«Wer in die Kurve will, braucht ein Kombi-Ticket»

20. Juni 2011

Lukas Mäder, 20 Minuten

Nur wer im begleiteten Extrazug zum Hochrisikospiel reist, soll inskünftig in den Gästeblock dürfen, fordert St. Gallens Justizdirektorin Karin Keller-Sutter.

Das Bundesamt für Verkehr spricht von der Möglichkeit, Fanzüge anzuhalten und zu räumen. Ist das realistisch?

Karin Keller-Sutter: Es ist in der Vergangenheit zumindest ähnlich schon so passiert. Ich denke an die grossangelegte Aktion bei einem FCB-Fanzug in Zürich Altstetten Ende 2004. Aber das steht für uns nicht im Vordergrund.

Sondern?

Das Kombi-Ticket. Das ist für uns von der Justiz- und Polizeidirektorenkonferenz KKJPD die entscheidende Massnahme. Ich freue mich, dass das Bundesamt für Verkehr sich jetzt dafür ausspricht. Die SBB scheinen ebenfalls auf unserer Linie zu sein.

Trotz Kombi-Ticket können die Fans weiterhin beispielsweise mit der Notbremse Züge blockieren oder Bierflaschen zum Fenster hinaus werfen.

Deshalb braucht es begleitende Massnahmen. Die Fans müssen bereits beim Einsteigen kontrolliert und während der Fahrt begleitet werden. Im Ausland geschieht das mit privaten Sicherheitsleuten, sogenannten Stewards, die von den Clubs bezahlt werden. Zusätzlich kommen auch Spotter und Szenekenner der Polizei zum Einsatz.

Braucht es auch ein Alkoholverbot in den Fanzügen?

Diese Frage müssen die SBB beantworten, weil es um deren Hausrecht geht. Aber es ist sicher sinnvoll, wenn die Fussballfans nicht bereits betrunken im Stadion ankommen.

Reisen gewalttätige Fans nicht einfach privat an?

Nein, wer in den Gästesektor, also in die Kurve will, braucht ein Kombi-Ticket. Diese Fans müssen direkt vom Extrazug ins Stadion geleitet werden.

Hooligans könnten ein normales Ticket für einen anderen Sektor kaufen.

Diese Gefahr besteht theoretisch. Aber dort herrscht nicht dieselbe Stimmung wie im Gästesektor. Deshalb ist es für diese Personen keine richtige Alternative. Sie suchen ja gerade das Fussball-Erlebnis in der eigenen Gruppe.

Die Einführung des Kombi-Tickets ist dennoch umstritten.

Die Anfahrt ist ein kritischer Punkt. Leider ist die Entschlossenheit, Massnahmen zu ergreifen, tatsächlich nicht bei allen Beteiligten gleich gross, insbesondere nicht bei allen Clubs.

Gibt es die Aussicht auf eine Einigung?

Wir könnten uns vorstellen, dass Kombi-Tickets nur für Risikospiele Anwendung finden. Das wäre allerdings unsere Mindestforderung. Die KKJPD diskutiert das Thema an der heutigen Vorstandssitzung.

Das Kombi-Ticket kommt wieder neu auf den Tisch, nachdem es keinen Eingang gefunden hatte in die Mustervereinbarung von letztem Jahr.

Wir haben es fallengelassen, weil die Fussball-Liga den Fanpass einführen wollte. Nachdem zuerst Euphorie herrschte, will sie nun nicht mehr. Der Fanpass sei zu teuer. Gleichzeitig haben wir explodierende Kosten bei den Polizeieinsätzen.

Sie klingen frustriert.

Ich bin enttäuscht, weil wir von Seiten der Behörden viel investiert haben, ich aber bei der Fussball-Liga unsicher bin, ob sie tatsächlich mitziehen. Das Engagement müsste dort grösser sein, beispielsweise jetzt beim Kombi-Ticket.

Bis wann könnte das Kombi-Ticket eingeführt werden?

Sicher nicht mehr auf die neue Saison. Die SBB und die Liga verhandeln darüber. Die Kantone sind nicht am Projekt beteiligt, obwohl wir mittelfristig massiv sparen könnten bei den Kosten für die Polizeieinsätze. Möglicherweise drohen nun auch die SBB damit, höhere Kosten zu verrechnen, um dem Kombi-Ticket zum Durchbruch zu verhelfen.

 

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