René Rödiger, Tagblatt Online
ST.GALLEN. Die Fanarbeit des FC St.Gallen und die User im FCSG-Forum kritisieren das Vorgehen der Staatsanwaltschaft. Sie habe die Männer, die Fahnen zum Schutz für Pyrozünder hochgehalten haben, unverhältnismässig hart bestraft.
«Unverhältnismässig und kontraproduktiv.» So bezeichnet die Fanarbeit des FC St.Gallen die Strafaktion gegen die Männer, die wegen Gehilfenschaft zur Widerhandlung gegen das Sprengstoffgesetz zu bedingten Geldstrafen verurteilt worden sind. Die Wogen gehen auch im Fan-Forum des FCSG hoch. Mindestens eine Person sei am Arbeitsplatz abgeführt worden. Und Hausdurchsuchungen seien in einem solchen Fall «absolut unverhältnismässig». Natalie Häusler, Medienbeauftragte der St.Galler Staatsanwaltschaft, nimmt zu den Vorwürfen Stellung.
Frau Häusler, das Wort «unverhältnismässig» fällt im Zusammenhang mit der Strafaktion gegen die Pyro-Beihilfe oft. Waren Hausdurchsuchungen wirklich nötig?
Natalie Häusler: Ja. Wir mussten möglichst viele Beweise sammeln, damit wir sicher sein konnten, dass wir die richtigen Personen verurteilen. Die Identifikation über die Kameras ist nur ein Teil davon. Bei Hausdurchsuchungen können wir dann zum Beispiel zusätzlich wichtige Beweismittel finden.
Und das war der Fall?
Häusler: Dazu kann ich keine Auskunft geben. Nur so viel: Wir haben viel Pyro-Material gefunden und das zeigt doch bereits, dass wir die richtigen Personen verurteilt haben.
Trotzdem: Der Besitz des Materials ist nicht verboten.
Häusler: Nein. Deswegen wurden sie ja auch nicht verurteilt. Aber die Pyros sind ein weiterer Hinweis darauf, dass wir die richtigen Leute erwischt haben.
Offenbar wurden Personen sogar am Arbeitsplatz von Polizisten abgeführt.
Häusler: Wir haben keine Personen am Arbeitsplatz abgeholt. Wir wollten Hausdurchsuchungen durchführen. Dabei kamen die Polizisten am frühen Morgen, weil wir davon ausgegangen sind, dass dann die meisten Personen zu Hause sein werden. Fünf Gesuchte konnten wir denn auch dort antreffen. Eine Person war bereits bei der Arbeit. Die Mutter dieser Person hat dann am Arbeitsplatz angerufen und gesagt, dass die Polizei ihn suche. Darauf wurde mit dem Mann vereinbart, dass die Polizei ihn ausser Sichtweite des Arbeitsplatz abhole. Im Sinne der Diskretion.
Hätten die Polizisten nicht warten können, bis der Mann von der Arbeit kommt?
Häusler: Aus verschiedenen Gründen geht das nicht. Erstens könnten sonst die anderen Personen den Mann im Vorfeld warnen und er könnte dann Beweise verstecken. Zweitens lag das auch im Interesse der übrigen Männer: Wir konnten sie erst aus der Befragung entlassen, nachdem wir alle Hausdurchsuchungen abgeschlossen hatten.
Sie sprechen von Befragung. Waren die Personen nicht in Untersuchungshaft?
Häusler: Nach der Hausdurchsuchung, bei der die Männer anwesend waren, wurden sie der Staatsanwaltschaft zur Befragung zugeführt. Natürlich geschieht das nicht freiwillig. Aber sobald alle Befragungen abgeschlossen waren, konnten sie wieder gehen. Zudem werden ihnen diese Stunden bei der Befragung als voller Tag Strafe an die Tagessätze angerechnet.
Muss jetzt jede Person, die in der Nähe von Pyro-Zündern steht und eine Fahne schwenkt, Angst vor einer Verurteilung haben?
Häusler: Natürlich nicht. Bei den Verurteilten war die Beweislage klar. Und eine Person konnte uns auch glaubhaft erklären, dass sie nichts mit der Aktion zu tun hatte. Diese Person wird freigesprochen.
Fanarbeit kritisiert Staatsanwaltschaft
Die Fanarbeit St.Gallen beurteilt das Vorgehen der Staatsanwaltschaft als wenig verhältnismässig. «Die Hausdurchsuchungen sind ein schwerwiegender Eingriff in die persönliche Freiheit der Betroffenen», sagt Thomas Weber, Stellenleiter der Fanarbeit. Er sei im Gespräch mit verschiedenen Personen, die wegen Gehilfenschaft zur Widerhandlung gegen das Sprengstoffgesetz verurteilt worden sind. Weber: «Diese Personen haben mir erzählt, wie sie morgens um 6 Uhr zu Hause abgeholt und später in Handschellen vorgeführt worden seien.» Auch wenn niemand von der Polizei vom Arbeitsplatz weggeführt worden sei, sind die Konsequenzen ähnlich: «Am Arbeitsplatz wissen die Leute selbstverständlich davon. Schliesslich mussten sie kurzfristig die Arbeitsstelle verlassen und fehlten, weil sie beim Staatsanwalt waren.» Es sei fraglich, ob in solchen Fällen das öffentliche Interesse höher zu gewichten sei als die persönliche Freiheit der Betroffenen. Dass einer der Angeklagten freigesprochen wurde, sei ein weiteres Indiz dafür. Der Fall wird laut Weber bei einem nächsten Runden Tisch bei der Stadtpolizei ein Thema sein. «Die Vehemenz der Massnahmen könnte sich nun negativ auf die Zusammenarbeit zwischen den Fans, den Behörden, der Polizei und dem Club auswirken», befürchtet Weber.
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