Benjamin Rosch, Basellandschaftliche Zeitung
Das Rayonverbot ist die Allzweckwaffe gegen Fussball- und andere Gewalttäter. Welche Gefahren der Umgang damit birgt, zeigt ein aktueller Fall, der die Basler Justiz in den vergangenen Monaten beschäftigt ha.
Im folgenden Fall geht es um A., der zusammen mit ein paar Freunden am 26. März 2014 den Cup-Halbfinal zwischen dem FC Basel und dem FC Luzern im St. Jakob-Park besuchte. Danach ging er direkt nach Hause, was mehrere Zeugen belegen. Anders die Darstellung zweier FCL-Fans. Ihnen zufolge war A. an einer Auseinandersetzung zwischen ihnen und einigen FCB-Fans beteiligt, die am Basler Bahnhof SBB stattgefunden hat. Dort sollen die FCB-Anhänger die gegnerischen Fans zur Herausgabe ihrer Schals gezwungen haben.
Mithilfe sozialer Netzwerke und dank eines Tipps eines Zeugen recherchierten die beiden, wer das gewesen sein könnte - und kamen dabei unter anderem auf A. Sie reichten Strafanzeige ein, A. wurde vorgeladen und beteuerte seine Unschuld. Gestützt auf die Aussagen der beiden Geschädigten verhängte die Basler Kantonspolizei dennoch ein Rayonverbot von der Dauer eines Jahres.
«Damit wurde ihm untersagt, sich im erwähnten Zeitraum während Sportveranstaltungen (namentlich an sämtlichen Fussball- und Eishockeyspielen), respektive sechs Stunden vor und nach dem Anlass im Rayon gemäss einem beigelegten Plan aufzuhalten», heisst es im Urteil des Appellationsgerichts. Sämtliche Fussballspiele - das bedeutet also nicht nur jene der ersten Mannschaft des FC Basel, sondern auch vom FC Concordia, von Junioren-Teams und Frauen-Mannschaften. Die Sportanlage St. Jakob ist das grösste Sportzentrum der Schweiz. Es vergeht kaum ein Tag im Jahr, an dem dort keine Fussballspiele veranstaltet werden.
Ab Juli und bis zum Urteil des Appellationsgerichts vom 16. März war es also A. faktisch kaum möglich, ins Bethesda-Spital, ins Gartenbad oder nur schon mit dem Tram nach Muttenz zu gehen - all dies liegt in der gekennzeichneten Sperrzone. Faktisch läge sogar die Zuglinie aus Basel und die Autobahn innerhalb des Rayons. «Ich habe in dieser Zeit massive Einschränkungen erlebt. Während der Dauer eines Monats musste ich auch in der Nähe des Stadions arbeiten - an Matchtagen musste ich deshalb früher nach Hause», sagt A. gegenüber der bz. A., der nie in Zusammenhang mit Fangewalt aufgefallen war, erhielt zudem schweizweites Stadionverbot und einen Eintrag in der Hooligan-Datenbank Hoogan.
Deutliche Worte
Die Rüge des Appellationsgerichts fällt deutlich aus: «Eine derart weitgehender Eingriff in seine Bewegungsfreiheit liesse sich auch dann nicht vertreten, wenn der Verdacht sich erhärten würde, an besagtem Vorfall vom 26. März 2014 im Bahnhof Basel SBB, der eine erschreckende Gewaltbereitschaft erkennen lässt, beteiligt gewesen zu sein. Ohnehin könnte der Rekurrent wenn überhaupt nur mit einem grösseren Aufwand zweifelsfrei ermitteln, wann und wo Sportveranstaltungen im Rayon stattfinden und somit das Verbot gilt.» Dies alles, ohne dass ein Urteil in diesem Strafverfahren gegen A. rechtskräftig wäre - es wurde noch nicht einmal Anklage erhoben.
Auch zum Rayonverbot liegt kein definitiver Entscheid vor, einzig dessen aufschiebende Wirkung wurde A. nun in zweiter Instanz ermöglicht. Sogar für Auslandsreisen hatte das Urteil Folgen. Vor den Spielen gegen Ludogorets Razgrad und Liverpool wurde über den 24-Jährigen eine Ausreisebeschränkung verhängt. In diesem Fall ist ein Verfahren am Bundesverwaltungsgericht hängig. Es ist davon auszugehen, dass die Praxis bezüglich Rayonverboten in Zukunft angepasst wird: «Die Kantonspolizei Basel-Stadt prüft dieses Urteil und allfällige Konsequenzen; die Erkenntnisse werden in die künftige Arbeit einfliessen», lässt Polizeisprecher Martin Schütz verlauten.
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