Unmittelbar nachdem der Beschuldigte von einem Wirt wegen eines Streites mit den Kellnerinnen aus dem Wirtshaus gewiesen worden war, verwickelte er am 27. August 2009 abends den Automobilisten A beim Überqueren eines Fussgängerstreifens in eine Auseinandersetzung. Als der nachfolgende Automobilist B dazwischentrat und den Beschuldigten wegschob, spürte B etwas am Hals, wich reflexartig zurück und sah erst jetzt das Taschenmesser in der Hand des Beschuldigten. B erlitt eine Hautdurchtrennung am Hals von 3,8 cm Länge, welche mit sechs Einzelknopfnähten hat verschlossen werden müssen.
Die Staatsanwaltschaft des Kantons Basel-Stadt klagte den Beschuldigten unter anderem wegen versuchter vorsätzlicher Tötung an.
Das Strafgericht Basel-Stadt verurteilte den Beschuldigten wegen Gefährdung des Lebens, einfacher Körperverletzung mit einem gefährlichen Gegenstand, mehrfacher Nötigung und mehrfachen Konsums von Betäubungsmitteln zu 5 Jahren Freiheitsstrafe.
Das Appellationsgericht des Kantons Basel-Stadt bestätigte auf Appellation der Staatsanwaltschaft das strafgerichtliche Urteil im Schuld- sowie Strafpunkt und verwahrte den Beschuldigten gemäss Art. 64 Abs. 1 lit. b StGB.
Der Beschuldigte erhob beim Bundesgericht Beschwerde in Strafsachen mit dem Antrag, von einer Verwahrung abzusehen. Er machte geltend, Art. 64 Abs. 1 StGB setze neben einer Katalogtat voraus, dass der Täter die physische, psychische oder sexuelle Integrität einer anderen Person schwer beeinträchtigt hat oder beeinträchtigen wollte. Das Opfer B habe objektiv wie subjektiv keine schwere Beeinträchtigung erlitten. Anders als die Vorinstanz habe das Strafgericht eine Verwahrung zu Recht als unverhältnismässig angesehen.
Das Bundesgericht wies die Beschwerde ab.
Im Zusammenhang mit der Initiative «Lebenslange Verwahrung für nicht therapierbare, extrem gefährliche Sexual- und Gewaltstraftäter» wurde mit der Botschaft zur Änderung des Schweizerischen Strafgesetzbuches vom 23. November 2005 auch die «normale» Verwahrung neu geregelt, insbesondere wurde als Anlasstat für eine Verwahrung ein mit einer Höchststrafe von mindestens fünf Jahren (anstatt wie bisher zehn Jahren) bedrohtes Verbrechen vorgesehen. Die AG «Verwahrung» schlug in ihrem Bericht vor, zur Charakterisierung der Gefährlichkeit des Täters den Akzent hauptsächlich auf die Prognose zu verlagern und die Schwere der Anlasstat als Indiz für die Gefährlichkeit in den Hintergrund treten zu lassen. Nach Kritik in der Vernehmlassung ist der Bundesrat aber bewusst von diesem Vorschlag abgewichen. Gemäss Botschaft (Seite 4708) sollen nur schwere Formen dieser Anlasstaten zu einer Verwahrung führen, was durch ein Zusatzkriterium mit der an das Opferhilfegesetz angelehnten Formulierung «durch die er die physische, psychische oder sexuelle Integrität einer andern Person schwer beeinträchtigt hat oder beeinträchtigen wollte» zum Ausdruck kommt. Die Maximalstrafe für «Gefährdung des Lebens» beträgt fünf Jahre, vor der Änderung des Strafgesetzbuches wäre keine Verwahrung möglich gewesen.
Vor diesem Hintergrund ist Kritik am Urteil angebracht:
In Erwägung 1.4 folgert das Gericht: «Nach Feststellungen des Strafgerichts, auf welche die Vorinstanz verweist, handelte der Beschwerdeführer aus absolut nichtigem Anlass äusserst gewalttätig. Es hätte jede zufällig seinen Weg kreuzende Person treffen können.» Das Strafgericht stellte aber fest, dass das Opfer B zwischen den Beschuldigten und A trat und den Beschuldigten wegschob. Von einem absolut nichtigen Anlass kann keine Rede sein, viel mehr hat das Opfer aktiv eingegriffen. Daher ist auch unzutreffend, dass es jede zufällig den Weg kreuzende Person hätte treffen können. Zudem wird unter «äusserst gewalttätig» etwa verstanden, dass ein Täter seinen Angriff fortsetzt, auch wenn das Opfer bereits wehrlos am Boden liegt.
Ebenfalls in Erwägung 1.4 kommt das Bundesgericht auf abenteuerliche Weise zum Schluss, dass der Zusatz «durch die er die physische, psychische oder sexuelle Integrität einer andern Person schwer beeinträchtigt hat oder beeinträchtigen wollte» im Gesetzestext nicht massgebend sei. Wörtlich: «Für die Verwahrung letztlich auf eine ungewöhnlich robuste psychische Konstitution oder auf die "Empfindlichkeit" des Opfers abzustellen, widerspricht Sinn und Zweck von Art. 64 StGB.». In der Botschaft vom 29. Juni 2005 steht aber klar: «Der Bundesrat verzichtet weder auf einen Katalog der wichtigsten Anlasstaten, noch weitet er diese auch auf Vergehen aus. Er schlägt aber sowohl eine Erweiterung wie eine Einschränkung der Auffangklausel, die den Anlasstatenkatlog ergänzt, vor. So sollen als Anlasstaten für die Verwahrung neben den aufgezählten Delikten nicht nur Verbrechen genügen, die mit einer Höchststrafe von mindestens 10 Jahren bedroht sind, sondern schon solche, die mit einer Höchststrafe von mindestens 5 Jahren bedroht sind. Um diese Öffnung in Grenzen zu halten, wird die Klausel anderseits auf Verbrechen eingeschränkt, mit denen die Täter die physische, psychische oder sexuelle Integrität ihrer Opfer schwer beeinträchtigten oder beeinträchtigen wollten.»
Im Endeffekt ergibt sich, dass der Beschuldigte wegen einer einfachen Körperverletzung, welche obendrein vom Opfer provoziert wurde, verwahrt wird.
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