Nach der Protestaktion: Juso überlegt sich weitere Schritte

29. Januar 2013

Von Janina Gehrig, Der Bund

Der Gemeinderat von Kehrsatz hält am umstrittenen «Jugendschutzartikel» fest, relativiert diesen aber. Die Juso überlegt sich weitere Schritte gegen das Reglement.

Kaum 20 Minuten Zeit nahm sich der Gemeinderat von Kehrsatz, um zum umstrittenen «Jugendschutzartikel» Stellung zu nehmen. Nach einer Protestaktion vom vergangenen Freitag war die Kehrsatzer Ausgangssperre für Jugendliche zu einem nationalen Thema geworden. Der Gemeinderat sah sich gezwungen, sich den Medien gegenüber zu erklären

«Der Gemeinderat hält am Reglement fest», sagte Gemeindepräsidentin Katharina Annen (FDP). Gleichzeitig relativierte sie das beschlossene Reglement. Von einer Ausgangssperre könne nicht die Rede sein. «Schliesslich trifft das Reglement nur eine Minderheit.» Und zwar jene, die Probleme wie Nachtruhestörung, Littering oder Vandalenakte verursachten. «Jugendliche, die keine Sachbeschädigungen machen, sind vom Gesetz nicht betroffen», sagte Annen.

«Platz picobello hinterlassen»

Am Freitag hatte die Juso Stadt Bern rund 150 Jugendliche aus Kehrsatz und den umliegenden Gemeinden auf dem Dorfschulhausplatz versammelt, um gegen den per 1. Januar in Kraft getretenen Artikel zu demonstrieren. Das neue Reglement verbietet es unter 16-Jährigen, sich zwischen 22 und 6 Uhr «ohne Begleitung ihrer Sorgeverantwortlichen oder erwachsener Aufsichtsperson» im öffentlichen Raum aufzuhalten. Für die Juso stellt diese «Ausgangssperre» eine «sinnlose Unterdrückung einer Randgruppe» dar.

Die Protestaktion sei «reibungslos» verlaufen, wofür sich der Gemeinderat bei den Organisatoren bedanke, sagte Annen. Sie hätten die Sicherheit gewährleistet und den Platz «picobello» hinterlassen. Hingegen zeigte sich Annen erstaunt über das grosse Medienecho, das der Entscheid über das neue Reglement ausgelöst habe. Schliesslich sei der «Jugendschutzartikel» damals, am 10. Dezember 2012, an der Gemeindeversammlung mit nur einer Gegenstimme und diskussionslos genehmigt worden.

«Mit Befremden nehmen wir zur Kenntnis, dass Kehrsatz an den Pranger gestellt wird, obwohl bereits viele andere Gemeinden solche Bestimmungen anwenden.» Ähnliche Vorschriften gibt es etwa in Interlaken, Ins und Kerzers.

Jugendzentrum wird geprüft

Um das Reglement in Kehrsatz umzusetzen, hat die Gemeinde den Sicherheitsdienst Broncos engagiert. «Mit den Broncos haben wir sehr positive Erfahrungen gemacht», sagte Annen. Bereits seit zwei Jahren patrouillieren sie versuchsweise in der Gemeinde. Seither seien die Sachbeschädigungen weniger geworden. Auf die Frage, warum trotz der entspannten Lage ein Reglement eingeführt worden sei, sagte Annen: «Uns ging es darum, eine Handhabe zu haben. Dank des neuen Gesetzes können wir fehlbare Jugendliche und deren Eltern nun in die Verantwortung nehmen.»

Die Forderung der Juso, ein Jugendzentrum in Kehrsatz aufzubauen, werde man anschauen. Das Vorhaben sei aber schon einmal gescheitert, weil das Interesse der Jugendlichen gefehlt habe. Nichtsdestotrotz werde der Gemeinderat in den nächsten Wochen den Kontakt zu den Jugendlichen suchen und auch mit Eltern und Schulleitungen diskutieren. Nun sei in der Sache alles gesagt. «Wir werden uns jetzt wieder den Alltagsgeschäften widmen und keine weiteren Medienanfragen bezüglich Jugendschutzartikel mehr beantworten», sagte Annen zum Schluss.

«Schwammig und nicht greifbar»

Felix Graf, Mediensprecher der Juso Stadt Bern, lässt die Argumentation des Gemeinderats Kehrsatz nicht gelten, der «Jugendschutzartikel» betreffe lediglich eine Minderheit von Jugendlichen - nämlich jene, die Probleme bereiteten. «Diese Interpretation des Gemeinderates ist schwammig und nicht greifbar. Und vor allem steht sie so nicht im Reglement.» So bleibe auch für die Sicherheitsleute der Broncos ein Interpretationsspielraum offen.

Die Juso anerkenne den demokratischen Entscheid der Gemeindeversammlung, die das Reglement für öffentliche Sicherheit im vergangenen Dezember genehmigt hatte. Die Juso wolle den unter 16-Jährigen aber weiterhin eine Stimme geben. Vertreter der Partei würden sich im Verlaufe der nächsten Wochen nochmals mit den Jugendlichen aus Kehrsatz treffen und deren Meinungen und Anliegen anhören.

Drei Möglichkeiten

Weiter sieht Graf drei Möglichkeiten, um gegen das bestehende Reglement vorzugehen. Am ehesten werde die Juso wohl eine Petition einreichen, damit das Gesetz erneut traktandiert werde. Eine Initiative oder rechtliche Mittel würden ebenfalls geprüft. Schliesslich sei im Jahr 2009 im zürcherischen Dänikon ein Präzedenzfall geschaffen worden. Ein Versammlungsverbot für schulpflichtige Jugendliche war vom Zürcher Verwaltungsgericht als verfassungswidrig erklärt worden. «Wir bleiben am Ball und werden nicht aufgeben, bis das Gesetz gebodigt ist», sagt Graf.

 

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