Bundesgericht
Tribunal fédéral
Tribunale federale
Tribunal federal
6B_719/2018
Urteil vom 25. September 2019
Strafrechtliche Abteilung
Besetzung
Bundesrichter Denys, Präsident,
Bundesrichterin Jacquemoud-Rossari,
Bundesrichter Oberholzer,
Gerichtsschreiberin Rohrer.
Verfahrensbeteiligte
X.,
vertreten durch Advokatin Dr. Dorrit Freund, Spalenring 150, 4009 Basel,
Beschwerdeführer,
gegen
1. Staatsanwaltschaft des Kantons Basel-Stadt, Binningerstrasse 21, 4051 Basel,
2. A.,
vertreten durch Advokat Christian Möcklin,
Beschwerdegegnerinnen.
Gegenstand
Gültiger Strafantrag, (Fahrlässige Körperverletzung)
Beschwerde gegen das Urteil des Appellationsgerichts des Kantons Basel-Stadt, Dreiergericht, vom 6. Juni 2018 (SB.2017.91).
Sachverhalt:
A.
Die Staatsanwaltschaft des Kantons Basel-Stadt wirft X. zusammengefasst vor, am 18. Oktober 2013 aus einem stehenden Personenwagen die Beifahrertüre geöffnet und dabei die von hinten mit ihrem Fahrrad herannahende A. übersehen zu haben. Infolgedessen sei es zur Kollision zwischen Autotüre und Fahrrad gekommen, wobei A. gestürzt sei und ein Hämatom an der rechten Hüfte und an der linken Schulter erlitten habe.
B.
Mit Urteil vom 25. April 2017 sprach das Einzelgericht in Strafsachen des Kantons Basel-Stadt X. der fahrlässigen Körperverletzung für schuldig und verurteilte ihn zu einer bedingten Geldstrafe von 30 Tagessätzen zu je Fr. 70.- bei einer Probezeit von zwei Jahren. Die Schadenersatzforderung von A. verwies es auf den Zivilweg. Auf deren Genugtuungsforderung trat es nicht ein.
C.
Auf Berufung von X. und Anschlussberufung von A. bestätigte das Appellationsgericht des Kantons Basel-Stadt am 6. Juni 2018 das erstinstanzliche Urteil sowohl im Schuld- und im Strafpunkt als auch in Bezug auf die geltend gemachte Schadenersatzforderung. Die Genugtuungsforderung von A. wies es ab.
D.
X. erhebt Beschwerde in Strafsachen. Er beantragt, das Urteil des Appellationsgerichts des Kantons Basel-Stadt vom 6. Juni 2018 sei vollumfänglich aufzuheben und er sei von Schuld und Strafe freizusprechen.
E.
Das Appellationsgericht des Kantons Basel-Stadt beantragt die Abweisung der Beschwerde und verzichtet im Übrigen auf eine Vernehmlassung. Die Staatsanwaltschaft des Kantons-Basel Stadt lässt sich innert Frist nicht vernehmen. A. lässt sich vernehmen und beantragt, die Beschwerde sei abzuweisen.
Erwägungen:
1.
1.1. Der Beschwerdeführer macht zusammengefasst geltend, es liege kein gültiger Strafantrag im Sinne von Art. 30 StGB vor, weshalb seine Verurteilung wegen fahrlässiger Körperverletzung gemäss Art. 125 Abs. 1 StGB bundesrechtswidrig sei. Zwar habe die Beschwerdegegnerin 2 ihren Unfall bei der Polizei zur Anzeige gebracht. Ein Strafantrag sei jedoch nicht protokolliert worden, was gemäss Art. 76 StPO indes notwendig gewesen wäre. Nur das Abstellen auf das Protokoll bzw. auf das Strafantragsformular gestatte die Ermittlung des Willens der Beschwerdegegnerin 2. Vorliegend müsse davon ausgegangen werden, dass diese keinen Strafantrag gestellt habe (vgl. Beschwerde S. 5 ff.).
1.2. Die Vorinstanz erwägt, die Beschwerdegegnerin 2 habe nach dem Verkehrsunfall vom 18. Oktober 2013 versucht, den Beschwerdeführer telefonisch zu erreichen, um die Reparaturkosten für ihr beschädigtes Fahrrad zu erhalten. Nachdem ihr dies nicht gelungen sei, habe sie den besagten Unfall am 28. Oktober 2013 am Schalter des Stützpunkts der Autobahnpolizei gemeldet. Am 13. November 2013 habe die Polizei sie als Auskunftsperson einvernommen. Im Juli 2014 sei der Sachverhalt mit Hilfe des Formulars "Verkehrsunfall" aufgezeichnet und zusätzlich ein "Unfallaufnahmeprotokoll" ausgefüllt worden. Im Formular "Angaben zur Lenkerin" sei in der Spalte "Strafantrag" weder "Strafantrag", noch "Verzicht" oder "Frist" angekreuzt worden. Der Beschwerdegegnerin 2 sei es in ihrer Anzeige hauptsächlich um die Schadensregulierung gegangen. Mit ihrer Meldung an die Polizei habe sie aus ihrer Sicht alles Notwendige vorgekehrt, um die Reparaturkosten ihres Fahrrads ersetzt zu erhalten. Dass sie damit implizit auch die Bestrafung des Beschwerdeführers verlangt habe, sei die unumgängliche Folge ihres hauptsächlichen Motivs (vgl. angefochtenes Urteil Ziff. 3.3.1 - 3.3.3).
