Fürsorgerische Unterbringung (FU)

28. Januar 2013

Seit dem 1. Januar 2013 sind Änderungen des Zivilgesetzbuches (ZGB) in Kraft, welche Zwangseinweisungen in psychiatrische Anstalten betreffen: Aus der fürsorgerischen Freiheitsentziehung (FFE) ist fürsorgerische Unterbringung (FU) geworden.

In diesem Zusammenhang liess das Bundesamt für Gesundheit eine Studie zur Wirksamkeit des Rechtsschutzes bei psychiatrischen Zwangseinweisungen erarbeiten. Autor Jürg Gassmann analysierte unter anderem vorhandene Statistiken in der Schweiz und verglich sie mit weiteren europäischen Ländern. Gemäss einem Vergleich mit einer EU-Studie aus dem Jahr 2002 war die Schweiz mit jährlich 176 Zwangseinweisungen auf 100 000 Einwohner zusammen mit Österreich und Finnland an oberster Stelle.

Diese Studie untersuchte aber nicht die Qualität der Rechtsmittelverfahren, namentlich der Urteile der kantonalen Verwaltungsgerichte. Wie eine kurze Konsultation einschlägiger Urteile des Bundesgerichts zeigt, liegt hier einiges im Argen: Beurteilungen von Entlassungsgesuchen werden verschleppt, selbst wenn das Bundesgericht eine rasche Entscheidung anordnete (BGE 5A_257/2012 vom 4. Juni 2012), oder zwischen dem Gericht und einer Behörde, hier dem Fürsorgerat, hin- und hergeschoben (BGE 5A_708/2010 vom 5. November 2010). Beliebt als Begründung für eine Zurückbehaltung in einer Klinik ist auch die «Belastung für das soziale Umfeld», obwohl eine fürsorgerische Unterbringung die betroffene Person und nicht Dritte schützen soll (BGE 5A_251/2012 vom 19. April 2012). In den allermeisten Fällen aber erwägt das Bundesgericht im abgekürzten Verfahren einzig, dass eine Beschwerde nach Art. 72 ff. BGG nebst einem Antrag eine Begründung zu enthalten habe, ansonsten auf die Beschwerde nicht eingetreten werden könne (Art. 108 Abs. 1 lit. b BGG), dass auch Verfassungsrügen in der Beschwerdeschrift vorzubringen und zu begründen seien (Art. 106 Abs. 2 BGG), dass nicht nach den gesetzlichen Anforderungen aufgezeigt werde, inwiefern der angefochtene Entscheid rechts- oder verfassungswidrig sein soll, und dass somit auf die - offensichtlich unzulässige - Beschwerde in Anwendung von Art. 108 Abs. 1 lit. b BGG nicht einzutreten sei (BGE Nicht Eintreten). Es ist davon auszugehen, dass auch viele dieser so abgespiesenen Beschwerdeführer rechtswidrig irgendwo eingeschlossen werden.

Angeblich soll die Situation mit dem revidierten ZGB verbessert werden, weil neu fachlich kompetente Erwachsenenschutzbehörden für die fürsorgerische Unterbringung zuständig sind. Allerdings können auch fachlich nicht ausgewiesene Ärzte eine Person bis zu 6 Wochen in eine geschlossene Anstalt einweisen. Gemäss einem Bericht der NZZ genügt im Kanton Zürich, wenn der einweisende Haus- oder Notfallarzt auf dem offiziellen Formular das Stichwort «Fremdgefährdung» ankreuzt. Gemäss ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichts sieht aber das Gesetz keine fürsorgerische Freiheitsentziehung allein wegen Fremdgefährdung vor (BGE 5A_257/2012, Erwägung 2).

Fürsorgerische Unterbringungen müssen regelmässig überprüft werden, zuerst alle 6 Monate, danach jährlich. Selbstverständlich hat das Gericht bei jeder Überprüfung ein aktuelles Gutachten eines unabhängigen Gutachters beizuziehen und kann nicht einfach auf ein altes Gutachten aus einer zurückliegenden Überprüfung abstellen (BGE 5A_236/2014, Erwägung 2.7).

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