von Philipp Dahm, 20 Minuten
Mit einem Alkoholverbot soll die Sicherheit in Schweizer Stadien bei Risikospielen erhöht werden. Eine US-Studie zeigt allerdings, dass Promille-Gesetze Gewalt nicht verhindern.
Die Konferenz der kantonalen Justiz- und Polizeidirektoren hat ein Machtwort gesprochen. Wenn künftig in den Schweizer Ligen Risikospiele anstehen, gibt es im «Perimeter des Stadions und in allen Stadionsektoren» ein Alkoholverbot.
Die Intention der Ordnungshüter liegt auf der Hand: Mit der Promille-Bremse wollen sie etwaigen Schlägern den Spass an der Randale nehmen. Ausgenommen sind Würdenträger, Funktionäre und Pfeffersäcke, die den Match in einer VIP-Loge verfolgen. Sie schauen auch kommende Saison mit dem Cüpli in der Hand zu, wie 22 Spieler dem Ball oder Polizisten dem Pöbel hinterherjagen.
«Subjektive Aussagen» der Polizei
Vielleicht orientieren sich die Schweizer an ihren deutschen Kollegen, die im «Abschlussbericht Lagebild Fussball» 2010 festhielten: «Von der Mehrheit der interviewten Polizeiführer wird Alkohol als enthemmend und aggressionsfördernd und damit – wie bei allen Grossveranstaltungen – als ein auslösender Faktor zur Entstehung von Gewalt angesehen. Die subjektiven Aussagen hinsichtlich der Rolle des Alkoholkonsums reichen von ‹hauptursächlich› bis ‹normale Begleiterscheinung›.»
In den Ohren jener, die selbst keine Matches besuchen, klingt das folgerichtig und logisch: Wut gepaart mit Alk führt zu Gewalt. Der deutsche Bericht lässt aber auch erahnen, dass es vor Ort in der Regel anders läuft. Zur vermeintlichen Korrelation von Gewalt und Gelage liegen keine «validen empirischen Zahlen vor», räumt der Abschlussbericht ein und zitiert: «Viele Interviewpartner haben erwähnt, dass gewaltsuchende Hooligans oder Ultras nicht alkoholisiert auftreten.» Der Grund: Wer breit ist, liefert zu viel Angriffsfläche, wenn es hart auf hart kommt.
Echte Hools prügeln nüchtern
Ins selbe Horn stiess zuvor die «Fanarbeit Schweiz». «Wir können keinen kausalen Zusammenhang zwischen Alkoholkonsum und allfälligen Ausschreitungen beobachten. Im Gegenteil, gewaltsuchende Fans trinken bewusst keinen Alkohol, um ‹einen klaren Kopf› zu behalten. Weiter stellen wir fest, dass es bei Spielen mit Alkoholverbot nicht zu weniger oder mehr Gewaltausschreitungen kommt.»
Obwohl sich die Aussagen von Polizei und Publikum ähneln, rufen Populisten immer wieder nach vermeintlich einfach umsetzbaren Verboten, welche die gesellschaftlichen Ursachen von Gewalt ausser acht lassen. Selbst die Wissenschaft konnte mittlerweile belegen, dass strengere Regeln eben nicht dazu führen, dass die Menschen weniger roh miteinander umgehen. Zuletzt haben sich US-Forscher im Oktober 2011 diesem Phänomen gewidmet.
US-Studie entlarvt Verbots-Versprechen
Das Team um den Ökonomen Erik Nesson verglich dazu die verschiedenen Gesetzgebungen in 16 US-Bundesstaat, die mal mehr und mal weniger restriktiv waren. Anschliessend fragten sie in Haushalten nach, wie oft die Personen alkoholisiert jemanden attackierten oder ob sie angegriffen wurden, als sie nicht nüchtern waren. Das Ergebnis: 16 verschiedene Anti-Alkoholgesetze hatten alle denselben Einfluss – nämlich keinen. Die Zahl der Gewaltverbrechen blieb gleich.
Neben der vermeintlichen Beruhigung der Lage ziehen die Behörden auch immer wieder den Joker «Suchtprävention». Tatsächlich nutzen einige Jugendliche das Umfeld, um die Kapazitäten ihrer Leber auf die Probe zu stellen. Doch diese Lücke lässt sich mit einer schärferen Kontrolle der (fliegenden) Händler schnell schliessen. Letztendlich ist es auch heuchlerisch, einerseits den Vorbildcharakter des Sports zu betonen und andererseits auf der VIP-Tribüne dieselbe Moral aussen vor zu lassen.
Das einzige, was jugendliche Komatrinker von ihrem Vorhaben abhält, hat besagte US-Studie ebenfalls herausgefunden. Schlucken mussten die Alk-Kids bloss, wenn der Preis für ihren Stoff erhöht wurde. Erwachsene Hochrisiko-Zuschauer müssen dagegen den schlimmsten Grottenkick ohne Schöntrinken überstehen. Na dann, Prost!
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