Bundesrätin Widmer-Schlumpf will der Zollverwaltung Kompetenzen einräumen, die sogar der Polizei zu weit gehen
Beni Gafner, Basler Zeitung
Will sich da Finanzministerin Eveline Widmer-Schlumpf via Hintertür eine eigene (Bundes-)Polizeitruppe schaffen? Diese Frage stellt sich bei Durchsichtdes teilrevidierten Zollgesetzes, das bis Ende März in der Vernehmlassung bei Kantonen und Verbänden ist. Nach den vorgeschlagenen Gesetzesänderungen werden Grenzwächter künftig nicht mehr alleine gegen Schmuggler aller Art einschreiten dürfen. Tätig werden könnte die Zollverwaltung von Bundesrätin Widmer-Schlumpf neu in sämtlichen Bereichen, in denen gegen das Strafrecht verstossen wird.
Weil dies im Widerspruch steht zur Polizeihoheit, die streng kantonal ist, regt sich nun Widerstand - namentlich bei den Kantonspolizeikommandanten. Entsprechend kritisch fällt deren Vernehmlassungsantwort aus. Neu soll das Eidgenössische Finanzdepartement (EFD) nämlich auch mit «Nicht-Grenzkantonen» Vereinbarungen zur Übernahme von polizeilichen Aufgaben abschliessen können. Dies macht aus Sicht des Bundesrates Sinn, weil Grenzwächter auch auf Zugstrecken im Landesinnern und nicht nur im Grenzraum Personenkontrollen durchführen. Anstoss nimmt die Konferenz der Kantonalen Polizeikommandanten (KKPKS) in ihrer Vernehmlassungsantwort nun aber an der Bestimmung, wonach Grenzwächter künftig auch «im Zusammenhang mit dem Vollzug nicht zollrechtlicher Erlasse des Bundes» tätig werden können - also überall.
Grenzwächter werden Polizisten
Den Polizeikommandanten geht das zu weit, wie Thomas Würgler, Kommandant der Kantonspolizei Zürich und Präsident der KKPKS, festhält. Diese Formulierung im Polizeibereich umfasse das gesamte Strafrecht und nicht nur das Zollrecht. Somit könnten die Zollbehörden nach Einschätzung der Polizeikommandanten «in die Lage kommen, in umfassender Weise als gerichtspolizeiliche Behörde tätig werden zu dürfen». Das heisst mit anderen Worten: Grenzwächter werden zu Polizisten.
Diese Ansicht stützt der Bundesrat noch zusätzlich in seinen Erläuterungen zum neuen Gesetz. Zu lesen ist dort nämlich «das Ziel», dass der Zollverwaltung zukünftig in den Spezialgesetzen originäre Kompetenzen zur «Ahndung rechtswidriger Handlungen» übertragen werden sollen. Auf blanken Widerstand stösst bei den Polizeikommandanten eine neue Gesetzesbestimmung für die verdeckte Überwachung durch Grenzwächter. Tatsächlich erscheinen die Bestimmungen, an die sich Grenzwachtkommandant Jürg Noth künftig zu halten hätte, als marginal. Besonders im Vergleich zu den entsprechenden Regelungen für Nachrichtendienstchef Markus Seiler oder für die Polizei. Während Polizisten gemäss Strafprozessordnung für verdeckte Überwachungen stets eine richterliche Genehmigung brauchen, müsste nach dem neuen Nachrichtendienstgesetz Markus Seiler für die heikle präventive Überwachung eine Bewilligung bei seinem Departementschef einholen - und zusätzlich auch beim Bundesverwaltungsgericht.
Demgegenüber könnte die Oberzolldirektion tatsächlich in eigener Kompetenz handeln. Während die Polizei gemäss Strafprozessordnung ausschliesslich bei Verbrechen und Vergehen verdeckt überwachen darf, könnte die Grenzwache sogar dann verdeckt überwachen, wenn jemand nur eine Übertretung begangen hat.
Eingriff in die Grundrechte
«Dem Versuch, der Zollverwaltung noch weitergehende Eingriffe in die Polizeihoheit der Kantone zu ermöglichen, ist Einhalt zu gebieten», schreiben die Polizeikommandanten dazu unmissverständlich. Und weiter: Verdeckte Überwachungen stellten einen schweren Eingriff in die verfassungsmässig garantierten Grundrechte dar. Wolle man der Zollverwaltung tatsächlich diese Kompetenz geben, «so wäre diese minimal auf Verbrechen und Vergehen zu beschränken und keinesfalls auf Übertretungen zuzulassen». Nach Ansicht der Polizei sollen Grenzwächter sogar nur bei Zollwiderhandlungen überwachen. Solche Massnahmen sollen zudem «zwingend» von einer unabhängigen Instanz genehmigt werden.
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