Telefonkontakte zwischen Journalisten und Beamten wurden gezielt registrier

17. Mai 2009

Bedeutet die Kontrolle des Telefon- und E-Mail-Verkehrs zwischen Bundesangestellten und Journalisten das «Ende des Rechtsstaats», wie SVP-Nationalrat Christoph Mörgeli an einer Medienkonferenz am Freitag insinuierte?

Oder entsprechen die von ihm kritisierten Vorgänge den rechtmässigen Gepflogenheiten einer Strafverfolgungsbehörde?

Mörgeli hat Dokumente aus einem Verfahren gegen unbekannt wegen Amtsgeheimnisverletzung im «Fall Ramos» veröffentlicht. Alberto Fabbri liess 2006 in seiner damaligen Funktion als Staatsanwalt des Bundes prüfen, ob Mitarbeiter der Bundeskriminalpolizei Telefon- und E-Mail-Kontakt zu Journalisten von Sonntags-Zeitung, «Facts» und «Weltwoche» hatten.

Die Prüfung ausgeführt hatten Mitarbeiter des Chefs der Bundeskriminalpolizei Kurt Blöchlinger. Dieser stand damals wegen fragwürdiger Ermittlungen gegen den Bankier Oskar Hollenweger in der Kritik der Medien. Für Mörgeli passt das Vorgehen Blöchlingers und Fabbris «zum Gesamtbild der Strafverfolgungsbehörden, die tun und lassen, was sie wollen».

Freilich gab es im Justizdepartement bereits zu dieser Zeit ein Gutachten, das die fragliche Telefon- und E-Mail-Kontrolle legitimierte. Die Analyse in Auftrag gegeben hatte pikanterweise SVP-Bundesrat und Mörgeli-Freund Christoph Blocher.

Daten wurden direkt bei der «Telefonzentrale» beschafft

Das Gutachten vom 20. Oktober 2005 besagt, dass die Telefonnummern und E-Mail-Adressen von Bundesmitarbeitern überprüft werden können, ohne dass das Bundesgesetz über die Überwachung des Post- und Fernmeldeverkehrs (Büpf) zur Anwendung kommt.

Die Bundesanwaltschaft wandte dabei einen juristischen Kniff an: Sie gelangte direkt an das Bundesamt für Informatik und Telekommunikation, welchem die Telefonrechnungen des Bundes mitsamt Verbindungsdaten zur Verfügung stehen. Anders als für ein ordentliches Abhörverfahren sei für einen solchen Datentransfer zwischen Ämtern eine richterliche Genehmigung nicht nötig, befanden Blochers Juristen.

Zustimmung signalisiert der Eidgenössische Datenschutzbeauftragte Hanspeter Thür: «Ein Arbeitgeber kann grundsätzlich kontrollieren, ob seine Mitarbeiter die ihnen zur Verfügung gestellten Arbeitswerkzeuge korrekt einsetzen.» Eine solche Überprüfung fällt seiner Ansicht nach «nicht unter das Büpf».

Doch es gibt auch gegenteilige Einschätzungen. Der St. Galler Staatsanwalt und Büpf-Experte Thomas Hansjakob etwa sagt: «Wenn mit einer solchen Datenerhebung faktisch die gleichen Informationen erhältlich sind wie mit einer Telefonüberwachung, kann man sich auf den Standpunkt stellen, dass das Bewilligungsverfahren nach Büpf durchzuführen ist.» Er habe deshalb in einem ähnlichen Verfahren «kürzlich zur Vorsicht geraten»: Im Zweifel solle stets die Bewilligung einer richterlichen Behörde eingeholt werden.

Parlamentarischer Vorstoss soll Klärung schaffen

Noch deutlicher äussert sich der Zürcher Nationalrat Daniel Vischer von den Grünen: «Das Vorgehen der Bundesanwaltschaft war unzulässig, weil damit das Telefonabhörgesetz unterlaufen wurde.» Ausserdem gehe es hier um eine Fahndungsmethode, die normalerweise nur bei schwerer Kriminalität zum Einsatz komme, sagt Vischer. In einem Fall von Amtsgeheimnisverletzung sei sie unverhältnismässig.

Für die Baselbieter SP-Nationalrätin Susanne Leutenegger Oberholzer ist «das Ganze ein rechtlicher Grenzfall». Sie will mit einem parlamentarischen Vorstoss Klärung schaffen.

In einem Entscheid vom 5. April 2000 hat das Bundesgericht klar festgehalten, dass Strafverfolgungsbehörden für alle Eingriffe ins Fernmeldegeheimnis eine richterliche Genehmigung benötigen (Erwägung 6 b, Seite 9).

 

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