Edward Snowden und die Schweiz

30. Oktober 2013

Seit sich Edward Snowden kurz vor den Sommerferien 2013 von Hawaii nach Hong Kong abgesetzt und der Welt eine Unmenge geheimer Dokumente des amerikanischen Geheimdienstes überlassen hat, kommen fast täglich neue Ungeheuerlichkeiten ans Licht. Eine umfassende weltweite Überwachung des gesamten Telefon- und Internetverkehrs ist seit Jahren gängige Praxis. Hauptziele der weltweiten Schnüffeleien sind wirtschaftliche und politische Spionage. So viele Terroristen, wie es gesammelte Daten gibt, kann es gar nicht geben.

Früh wurde bekannt, dass auch andere Länder, allen voran Grossbritannien, in diesem Spiel mitspielen. Schnell wurde auch klar, dass die wirklichen «Terroristen», welche es zu bekämpfen gilt, Journalisten sind, welche über die Aktivitäten der Geheimdienste berichten. So wurden in England Computer und Datenträger des «Guardian» vernichtet sowie diverse Reporter stundenlang festgehalten und verhört.

In der kleinen und beschaulichen Schweiz kümmert man sich kaum um solche Dinge. Es gibt zwar Abhöranlagen in Leuk und anderswo, aber wer nichts zu verbergen hat, hat auch nichts zu befürchten. Beinahe schon ist vergessen, dass im Mai 2012 ein Informatiker des Nachrichtendienstes des Bundes (NDB), der ebenfalls geheime Dokumente weitergeben wollte, nur an seiner Geldgier gescheitert ist, weil er ein Nummernkonto eröffnen wollte und prompt von der Bank verpetzt wurde.

Wie die Mannen in Ueli Maurers VBS, wo auch der NDB angesiedelt ist, arbeiten, wurde Ende Oktober 2013 einmal mehr demonstriert: Vom 5. bis 21. September 2012 fand die Übung «Stabilo Due» statt. Auf ihre Funktionstüchtigkeit getestet wurden Divisionäre und Korpskommandanten. Der Übungsbericht, der das breite Versagen der Armeeführung unter dem Kommando Blattmanns dokumentiert, lag bereits seit Januar 2013 vor. Publik machte das schlechte Abschneiden der obersten Armeestufe die Zeitung «Zentralschweiz am Sonntag». Sie meldete ebenso, dass Blattmann den Übungsbericht seither unter Verschluss hält. Auch der Sicherheitspolitischen Kommission des Nationalrats wurde dieser Bericht vorenthalten. In einer Sitzung vom 28. Oktober 2013 argumentierte Maurer, dass Indiskretionen, die zur Berichterstattung führten, «ein nicht zu unterschätzendes Sicherheitsrisiko» darstellten. Die Verantwortlichen dieser Indiskretion sollen ausfindig gemacht werden.

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Bezüglich NSA sieht sich Maurer nicht zum Handeln genötigt, auch nicht in Anbetracht neuester Tatsachen, der Abhörstation des amerikanischen Geheimdienstes in Genf etwa, oder dem seit 2002 angezapften Telefon von Angela Merkel: «Es gibt keinen Grund, so hysterisch wie die anderen zu reagieren». Am 29. Oktober 2013 lehnte Maurer ab, den Geschäftsleiter der amerikanischen Botschaft einzubestellen. Er sagte auch: «Wir haben keine Kontakte mit der NSA. Es werden und wurden keine Daten mit der NSA ausgetauscht». Einen Tag später veröffentlichte Glenn Greenwald in der spanischen Zeitung «El Mundo» ein neues Dokument aus dem Bestand von Edward Snowden. Im klassifizierten Dokument mit dem Titel «Sharing computer network operations cryptologic information with foreign partners» wird die Schweiz in einer Liste von Länder erwähnt, mit denen die NSA eine «Focused Cooperation» habe. In der gleichen Kategorie («Tier B») sind auch Länder wie Deutschland, Italien oder Spanien aufgeführt.

Die Veröffentlichung des «El Mundo» hat aber immerhin ein paar Nationalräte auf den Plan gerufen: Jetzt soll eine Anhörung mit Edward Snowden durchgeführt werden. Ebenso wird eine PUK gefordert, um die Zusammenarbeit des NDB mit anderen Geheimdiensten zu durchleuchten.

Die für die Aufsicht über den Nachrichtendienst zuständige GPDel hat die Kontakte des Nachrichtendienstes mit dem US-Geheimdienst NSA untersucht und Mitte November 2013 zusätzliche Unterlagen verlangt. Kurz darauf wurde bekannt, dass IT-Konzerne aus den USA wie CSC (Computer Sciences Corporation) und Unisys, welche sehr eng mit der NSA zusammenarbeiten, auch in der Schweiz millionenschwere staatliche Aufträge an Land ziehen. Neben vergleichsweise harmlosen Projekten für die Arbeitslosenversicherung oder die Steuerverwaltung sind aber auch sehr sensible Systemlösungen für das Grenzwachtkorps oder den Geheimdienst sowie das Justizdepartement dabei. Als sich nicht mehr unter den Tisch wischen liess, dass die USA seit Jahren in der Schweiz spionieren, hat sich die Bundesanwaltschaft Ende November 2013 dazu bequemt, ein Gesuch zur Eröffnung einer Untersuchung an den Bundesrat zu stellen. Am 6. Dezember 2013 hat dieser sein Einverständnis dazu gegeben.

 

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