Von Joël Widmer, «Sonntagszeitung»
Nach einem Urteil des Bundesgerichts haben die SBB kürzlich ihr generelles Verbot von politischen Aktionen auf SBB- Gelände abgeschafft. Im neuen Nutzungsreglement haben sie für Polit-Aktionen aber finanzielle und administrative Hürden aufgestellt und verlangen von Parteien hohe Gebühren.
Obwohl das Bundesgericht Bahnhöfe zum öffentlichen Raum erklärt hatte, verlangten die SBB vergangene Woche etwa von den Jungen Grünen für eine Unterschriftensammlung für das Asylgesetz-Referendum im Bahnhof Bern eine Gebühr von 1053 Franken. Zum Vergleich: Auf öffentlichen Plätzen in Bern sind politische Standaktionen gratis.
Die Jungen Grünen wollen die Gebühr nicht akzeptieren. «Unterschriften sammeln im öffentlichen Raum darf auf keinen Fall kostenpflichtig sein», sagt die Vizepräsidentin der Jungen Grünen Bern, Seraphine Iseli. Die Partei werde darum gegen die SBB-Bestimmungen für politische Aktionen beim Bundesamt für Verkehr eine Beschwerde einreichen. «Es ist verwerflich, dass die SBB politische Aktivitäten offensichtlich mit kommerziellen Promotionen gleichsetzen», sagt Iseli.
SBB-Specher Christian Ginsig bestätigt, dass die SBB ihr Reglement für ideelle Promotionen überarbeitet hätten: «Das Reglement tritt auf den 1. Januar 2013 in Kraft, wird aber bereits jetzt angewendet.»
«Da müssen Beamte ja mit goldenen Stempeln arbeiten»
Die Bestimmungen, welche der SonntagsZeitung vorliegen, sind prohibitiv. So müssen Parteien oder Organisationen drei Wochen zum Voraus ein Gesuch einreichen und einschränkende Verhaltensregeln beachten. Auch darf eine Partei nur einmal pro Woche und höchstens 30-mal pro Jahr im gleichen Bahnhof eine Promotion durchführen. Und letztlich verlangen die SBB für Verteil- oder Standaktionen pro Halbtag eine saftige Gebühr.
Für die grossen Bahnhöfe wie Bern oder Zürich beträgt diese 1053 Franken, in Bahnhöfen wie Chur oder Olten kostet der Halbtag 486 Franken, in mittleren und kleinen Bahnhöfe zwischen 302 und 205 Franken. «Wir verlangen eine Gebühr, weil die Bewilligungen mit einem administrativen Aufwand verbunden sind», sagt Ginsig. So müssten SBB-Leute etwa den Platz zuweisen, Strom installieren oder Müll entsorgen. Die Tarife seien deutlich tiefer als jene für kommerzielle Aktionen.
Bei den Parteien kommt die SBB-Bürokratie schlecht an. Für einmal sind sich alle von links bis rechts einig. «So geht es nicht», sagt FDP-Generalsekretär Stefan Brupbacher: «Statt sich an politischer Arbeit von Parteien zu bereichern, sollte der Staatsbetrieb SBB jene Bürokraten abbauen, die solch unsinnige Reglemente ausarbeiten.» Brupbacher will nun die SBB im Bundeshaus zur Kasse beten: «Wir sollten von den SBB-Lobbyisten in der Wandelhalle eine Bewilligung und eine saftige Gebühr verlangen.»
Auch CVP-Präsident Christophe Darbellay ist sauer: «Die SBB versuchen, sich mit diesen Tarifen über den Bundesgerichtsentscheid hinwegzusetzen.» Eine kleine Verwaltungsgebühr sei akzeptabel. «Aber bei diesen Tarifen müssen die SBB-Beamten ja mit goldenen Stempeln arbeiten.»
Für SP-Generalsekretärin Flavia Wasserfallen grenzt das SBB-Reglement an Demokratiebehinderung: «Die Fristen für eine Bewilligung sind unrealistisch und die Kosten überrissen.»
Ähnlich tönt es bei SVP-Generalsekretär Martin Baltisser: «Unterschriften sammeln muss gratis möglich sein.» Gebührenfreie Möglichkeiten sind aber laut Ginsig nicht vorgesehen.
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