Seit Ende 2008 wird der Bahnhofplatz mit Kameras überwacht. Jetzt - knapp vier Jahre später - wird publik: Die Kameras liefern unbrauchbare Bilder. Sie sollen wieder weg.
Benno Mattli, Neue Luzerner Zeitung
«Die Videoüberwachung auf dem Bahnhofplatz hat keine Verbesserung der Situation gebracht. Ausserdem haben die Bilder eine schlechte Auflösung und sind für die Fahndungsarbeit der Polizei nicht brauchbar.» Diese niederschmetternde Bilanz zu den Videokameras, welche den Bahnhofplatz seit Ende 2008 überwachen, zog die grünliberale Baudirektorin Manuela Jost am Donnerstag in unserer Zeitung, im Nachgang zu den beiden jüngsten Auseinandersetzungen vor dem KKL.
Stämmer versprach zu viel
Die Bilanz von Jost erstaunt. Denn von der Einführung der Kameras hatte sich die Stadt viel erhofft. Am 19. Mai 2008 - zwei Wochen vor der Volksabstimmung über das Reglement über die Videoüberwachung - erklärte die damalige Sicherheitsdirektorin Ursula Stämmer: «Wir versprechen uns von der Überwachung einerseits, dass sie die Leute von Gesetzesverstössen abhält, und andererseits, dass wir Fälle aufklären oder aufgrund der Bildübertragung sogar eingreifen können.»
Und jetzt, vier Jahre später, kommt Jost und sagt: «Die Ergebnisse sind deutlich, die Delikte gingen nicht zurück. Für den Steuerzahler stellt sich die Frage, wo die Stadt betreffend Sicherheit das Geld am wirkungsvollsten einsetzt.»
Wieso so schlechte Kameras?
Für den Steuerzahler stellen sich allerdings noch andere Fragen. Zum Beispiel: Wieso hat die Stadt Videokameras installiert, die Bilder in einer so schlechten Auflösung liefern, dass sie für die Fahndungsarbeit nicht brauchbar sind?
Maurice Illi von der Stelle für Sicherheitsmanagement sagt dazu: «Damals hatte man sich bewusst für analoge Kameras entschieden. Zu dieser Zeit waren qualitativ hochwertige digitale Kameras noch nicht in dem Ausmass und zu den heutigen Preisen erhältlich. Und gerade bei schlechter Beleuchtung war damals die Qualität der Digitalkameras schlechter als diejenige von Analogkameras. Dies hatte man in einem Praxistest ausgiebig geprüft.»
Anders klingt dies bei der Sicherheitsfirma Comtronic aus Stansstad, die sich damals erfolglos um den Auftrag der Stadt beworben hat. «Schon vor vier Jahren haben wir beim City-Parking am Löwenplatz in Luzern hochauflösende Digitalkameras installiert, die eine Fahndung durch die Polizei problemlos ermöglichen», sagt Geschäftsführer Jörg Kaufmann. Die Kameras seien durchaus bezahlbar gewesen und würden auch heute noch den Standards genügen.
Studie bisher unter Verschluss
Weiter stellt sich die Frage, weshalb die Stadt bis heute keine Auswertung der Videoüberwachung veröffentlicht hat. Denn in einer Antwort auf ein Ende 2008 vom Stadtparlament überwiesenes Postulat hat der Stadtrat versprochen, bis Anfang 2010 eine Studie vorzulegen, verfasst durch Michael Zehnder von der Universität Basel im Rahmen einer Dissertationsarbeit. Diese Studie ist bis heute jedoch nicht öffentlich gemacht worden - obwohl die Stadt seit langem in deren Besitz ist. Am 13. August 2011 - also vor einem Jahr - erklärte Patrick Bieri, stellvertretender Stabschef der Direktion Umwelt, Verkehr und Sicherheit: Die Studie liege intern zwar bereits vor, sei aber «sehr wissenschaftlich und muss differenziert betrachtet werden». Bieri versprach eine Veröffentlichung bis Ende 2011. Passiert ist nichts.
Zudem steht im Reglement über die Videoüberwachung: «Jährlich wird in einem öffentlich zugänglichen und angekündigten Bericht festgehalten, wie viele Videoüberwachungsinstallationen bereits bestehen, wie viele und welche Videoüberwachungsinstallationen seit dem letzten Bericht neu errichtet und wie viele und welche abgebaut wurden.»
Auf dem Internetportal der Stadt fand sich bis vorgestern allerdings erst ein einziger solcher Bericht. Er umfasst ein A4-Blatt und ist datiert vom 31. Dezember 2010, ist also fast zwei Jahre alt. Auf Nachfrage unserer Zeitung bei der Stadt wurde dann gestern flugs auch noch der Bericht 2011, der identisch ist mit dem Bericht 2010, aufgeschaltet.
Am 25. Oktober im Parlament
Immerhin: Am Mittwoch nun soll die Studie der Universität Basel endlich publik gemacht werden - knapp vier Jahre (!) nach der Einführung der Videoüberwachung und zufälligerweise (?) genau acht Tage bevor das Stadtparlament am 25. Oktober über die Abschaffung der Videokameras auf dem Bahnhofplatz sowie im Stadthaus und im Stadthauspark befindet (alle anderen Kameras bleiben). Denn diese Abschaffung ist Teil des 4-Millionen-Sparpakets.
Warum die Studie erst jetzt publiziert wird, erklärt Illi so: «Ursprünglich wollten wir sie Anfang Jahr publizieren. Weil damals aber vor allem die Strassenprostitution eine höhere Priorität einnahm, mussten wir die Publikation auf den Herbst verschieben. Zudem wollten wir die Erkenntnisse intern und mit den Beteiligten wie der Polizei diskutieren.»
«Kameras kosten zu viel»
Über den Inhalt der Studie verrät die Stadt zwar noch nichts Konkretes, aber der grüne Sicherheitsdirektor Adrian Borgula sagt im neusten «Stadtmagazin» etwa das Gleiche wie Jost: «Die abschreckende Wirkung funktioniert nicht wie erhofft, und für die Ahndung von Straftaten ist die Auflösung der Bilder zu schwach.» Das bestätigt auch Urs Wigger, Sprecher der Polizei: «Es werden keine Detailbilder von Personen gemacht», sagt er, und die Bildqualität sei «nicht optimal». Je nach Situation bestehe aber die Möglichkeit, Aussagen zu verifizieren, den Tatablauf zu rekonstruieren oder Signalementsangaben zu eruieren. «Wir führen aber keine Statistik darüber, ob dank der Kameras Straftäter überführt werden.»
Die Abschaffung der Kameras verspricht ein jährliches Sparpotenzial von 30 000 Franken. Ein Klacks übrigens im Vergleich zu dem, was die Anschaffung und die Installation der Kameras (inklusive der Erneuerung der Brandschutz-Kameras auf der Kapell- und der Spreuerbrücke) gekostet haben: 272 000 Franken.
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