René Donzé, NZZ am Sonntag
Die Skepsis gegen staatliche Eingriffe in die Privatsphäre ist gross in der Schweiz. Das bestärkt die Jungparteien im Kampf gegen Staatstrojaner.
Am Montag kommt es zum Gipfeltreffen der Schweizer Jungparteien in Olten. Dort beraten sie das weitere Vorgehen im Kampf gegen das Bundesgesetz über die Überwachung des Post- und Fernmeldeverkehrs (Büpf). Dieses erlaubt dem Staat im Rahmen von Strafuntersuchungen auf privaten Computern Programme einzuschleusen, sogenannte Staatstrojaner. Damit kann verschlüsselte Kommunikation überwacht werden. Und es soll Anbieter von Telekom-Dienstleistungen verpflichten, Daten zu Telefon- und Internetnutzung 12 statt wie bisher 6 Monate zu speichern.
Das Gesetz ist bereits vom Ständerat verabschiedet worden und hat gute Chancen, auch den Nationalrat zu passieren. «Wir wollen das Büpf mit allen Mitteln bekämpfen», sagt dagegen Juso-Präsident Fabian Molina. Die Opposition ist gross: Nebst allen Jungparteien . ausser der Jungen CVP . würden auch die Grünen sowie zahlreiche Organisationen und Unternehmen der IT-Branche ein Referendum unterstützen. «Ich musste einen grösseren Saal für das Treffen organisieren», sagt Anian Liebrand, Präsident der Jungen SVP.
Die Skepsis gegenüber der staatlichen Überwachung ist nicht nur bei den Jungen verbreitet. Dies geht aus einer internationalen Studie im Auftrag der Europäischen Kommission hervor. In neun Ländern wurden ausgewählte Einwohner zu Diskussionsforen eingeladen, an denen ihre Haltung zum Einsatz von Sicherheitstechnologien erforscht wurde. In der Schweiz waren es je Sprachregion 75 bis 90 Personen. Dabei zeigte sich: Die Schweizer sind besonders vorsichtig, wenn es um die Überwachung der Bevölkerung zu Sicherheitszwecken geht. Bloss rund 38 Prozent befürworten dies. In England sind es doppelt so viele (Grafik). Nur in Deutschland sind die Einwohner noch skeptischer, wohl unter dem Eindruck der Stasi-Vergangenheit des Ostens.
Sicherheit nährt Skepsis
«Die starke Ablehnung in der Schweiz hat mich überrascht», sagt der Zürcher Datenschutzbeauftragte Bruno Baeriswyl, der im Beirat der Schweizer Erhebung sitzt. Organisiert wurde die Befragung durch TA-Swiss, das Zentrum für Technologiefolgen-Abschätzung der Akademien der Wissenschaften. Bemerkenswert ist, dass die ablehnende Haltung einhergeht mit einem hohen generellen Sicherheitsempfinden. 85 Prozent gaben an, dass sie sich in der Schweiz sicher fühlen. Der Durchschnitt aller Länder liegt nur bei 66 Prozent. Am wenigsten beschützt sehen sich Ungarn (31 %) und Italiener (43 %). «Wer sich im eigenen Land sicher wähnt, ist gegenüber staatlicher Überwachung offenbar eher skeptisch», steht in der Schweizer Auswertung. Allerdings liegt das Sicherheitsgefühl in Dänemark und Norwegen mit rund 90 Prozent am höchsten, dennoch ist dort auch die Zustimmung zur Überwachung hoch.
In der Schweiz hingegen stimmt der Trend: Die Deutschschweizer fühlen sich am sichersten und lehnen staatliche Überwachung auch am stärksten ab. Zudem befürchten 80 Prozent, dass der Einsatz von Überwachungstechnologien die Privatsphäre aushöhlt, in der Romandie sind es 77 und im Tessin nur 69 Prozent. Nicht einverstanden sind die Schweizer mit dem oft gehörten Argument, wer nichts zu verbergen habe, brauche Überwachung nicht zu fürchten. Das verwarfen 64 Prozent . gegenüber 51 Prozent im internationalen Durchschnitt. «Ich vermute, dass bei persönlichem Unsicherheitsempfinden das Bedürfnis nach Kontrolle steigt», sagt Baeriswyl. Allerdings könne auch das Umgekehrte passieren: «Baut ein Staat die Kontrolle zu stark aus, kann das Vertrauen in ihn schwinden.»
Die Befragungen werden nun im Detail ausgewertet. Der Schweizer Bericht wird im September vorliegen und im November zusammen mit der europäischen Auswertung an einer internationalen Konferenz in Wien vorgestellt. «Der Bericht soll Entscheidungsträgern in der Politik als Grundlage dienen bei der künftigen Gestaltung von Gesetzen», sagt TA-Swiss-Sprecherin Christine D’Anna. Auch in Bern ist eine Präsentation geplant.
Referendum kommt
Voraussichtlich im September wird sich auch die Rechtskommission des Nationalrates mit dem Büpf befassen. Es dürfte in der Wintersession in den Rat kommen. Der grüne Nationalrat Daniel Vischer macht sich wenig Hoffnungen, dass die beiden umstrittenen Punkte . Staatstrojaner und Aufzeichnungspflicht . noch angepasst werden. «Damit ist ein Referendum so gut wie sicher», sagt Vischer.
Auch die Jungpartei-Präsidenten rechnen nicht mehr mit einer Wende. Darum werden sie am Montag bereits an die Organisation des Referendums gehen. Juso-Chef Molina will sich in den nächsten Monaten «dafür einsetzen», dass auch die Mutterpartei SP noch die Meinung wechselt. Derzeit ist die SP-Fraktion für das Büpf. Liebrand hofft auf eine Unterstützung der SVP-Basis für das Referendum: «Das passt ideal zu unserer staatskritischen Haltung.» Die Resultate der TA-Swiss-Studie lassen seine Hoffnung auf Erfolg weiter steigen.
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