Geheimdienst-Aufsicht will Kooperation des NDB mit der NSA prüfen

15. September 2013

Christof Moser und Alan Cassidy, Schweiz am Sonntag

Recherchen zeigen, dass der Schweizer Nachrichtendienst NDB auch im Auftrag des US-Geheimdienstes NSA tätig ist. Nach den NSA-Enthüllungen der letzten Wochen wird jetzt die parlamentarische Oberaufsicht aktiv.

Seit genau 100 Tagen weiss die Welt, dass es für den US-Nachrichtendienst NSA und seine Partnerdienste keine Geheimnisse mehr gibt. Mit Verzögerung reagiert jetzt auch die Schweizer Geheimdienst-Aufsicht auf den Skandal.

«Die Enthüllungen zeigen, dass die Kommunikation flächendeckend überwacht wird und die USA in grossem Stil Wirtschaftsspionage betreiben», sagt SP-Ständerat Claude Janiak (BL), der als Mitglied der Geschäftsprüfungsdelegation (GPDel) für die Oberaufsicht des Schweizer Nachrichtendiensts NDB zuständig ist. «Ich werde in der GPDel deshalb beantragen, dass der NDB die Zusammenarbeit mit der NSA überprüft.»

Entscheidend sei die Frage, welche Informationen der NDB mit der NSA austausche und «inwieweit diese Zusammenarbeit noch zu rechtfertigen ist», sagt auch GPDel-Mitglied und Nationalrätin Corina Eichenberger (FDP/AG). «Nachdem wir jetzt wissen, dass die NSA Grundrechte verletzt, muss die Kooperation von NDB und NSA überprüft werden.» Und weiter: «Es war immer klar, dass Nachrichtendienste so viel wie möglich wissen wollen. Was wir in den letzten Wochen über das Ausmass der NSA-Überwachung erfahren haben, erschreckt mich aber.»

Als oberste Aufsicht des Bundesnachrichtendiensts muss die GPDel über gemeinsame nachrichtendienstliche Operationen des NDB mit der NSA oder anderen Geheimdiensten innerhalb von 24 Stunden informiert werden. Die Genehmigung erfolgt durch den Bundesrat. Keinen Einblick erhält die parlamentarische Aufsicht in die Informationen, die zwischen dem NDB und ausländischen Geheimdiensten ausgetauscht werden: «Nach den aufgedeckten NSA-Praktiken hat die Frage, was der NDB mit den US-Geheimdiensten für Informationen teilt, an Relevanz gewonnen», sagt GPDel-Mitglied Ueli Leuenberger (Grüne/GE). Auch CVP-Ständerat und GPDel-Mitglied Paul Niederberger (NW) sagt: «Das muss in der nächsten Sitzung ein Thema sein.»

Wie eng NDB und NSA kooperieren, thematisierte diese Woche das ZDF-Magazin «Zoom» – und sorgte damit in Bern für Aufregung. Seit die NSA 2006 die Abhöranlage in Bad Aibling bei München dem deutschen Nachrichtendienst BND übergeben hat, so berichtete «Zoom», habe die NSA zur Informationsbeschaffung in Deutschland direkten Zugriff auf Abhöranlagen in Dänemark und der Schweiz, namentlich die Onyx-Satellitenüberwachung in Leuk VS und Herrenschwanden BE. In diesen Anlagen filtert die Armee im Auftrag des NDB E-Mails, Telefongespräche und Faxübertragungen gezielt nach Schlüsselwörtern.

Einen direkten NSA-Zugriff dementierte der NDB umgehend: «Weder die NSA noch andere US-Dienste haben direkten Zugriff auf Daten.» NDB-Sprecherin Isabelle Graber bestätigte in der «Basler Zeitung» jedoch, dass der NDB mit der NSA Daten austauscht. Erkenntnisse der Inlandaufklärung würden aber nur unter Berücksichtigung des Bundesgesetzes über die Wahrung der inneren Sicherheit (BWIS) an die NSA weitergegeben.

Das ist wohl richtig, allerdings aber nur die halbe Wahrheit, wie Recherchen der «Schweiz am Sonntag» und von ZDF-«Zoom» übereinstimmend zeigen: Die NSA hat sowohl mit der Schweiz wie Dänemark eine geheime Vereinbarung abgeschlossen, die den Austausch von Geheimdienstinformationen regelt. Die Vereinbarung berechtigt die NSA, eigene Schlüsselbegriffe in die Abhörsysteme beider Staaten einspeisen zu lassen. Im Tausch für damit gewonnene Erkenntnisse der schweizerischen und dänischen Auslandaufklärung erhalten der NDB und der dänische Geheimdienst PET von der NSA Informationen, die sie im eigenen Land aufgrund gesetzlicher Schranken nicht selber sammeln dürfen. Das geheime Abkommen macht auch die Schweiz zu einem NSA-Horchposten.

Ungeklärt bleibt bislang, ob die NSA in der Schweiz nachrichtendienstlichen Tätigkeiten nachgeht, von denen Bundesrat und NDB entweder nichts wissen oder nichts wissen wollen. Eine offizielle Autorisierung der NSA bestreitet NDB-Sprecherin Graber: «Aber es ist bekannt, dass auch befreundete Staaten gelegentlich in der Schweiz verbotenen Nachrichtendienst betreiben.» Wie zum Beispiel die CIA im Fall der Atomgeschäfte der Familie Tinner.

Ebenfalls diese Woche enthüllte das ZDF, dass in Deutschland das US-Kommunikationsunternehmen Level 3 für die NSA aktiv ist – dort mit dem Segen der deutschen Regierung. Das deutsche Aussenministerium erteilte dem US-Konzern 2008 die Erlaubnis, für die US-Streitkräfte nachrichtendienstliche Operationen durchzuführen. Die Firma, die zu den grössten Datennetzbetreibern weltweit zählt, besitzt in Frankfurt am Main einen Internetnetzwerkknoten, in den sich die NSA zum Absaugen von Daten einklinken können soll.

Pikant: Level 3 betreibt in Zürich einen Schweizer Ableger. Auf Fragen nach einer Zusammenarbeit mit der NSA reagiert die Firma nicht. Ueli Maurer, Informatikprofessor an der ETH Zürich und Leiter der Forschungsgruppe für Informationssicherheit und Kryptografie, warnt: «Bei US-Firmen muss man inzwischen grundsätzlich davon ausgehen, dass die Geheimdienste Zugriff auf ihre Software haben.» Die Bundesanwaltschaft (BA) will keine Auskunft geben, ob die Firma auf Geheimdiensttätigkeiten überprüft wurde: «Fragen zu allfälligen Abklärungen beantwortet die Bundesanwaltschaft generell nicht. Ermittlungstaktische Gründe sprechen dagegen», sagt Sprecherin Jeannette Balmer.

Auch zu Level 3 will GPDel-Mitglied Claude Janiak an der nächsten Sitzung genauere Auskünfte verlangen.

 

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