Wann Anspucken eine Gewalttat ist

21. April 2017

Adi Kälin, NZZ

Ein junger Fan hat nach einem Fussballspiel einen Polizisten bespuckt. Dass ihm die Zürcher Stadtpolizei danach ein Rayonverbot auferlegte, sei unverhältnismässig, findet nun das Verwaltungsgericht.

Nach einem Fussballspiel des FC Zürich im letzten Frühjahr hat ein Fan einen ihm bekannten Polizisten beschimpft und bespuckt. Dafür wurde er von der Staatsanwaltschaft mit einer bedingten Geldstrafe von 60 Tagessätzen zu je 80 Franken bestraft – mit einer zweijährigen Probezeit. Zunächst hatte der Strafbefehl auf «Gewalt und Drohung gegen Beamte» gelautet, er wurde jedoch nach einer Einsprache des Fans durch einen Strafbefehl ersetzt, in dem der Tatbestand auf «mehrfaches Beschimpfen» abgeändert wurde.

Keine Heimspiele von FCZ und GC

In der Folge verhängte die Stadtpolizei Zürich zusätzlich ein einjähriges Rayonverbot, das den Fan vom Besuch der Heimspiele des FC Zürich und des Grasshopper-Clubs abhalten sollte. Gegen diese Anordnung rekurrierte der Mann beim Zwangsmassnahmengericht des Bezirksgerichts und bekam tatsächlich recht. Die Tat erscheine als nicht derart gravierend, dass darin eine Gefährdung der öffentlichen Sicherheit oder der friedlichen Spieldurchführung gesehen werden könne, wie es im Konkordat über Massnahmen gegen Gewalt anlässlich von Sportveranstaltungen geregelt ist.

Gegen dieses Urteil legte nun die Stadtpolizei Beschwerde beim Verwaltungsgericht ein. Es handle sich bei der Tat nicht um eine geringfügige Verfehlung. Nach dem Spiel habe sich die Aggression des Mannes unkontrolliert gegenüber einem Polizisten entladen, sein Gewaltpotenzial sei offensichtlich. Zudem sei die Gewalt aus einer Fangruppe heraus erfolgt, und der Mann sei schon bei anderen Spielen negativ aufgefallen.

Die Stadtpolizei ist der Ansicht, dass bereits eine tätliche Beleidigung eine Gewalttätigkeit im Sinn des Konkordats darstellt. So steht es auch in der Empfehlung der kantonalen Justiz- und Polizeidirektoren zum Konkordat: «Werden Beamte angespuckt, ist der Tatbestand der Gewalt und Drohung gegen Behörden und Beamte erfüllt.»

Wichtig ist, wo die Spucke auftrifft

Das Verwaltungsgericht verweist hingegen auf neuere Entscheide des Zürcher Obergerichts, das unterscheidet, an welcher Stelle ein Polizist bespuckt wird. Das Spucken ins Gesicht wird als Tätlichkeit qualifiziert, die nicht mehr im Bagatellbereich anzusiedeln sei. In anderen Entscheiden wird das Anspucken jedoch lediglich als «Beschimpfung mittels Gebärde» beurteilt.

Im vorliegenden Fall traf die Spucke des Fans, der drei Meter entfernt stand, den Oberkörper des Polizisten. Deshalb sei mit Blick auf die obergerichtliche Rechtsprechung nicht von einer tätlichen Beschimpfung, sondern von einer Beschimpfung durch Gebärde auszugehen, findet der Einzelrichter des Verwaltungsgerichts. Damit stellt er sich gegen die Empfehlungen der Konferenz der Justiz- und Polizeidirektoren. Diese seien ja lediglich unverbindliche Empfehlungen zur Umsetzung, heisst es im Entscheid.

Wie das Zwangsmassnahmengericht hält auch das Verwaltungsgericht fest, dass das Verhalten des Fans gesellschaftlich nicht toleriert und strafrechtlich relevant sei. Entsprechend sei er ja auch bestraft worden. Dies könne aber nicht zwangsläufig zu einer Massnahme im Sinne des Konkordats führen.

Der Fan entschuldigte sich

Gegen das Rayonverbot sprechen laut dem Urteil aber auch die Aussagen des Sicherheitsverantwortlichen des Fussballklubs. Dieser bestätigte, dass der Fan in der Saison 2015/16 nicht negativ aufgefallen sei, vielmehr eine «kooperative Ansprechperson zwecks Kommunikation mit der Kurve» sei und regelmässig mithelfe, schwierige Situationen zu beruhigen. Ausserdem habe er sich am Tag nach der Tat beim Polizisten telefonisch entschuldigt.

Letztlich beurteilt das Verwaltungsgericht das Rayonverbot, das für den Mann eine wesentliche Einschränkung seiner Bewegungsfreiheit wäre, als unverhältnismässige Massnahme. Das Urteil kann noch beim Bundesgericht angefochten werden.

 

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