Roger Braun, Nordwestschweiz
Spielbanken verlangen bei der Umsetzung des Geldspielgesetzes tiefere Abgaben als vorgesehen.
Es war ein Lotto-Sechser, den die Schweizer Casinos bei der Volksabstimmung zum Geldspielgesetz einfuhren. Einzig sie dürfen hierzulande künftig Online-Glücksspiele anbieten; ausländische Anbieter werden mit Netzsperren vom Schweizer Markt ausgeschlossen. Den Schweizer Spielbanken winken dank dem Heimatschutz Millionengewinne. Doch wie sich nun zeigt, ist ihnen das nicht genug. Sie wollen weniger Abgaben bezahlen als vom Bund vorgesehen - und benutzen dafür Argumente, die ihren Worten im Abstimmungskampf widersprechen.
Anlass ist die Vernehmlassung zur Geldspielverordnung. Die Verordnung regelt jene Fragen, die das Gesetz nicht abschliessend festlegt. Dabei geht es nicht zuletzt um die Abgaben, welche die Casinos in die AHV zahlen müssen. Das Gesetz definiert für Online-Casinos ein breites Band von 20 bis 80 Prozent des Bruttospielertrags und hält fest, dass der Abgabesatz mit der Gewinnhöhe ansteigt. Wo die exakten Schwellen liegen, regelt die Verordnung, die bis letzte Woche in der Vernehmlassung war.
Genau hier setzt der Casino-Verband an. Er will die Verordnung so anpassen, dass die Spielbanken mehr Geld für sich behalten können. Geht es nach dem Bundesrat, soll der minimale Abgabesatz von 20 Prozent bis zu einem Bruttospielertrag von 3 Millionen Franken gelten. Danach steigt der Grenzabgabesatz deutlich an.
Ganz anders der Casino-Verband: Er verlangt vom Bundesrat, dass der Mindeststeuersatz bis zu einem Bruttospielertrag von 10 Millionen Franken gelten soll. Der Unterschied geht ins Geld. Während nach bundesrätlicher Variante die zehnte Ertragsmillion mit einem Abgabesatz von 34 Prozent belastet würde, fiele nach der Version der Casinos lediglich ein Abgabesatz von 20 Prozent an. Auch bei höheren Erträgen will der Verband die Casinos entlastet sehen.
Schwarzmarkt als Argument
Bereits in einem Schreiben an das Bundesamt für Justiz vom Dezember beklagte sich der Casino-Verband, dass die Schweiz mit dem bundesrätlichen Vorschlag den höchsten Abgabesatz von Europa hätte. Dabei zeige sich im internationalen Vergleich, dass eine hohe Abgabelast zu einem grossen Schwarzmarkt führe. «Im Falle einer zu hohen Besteuerung würde der Marktanteil, den die Schweizer Casinos erlangen können, klein bleiben. Damit würden sich auch die Abgaben an die AHV verringern», schreibt der Verband. Aus demselben Grund fordert der Casino-Verband vom Bundesrat eine Halbierung des Abgabesatzes während der ersten vier Betriebsjahre - und zwar im Vorfeld und für sämtliche Anbieter.
«Unehrlicher geht es kaum»
«Die Unverfrorenheit der Casinos macht mich beinahe sprachlos», sagt der Präsident der Jungfreisinnigen, Andri Silberschmidt. «Im Abstimmungskampf behaupten die Schweizer Spielbanken, sie seien die Einzigen, welche die hohen Abgabesätze bezahlen könnten, gleichzeitig lobbyieren sie für tiefere Abgaben. Unehrlicher geht es kaum.»
Dass ausgerechnet der Casino-Verband mit dem grossen Schwarzmarkt in anderen Ländern argumentiert, zeigt für Silberschmidt, dass der Verband selber nicht an die Wirkung der Netzsperren glaubt. Der entschiedene Gegner des Geldspielgesetzes ist empört: «Beim Abstimmungskampf viel über edle gemeinnützige Zwecke reden und danach knallhart in die eigene Tasche arbeiten - das ist die Schweizer Casinobranche.»
Selbst Befürworter des neuen Geldspielgesetzes wenden sich von den Casinos ab. «Die Forderung des Casino-Verbandes ist ein Affront gegenüber den Unterstützenden des Gesetzes», sagt der Solothurner SP-Nationalrat Philipp Hadorn. «Sie steht diametral den Äusserungen der Branche während des Abstimmungskampfes entgegen und wirft Fragen zu Seriosität, Verlässlichkeit und Aufrichtigkeit der Verantwortlichen auf», empört sich Hadorn. Er sieht in der Zusicherung der Abgabe einen wesentlichen Grund für das klare Volks-Ja. «Jetzt wortbrüchig zu werden, schadet dem Image der ganzen Branche», sagt er.
Offener gegenüber dem Anliegen der Casinos gibt sich der Obwaldner CVP-Nationalrat Karl Vogler. «Falls die Casinos glaubhaft darlegen können, dass die eingesparten Beträge in den Aufbau eines attraktiven Onlineangebots fliessen, kann ich mir eine gewisse Entlastung vorstellen», sagt er. Über die Verordnung entscheiden wird der Bundesrat bis spätestens Ende Jahr.
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