Boas Ruh, NZZ
Das Mädchen muss doch keine Strafe zahlen. Nun wird die Altersregelung schweizweit überdacht..
Der Entscheid sorgte für Unverständnis. Ein fünfjähriges Mädchen hatte in Schaffhausen eine Busse erhalten, weil es ohne Billett mit seiner zehn Jahre alten Schwester Bus gefahren war. Zwar reisen Kinder unter sechs Jahren in der Regel kostenlos. Eine Tarifbestimmung aber verlangt, dass die Begleitperson mindestens zwölf Jahre alt sein muss.
Wäre die Schwester also nur zwei Jahre älter gewesen, hätte sich das kleine Mädchen nichts zuschulden kommen lassen. So aber war für die Verkehrsbetriebe Schaffhausen der Fall klar: Regelverletzung, keine Gnade, 100 Franken Busse..
Das Schaffhauser Busunternehmen blieb hart. Auch als am Donnerstag - rund sechs Wochen nach dem Vorfall - die Konsumentensendung «Espresso» von Radio SRF den Fall publik machte. Die Mutter der beiden Kinder beklagt sich über die bürokratische Altersregelung. Es sei unverhältnismässig, einem fünfjährigen Mädchen eine Büsse über 100 Franken auszustellen. Zwar hatten die Verkehrsbetriebe den Zuschlag auf 50 Franken reduziert, die Empörung aber blieb.
Das Unternehmen pochte beharrlich auf das Regelbuch. Man habe alles richtig gemacht, der Taxzuschlag sei gerechtfertigt. Dies bestätigt auch die Branchenorganisation CH-Direct, welche die Tarifbestimmungen festlegt. Doch dort hat man nun den Handlungsbedarf erkannt. «Wir haben von CH-Direct die Anweisung erhalten, den Fall zu stornieren», sagt Christoph Wahrenberger, Sprecher der Verkehrsbetriebe Schaffhausen. «Ich treffe mich nächste Woche mit der Familie. Wir geben ihnen das Geld zurück.»
Das Mädchen wird also keinen Eintrag im nationalen Schwarzfahrer-Register erhalten. In diesem sind bereits mehrere Kleinkinder registriert. So haben dort drei Dreijährige, zwei Vierjährige und zehn Fünfjährige einen Eintrag, wie die Zeitungen von CH-Media berichteten.
Transportunternehmen haben bei der Anwendung der Tarifbestimmungen einen gewissen Ermessensspielraum. Nicht alle ziehen die Bestimmungen so strikt durch wie die Schaffhauser. SBB und Postauto betonen, dass ihr Kontrollpersonal bei Kindern mit Augenmass und gesundem Menschenverstand vorgehe.
Doch auch das Regelwerk selber kommt nun ins Wanken. CH-Direct-Geschäftsführer Helmut Eichhorn sagt: «Es stellt sich die Frage, ob die Grenze von zwölf Jahren noch sinnvoll ist.» Er glaubt zudem, dass diese Regelung nicht mehr allen bekannt ist. CH-Direct will nun die Altersregelung prüfen und deren Begründung klären.
Bis dies geschehen ist, bleiben Fragen offen. Die Verkehrsbetriebe Schaffhausen verlangen von CH-Direct eine Anleitung, wie man bis zu einer allfälligen Tarifrevision vorgehen soll. Bis dahin würden die Kontrolleure in Schaffhausen bei einem erneuten Vorfall gleich reagieren. «Ich hoffe aber nicht, dass es nochmals passiert», sagt Mediensprecher Wahrenberger. In einem solchen Fall werde man den erwischten Kindern künftig wohl sagen, dass sich ihre Eltern beim Busunternehmen melden sollten.
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