Das Bundesgericht heisst eine Beschwerde gegen das revidierte Genfer Gesetz über Kundgebungen auf öffentlichem Grund teilweise gut („Demonstrationen mit Gewaltpotential“)
Art. 10A des Gesetzes, der die Anordnung einer Sperrfrist von ein bis fünf Jahren gegenüber den Organisatoren einer Demonstration zulässt, verstösst gegen die Meinungs- und Versammlungsfreiheit und ist aufzuheben. Dagegen lassen sich die übrigen angefochtenen Bestimmungen des Gesetzes verfassungskonform auslegen.
Am 9. Juni 2011 beschloss der Genfer Grosse Rat eine Revision des kantonalen Gesetzes über Kundgebungen auf öffentlichem Grund („Loi sur les manifestations sur le domaine public“; LMDPu), um den Risiken von „Demonstrationen mit Gewaltpotential“ vorzubeugen. Die Communauté genevoise d'action syndicale und sechs Mitbeteiligte erhoben gegen vier der neuen Bestimmungen Beschwerde, unter Berufung insbesondere auf die Demonstrationsfreiheit (Art. 16 und 22 BV).
Das Bundesgericht ruft in seinem Urteil Tragweite und Grenzen dieses Grundrechts in Erinnerung. Es kommt zum Ergebnis, dass sich drei der neuen Bestimmungen verfassungskonform auslegen lassen, nämlich Art. 5 Abs. 4 und 5 (wonach die Organisatoren einen Ordnungsdienst vorsehen müssen), Art. 8 Abs. 2 (der ein Rückgriffsrecht des Staates gegen Schadensverursacher und schuldhafte Organisatoren vorsieht) und Art. 10 LMDPu (der eine Busse bis Fr. 100'000.-- bei nicht bewilligten Demonstrationen oder bei Nichtbeachtung von Auflagen vorsieht).
Etwas anderes gilt jedoch für Art. 10A LMDPu. Diese Bestimmung sieht die Anordnung einer Sperrfrist von ein bis fünf Jahren vor für Manifestationsgesuche gegenüber Organisatoren, welche bei einer früheren Demonstration Auflagen nicht respektiert haben. Dies gilt namentlich, wenn sich bei einem solchen früheren Anlass auch ohne Verschulden der Organisatoren schwere Personen- oder Sachschäden ereignet haben. Diese Umstände werden jedoch bereits hinreichend und verhältnismässig durch Art. 5 des Manifestationsgesetzes abgedeckt. Wenn es die Interessen zum Schutz der öffentlichen Ordnung verlangen, kann die Demonstrationsbewilligung gestützt auf eine konkrete Abschätzung der Risiken für die jeweilige Veranstaltung verweigert werden. Bei der Prüfung künftiger Gesuche sind auch allfällige schlechte Erfahrungen mit Gesuchstellern zu berücksichtigen, die frühere Demonstrationsanlässe organisiert haben, bei denen es zu einer Gefährdung der öffentlichen Ordnung kam.
Art. 10A LMDPu enhält eine Sperrfrist für künftige Demonstrationsgesuche. Eine solche Frist verletzt die wichtigen Grundrechte der Meinungs- und Informationsfreiheit (Art. 16 BV) in Verbindung mit der Versammlungsfreiheit (Art. 22 BV). Sie weist in erheblichem Mass einen verfassungswidrigen Strafcharakter auf und ist überdies unverhältnismässig.
Art. 10A LMDPu wird deshalb aufgehoben. Die Beschwerde wird teilweise gutgeheissen und im Übrigen abgewiesen.
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