Sodann könne der Beschwerdegegnerin 2 als juristische Laiin nicht entgegengehalten werden, dass der Polizist sie anlässlich ihrer Einvernahme nicht gefragt habe, ob sie Strafantrag stellen wolle und im Formular "Angaben zur Lenkerin" beim dafür vorgesehenen Kästchen "Strafantrag" kein Kreuz gesetzt worden sei. Den Strafantrag mangels Protokollierung im Sinne von Art. 76 StPO als nicht gestellt zu betrachten, würde überspitzter Formalismus darstellen und die Durchsetzung des materiellen Rechts unnötig erschweren (vgl. angefochtenes Urteil Ziff. 3.3.3).
1.3. In ihrer Vernehmlassung hält die Beschwerdegegnerin 2 dafür, es liege ein rechtzeitig eingereichter Strafantrag vor. Gemäss den grundsätzlich verbindlichen Sachverhaltsfeststellungen der Vorinstanz habe sie am 28. Oktober 2013 gegenüber der Polizei ihren bedingungslosen Willen erklärt, dass gegen den Beschwerdeführer eine Strafverfolgung eingeleitet werde. Aus den Vorbringen des Beschwerdeführers ergebe sich nicht, dass und wieso diese Feststellungen qualifiziert falsch sein sollten (vgl. Vernehmlassung Beschwerdegegnerin 2 S. 1).
1.4. Beim Tatbestand der fahrlässigen Körperverletzung nach Art. 125 Abs. 1 StGB handelt es sich um ein Antragsdelikt. Ist eine Tat nur auf Antrag strafbar, so kann jede Person, die durch sie verletzt worden ist, die Bestrafung des Täters beantragen (Art. 30 Abs. 1 StGB). Das Antragsrecht erlischt nach Ablauf von drei Monaten. Die Frist beginnt mit dem Tag, an welchem der antragsberechtigten Person der Täter bekannt wird (Art. 31 StGB).
Mit dem Strafantrag erklärt der Verletzte seinen bedingungslosen Willen zur Strafverfolgung des Täters (BGE 141 IV 380 E. 2.3.4 S. 387; 131 IV 97 E. 3.1 S. 98; je mit Hinweisen). Nach Art. 304 Abs. 1 StPO ist der Strafantrag bei der Polizei, der Staatsanwaltschaft oder der Übertretungsstrafbehörde schriftlich einzureichen oder mündlich zu Protokoll zu geben. Die Protokollierungspflicht gemäss Art. 304 Abs. 1 StPO soll sicherstellen, dass auch ein mündlicher Strafantrag schriftlich festgehalten, d.h. dokumentiert ist (BGE 145 IV 190 E. 1.3.3 S. 193). Es ist Sache der Behörden, das Vorliegen eines rechtsgültigen Strafantrags zu beweisen (BGE 145 IV 190 E. 1.5.1 S. 195 mit Hinweisen).
Ob gestützt auf den vorinstanzlich festgestellten Sachverhalt von einem rechtsgültigen Strafantrag auszugehen ist oder nicht, ist Rechtsfrage, welche das Bundesgericht von Amtes wegen und mit freier Kognition beurteilt (Art. 106 Abs. 1 BGG und Art. 95 lit. a BGG; Urteil 6B_303/2017 vom 16. November 2017 E. 6.5).
1.5. Soweit die Vorinstanz dafür hält, dass die Beschwerdegegnerin 2 ihren bedingungslosen Willen zur Strafverfolgung ausreichend kundgetan hat und das Vorliegen eines rechtsgültigen Strafantrags bejaht, handelt es sich nicht um eine Sachverhaltsfeststellung, sondern um eine rechtliche Würdigung. Diese prüft das Bundesgericht frei und nicht bloss auf Willkür hin.
