Von Mischa Aebi, Berner Zeitung
Ohne medizinische Begleitung darf das Bundesamt für Migration keine Zwangsausschaffungen mehr durchführen. Allerdings findet das BFM keine Ärzte. Eine Zwischenlösung wirft nun Fragen auf.
Das Bundesamt für Migration (BFM) hat ein Problem: Seit 2011 darf es Zwangsausschaffungen nicht mehr ohne Begleitung eines Arztes und eines ausgebildeten Sanitäters durchführen. Deshalb sucht es mittels öffentlicher Ausschreibung eine Institution, welche die medizinische Betreuung bei den jährlich rund 200 unfreiwilligen Rückschaffungen per Sonderflug übernimmt.
Doch das Amt muss die Ausschreibung für das medizinische Begleitpersonal nun erfolglos abbrechen. Nur gerade eine einzige Institution hat laut BFM-Sprecher Michael Glauser eine Offerte eingereicht. Leider entsprach diese einzige Offerte, die bis zum Ablauf der Eingabefrist eintraf, nach Meldung auf der amtlichen Ausschreibungsplattform Simap den Anforderungen nicht.
Grosse Vorbehalte
Der Grund, warum sich kaum Ärzte für diese heikle und nicht unumstrittene Arbeit finden lassen: Die Schweizerische Akademie der Medizinischen Wissenschaften (SAMW) hat als höchste ethische Instanz der Schweizer Ärzte grosse Vorbehalte gegen Zwangsausschaffungen. Denn bei solchen Rückführungen werden abgewiesene Asylbewerber oft mit Helm auf dem Kopf an Händen und Füssen an einen Rollstuhl gefesselt abgeführt. Dabei kommt es nicht selten zu gefährlichen Szenen. Nachdem 2010 ein Nigerianer während einer Zwangsausschaffung gestorben war, verschärfte die SAMW ihre Richtlinien: «Unter Umständen, die eine medizinische Beurteilung und Behandlung beeinträchtigten, hat der Arzt die moralische und rechtliche Verpflichtung, die Begleitung der Ausschaffung zu verweigern.»
Die Richtlinien der SAMW haben einen hohen Stellenwert unter Medizinern. Der ehemalige FMH-Präsident Jacques De Haller sagte letztes Jahr dazu: «Wenn etwas passiert und der Arzt sich nicht an diese Richtlinien gehalten hat, kann er keine Unterstützung erwarten.»
Jene einzige beim BFM eingegangene Offerte stammt von einer privaten Firma namens Oseara GmbH mit Sitz in Stans. Das ergaben Recherchen dieser Zeitung. Geschäftsführer der Firma ist Daniel Herschkowitz. Er arbeitet gleichzeitig als Anästhesist in der Privatklinik Obach in Solothurn. Auf Anfrage bestätigt Herschkowitz, dass seine Oseara GmbH beim BFM aufgrund der öffentlichen Ausschreibung ein konkretes Angebot für die medizinische Betreuung bei Zwangsausschaffungen eingereicht hat.
Kumpel aus dem BFM
Die Offerte der Firma ist nicht erstaunlich: Die Oseara wurde nämlich vor knapp einem Jahr gegründet - einzig und allein um medizinische Begleitungen bei Zwangsausschaffungen im Auftrag des BFM durchzuführen. Das hat Oseara-Geschäftsführer Herschkowitz letztes Jahr gegenüber dem «Tages-Anzeiger» eingeräumt. Mitbegründer der Oseara ist der Arzt Adrian Businger, der zuvor jahrelang beim BFM für Ausschaffungen zuständig war.
Die Oseara durfte denn auch im Rahmen eines offenbar nicht ausschreibungspflichtigen Pilotprojektes in den letzten acht Monaten Zwangsausschaffungen medizinisch begleiten.
Prompt ist das junge Unternehmen in dieser kurzen Zeit bereits in die Schlagzeilen geraten. Michel Romanens, Kardiologe und Präsident des Vereins Ethik und Medizin Schweiz, hat die Firma im Oktober öffentlich frontal angegriffen: Oseara-Geschäftsführer Herschkowitz habe sich im Rahmen einer Sitzung mit mehreren Aussagen betreffend Zwangsausschaffungen «auf haarsträubende Weise disqualifiziert».
Zweite Ausschreibung
Das BFM hat nun in der Not die Zusammenarbeit mit der Oseara GmbH provisorisch um ein halbes Jahr verlängert. In dieser Zeit will das Migrationsamt den Auftrag noch einmal öffentlich ausschreiben.
Warum genau die Oseara GmbH zwar provisorisch für medizinische Betreuung bei Zwangsausschaffungen taugen soll, für die definitive Lösung aber den Anforderungen nicht entsprach, konnte das BFM gestern nicht schlüssig sagen.
Auch Oseara-Chef Herschkowitz’ Version der Geschichte klingt nebulös: «Wegen zusätzlicher Herausforderungen im Gesamtprojekt wird der Versuch verlängert, damit weitere Erkenntnisse gewonnen werden können, die in einem späteren, definitiven Projekt umgesetzt werden können.»
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