jahres beschlossen, Kundgebungen vor Botschaften zurückhaltender zu bewilligen. Sie will damit die Anwohner entlasten. Bereits zweimal hat die Berner Ortspolizei deshalb Demos vor Botschaften untersagt. Das Urteil des Verwaltungsgericht zur Demonstrationsfreiheit scheint sie nicht zu kümmern.
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