Die Vorinstanz verletzt Bundesrecht, wenn sie vorliegend von einem gültig gestellten Strafantrag wegen fahrlässiger Körperverletzung ausgeht. Dem Formular "Verkehrsunfall", dem "Unfallaufnahmeprotokoll", dem Protokoll der Einvernahme vom 13. November 2013 und auch dem Formular "Angaben zur Lenkerin" lässt sich nicht entnehmen, dass die Beschwerdegegnerin 2 je den Willen zum Ausdruck gebracht hätte, dass der Beschwerdeführer wegen des von ihr gemeldeten Verkehrsunfalls bestraft werden sollte. So liegt weder ein ausdrücklicher Antrag zur Strafverfolgung noch eine Erklärung oder Äusserung vor, aus welcher sich ein sinngemässer Wille implizit ableiten liesse (anders etwa im Urteil 6B_1297/2017 vom 26. Juli 2018 E. 1.1.3, in: SJ 2019 I 282, in welchem die antragsberechtigte Person innert Antragsfrist im Strafantragsformular die drei Straftaten Drohung, Beschimpfung und einfache Körperverletzung nannte und für diese die Strafverfolgung forderte). Ebensowenig sind Sachumstände ersichtlich, aus welchen sich ein auf die Strafverfolgung gerichteter Wille ergeben würde. Aus dem Umstand allein, dass die Beschwerdegegnerin 2 sich zwecks Schadensregulierung an die Polizei gewendet hat, kann jedenfalls kein gültiger Strafantrag abgeleitet werden. Eine Erklärung des bedingungslosen Willens, der Beschwerdeführer solle wegen des Verkehrsunfalls vom 18. Oktober 2013 strafrechtlich verfolgt werden, ist darin - entgegen der Ansicht der Vorinstanz - nicht enthalten, zumal eine Zivilforderung unabhängig von einem Strafverfahren durchgesetzt werden kann und die geschädigte Person nicht auf eine Strafverfolgung in jedem Fall angewiesen ist (vgl. Urteil 6B_125/2017 vom 17. Mai 2017 E. 1.3.3). So erfolgt eine Unfallmeldung an die Polizei denn auch oftmals einzig zum Zweck, Beweise für ein allfälliges Zivilverfahren sicherzustellen bzw. die Schadensabwicklung mit der Versicherung zu erleichtern.
Dass die Beschwerdegegnerin 2 vom Polizist anlässlich ihrer Einvernahme nicht gefragt wurde, ob sie Strafantrag stellen wolle, vermag daran nichts zu ändern. Selbst wenn der Polizist gegenüber der Beschwerdegegnerin 2 seine Aufklärungspflicht verletzt haben sollte, darf ein den gesetzlichen Anforderungen nicht genügender Strafantrag nicht als gültig angesehen werden (CHRISTOF RIEDO, Der Strafantrag, 2004, S. 406). Von überspitztem Formalismus kann vorliegend keine Rede sein.
Da es vorliegend an einem rechtsgültigen Strafantrag und daher an einer Prozessvoraussetzung mangelt, erübrigt sich ein Eingehen auf die vom Beschwerdeführer in materieller Hinsicht erhobenen Rügen.
2.
Die Beschwerde ist gutzuheissen. Das angefochtene Urteil ist aufzuheben und die Sache zu neuer Entscheidung an die Vorinstanz zurückzuweisen (Art. 107 Abs. 2 BGG).
Die Beschwerdegegnerin 2 unterliegt mit ihrem Antrag. Bei diesem Verfahrensausgang hat sie die hälftigen Gerichtskosten zu tragen (Art. 66 Abs. 1 BGG). Dem Kanton Basel-Stadt sind keine Kosten aufzuerlegen (Art. 66 Abs. 4 BGG). Der Kanton Basel-Stadt hat dem anwaltlich vertretenen Beschwerdeführer zusammen mit der Beschwerdegegnerin 2 für das bundesgerichtliche Verfahren eine angemessene Entschädigung zu bezahlen (Art. 68 Abs. 1 und 2 BGG).
Demnach erkennt das Bundesgericht:
1.
Die Beschwerde wird gutgeheissen, das Urteil des Appellationsgerichts des Kantons Basel-Stadt vom 6. Juni 2018 aufgehoben und die Sache zu neuer Entscheidung an die Vorinstanz zurückgewiesen.
2.
Die Gerichtskosten werden im Umfang von Fr. 1'500.- der Beschwerdegegnerin 2 auferlegt.
3.
Die Beschwerdegegnerin 2 und der Kanton Basel-Stadt haben dem Beschwerdeführer für das bundesgerichtliche Verfahren je eine Parteientschädigung von Fr. 1'500.- zu bezahlen.
4.
Dieses Urteil wird den Parteien und dem Appellationsgericht des Kantons Basel-Stadt, Dreiergericht, schriftlich mitgeteilt.
Lausanne, 25. September 2019
Im Namen der Strafrechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts
Der Präsident: Denys
Die Gerichtsschreiberin: Rohrer
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