Schweiz sammelt intensiv Daten von Flugpassagieren

11. Juli 2017

Aus dem Jahresbericht 2015 der GPDel ist ersichtlich, dass ab dem Jahr 2012 ein markanter Anstieg der API-Daten (Advance Passenger Information), welche der NDB auswertet, zu verzeichnen ist. Von knapp 9,000 Datensätzen im Jahr 2011 explodierte diese Zahl förmlich auf über 500,000 Datensätze jährlich, weil statt lediglich Informationen über Staatsangehörige des Landes, aus welchem der Flug erfolgt, Daten über alle Passagiere eines Fluges, insbesondere auch über solche mit Schweizer Pass, erhoben wurden. Meldepflichtig waren Flüge von Dubai, Dar es Salaam, Nairobi, Pristina, Istanbul, Moskau, Casablanca, Marrakech, Abu Dhabi, Doha, São Paulo, Peking und Shanghai in die Schweiz, seit Ende Oktober 2016 auch Flüge von Delhi, Hong Kong, Mumbai, Muscat und Singapur.

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Hauptsitz SEM, Quellenweg 6, Wabern

Am 11. Juli 2017 erschien im Bundesblatt eine Anhörung des Staatssekretariats für Migration (SEM): Ab Oktober/ November 2017 sollen auch Flüge ex Algier, Belgrad, Johannesburg, Kairo, Kapstadt, Montreal, Rio de Janeiro, Toronto und Tunis der Meldepflicht unterstellt werden.

Gemäss der Luftverkehrsstatistik (Linien- und Charterverkehr für das 1. Quartal 2017, Bundesamt für Statistik vom Juni 2017) flogen von Januar 2017 bis März 2017 141,550 Passagiere von diesen Destinationen in die Schweiz (Belgrad 44,416, Algier 6,123, Johannesburg 17,337, Kapstadt 7,606, Kairo 10,898, Tunis 7,584, Montreal 13,597, Toronto 27,344 und Rio De Janeiro 6,648). Auf ein Jahr hochgerechnet ergibt sich ein Total von 566,200 Datensätzen, welche zusätzlich durch den NDB ausgewertet werden sollen. Ab dem Jahr 2018 sind somit total mehr als Eineinhalb Millionen Datensätze zu erwarten.

Noch Ende Juni 2016 hat der Bundesrat im Bericht zur geplanten gesetzlichen Grundlage für die Erfassung von API-Daten dargelegt, dass keine weiteren Destinationen für diese Meldepflicht vorgesehen seien. Dieses Versprechen wird jetzt bereits zum zweiten Mal gebrochen, bevor diese Vorlage ins Parlament gekommen ist.

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Etwas seriöser als in der Schweiz wird in der EU mir der Privatsphäre der Bürger umgegangen: Die Europäische Union und Kanada haben im Jahr 2014 ein Abkommen über die Übermittlung und Verarbeitung von Fluggastdatensätzen (Passenger Name Records - PNR) ausgehandelt. Das Europäische Parlament hat den Europäischen Gerichtshof EuGH angerufen, um Aufschluss darüber zu erhalten, ob das geplante Abkommen mit dem Unionsrecht vereinbar ist. Der EuGH entschied am 26. Juli 2017, dass das geplante Abkommen in seiner jetzigen Form nicht geschlossen werden darf, weil mehrere seiner Bestimmungen nicht mit den von der Union anerkannten Grundrechten vereinbar sind.

Mehrere Bestimmungen des Abkommens beschränken sich nicht auf das absolut Notwendige. Dies betrifft etwa die Übermittlung sensibler Daten (zu denen sämtliche Informationen gehören, aus denen «die rassische oder ethnische Herkunft, politische Meinungen, religiöse oder philosophische Überzeugungen oder die Gewerkschaftszugehörigkeit» hervorgehen oder die «Gesundheit oder Sexualleben einer Person» betreffen). Zur Verwendung der PNR-Daten während des Aufenthalts der Fluggäste in Kanada stellt der Gerichtshof fest, dass den Fluggästen nach der Überprüfung die Einreise in das kanadische Hoheitsgebiet gestattet wurde, so dass eine Verwendung der Daten während ihres Aufenthalts in Kanada auf neue Umstände gestützt werden muss, die eine solche Verwendung rechtfertigen. Zudem muss eine Verwendung der Daten nach der Einreise in Kanada einer richterlichen Genehmigung unterliegen. Bei Fluggästen, bei denen eine Gefahr im Bereich des Terrorismus oder grenzübergreifender schwerer Kriminalität weder bei ihrer Ankunft in Kanada noch bis zu ihrer Ausreise aus diesem Land festgestellt wurde, rechtfertigt sich nach ihrer Ausreise die Speicherung der Daten nicht mehr. Der Gerichtshof stellt weiter fest, dass das Abkommen vorsehen muss, dass die PNR-Daten von den kanadischen Behörden nur dann an die Behörden eines Nicht-EU-Lands weitergegeben werden dürfen, wenn es ein dem geplanten Abkommen äquivalentes Abkommen zwischen der Union und dem betreffenden Land oder einen Beschluss der Europäischen Kommission in diesem Bereich gibt.

 

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