Lukas Häuptli, NZZ am Sonntag
Im vergangenen Jahr hat der Nachrichtendienst des Bundes (NDB) so viele Personen wie noch nie überprüft. Bei 22 hat er einen Terror-Verdacht ausgemacht.
Der Schweizer Geheimdienst verstärkt seine Massnahmen zur Bekämpfung des internationalen Terrorismus. Er hat im letzten Jahr so viele Personen überprüft wie noch nie in den letzten Jahren, nämlich mehr als zwei Millionen. Und offensichtlich ist er fündig geworden: Bei 22 Personen hat der Nachrichtendienst des Bundes (NDB) Hinweise auf eine Gefährdung der inneren Sicherheit ausgemacht. «Der überwiegende Teil der Fälle hat einen Bezug zum islamistischen Terrorismus und zum Syrien-Konflikt», sagt NDB-Sprecherin Carolina Bohren. In diesen Fällen habe es «relevante Sicherheitsbedenken» gegeben. Weitere Angaben zu den Verdächtigen, etwa zu deren Nationalität, Alter oder Geschlecht, macht die Sprecherin nicht.
Neun von diesen waren als Asylsuchende in die Schweiz gereist, vier stellten ein Visumsgesuch und fünf wollten auf andere Art einreisen oder ersuchten hier um eine Aufenthaltsbewilligung. Zwei schliesslich lebten bereits in der Schweiz und stellten ein Einbürgerungsgesuch. In all diesen Fällen empfahl der Nachrichtendienst den verantwortlichen Behörden, die jeweiligen Asyl-, Visa-, Aufenthalts- und Einbürgerungsgesuche aus Gründen der inneren Sicherheit abzulehnen.
Ausschaffungen scheitern
Es ist davon auszugehen, dass die zuständigen Behörden den Empfehlungen des Geheimdienstes nachkommen und die Gesuche ablehnen. Eine Statistik dazu gibt es nicht. Das viel grössere Problem aber ist: Was passiert mit denjenigen Personen, deren Asyl- oder Aufenthaltsgesuche wegen eines Terrorverdachts abgelehnt, gegen die aber keine Strafverfahren eröffnet werden? Zwar können die Betroffenen in Administrativhaft genommen und anschliessend ausgeschafft werden. Allerdings ist die Haft per Gesetz auf 18 Monate beschränkt; gelingt die Ausschaffung in dieser Zeit nicht, müssen sie wieder freigelassen werden.
Ausschaffungen nach Syrien sind zurzeit aus völkerrechtlichen Gründen überhaupt nicht möglich, solche in den Irak oder nach Somalia nur in Ausnahmefällen. Verschiedene Terrorverdächtige in der Schweiz stammen aber ausgerechnet aus diesen Ländern; die drei Mitglieder der Terrororganisation Islamischer Staat zum Beispiel, die am Freitag vom Bundesstrafgericht zu mehrjährigen Freiheitsstrafen verurteilt wurden, sind Iraker.
Von den 2,08 Millionen Personen, die der Nachrichtendienst letztes Jahr überprüft hat, waren 1,29 Millionen Flugpassagiere. Der Nachrichtendienst kann auf Daten von Passagieren zurückgreifen, die von bestimmten Destinationen in die Schweiz fliegen; zu diesen gehören unter anderen Istanbul, Dubai oder Nairobi. Daneben prüfte der NDB letztes Jahr rund 730,000 Visa-Gesuchsteller, 50,000 Einbürgerungswillige, 4,900 Asylsuchende und 6,600 andere Ausländer. Die Zahlen sind dem Geschäftsbericht des Bundesrats zu entnehmen, der kürzlich erschienen ist.
Abklärungen im Ausland
Die gesammelten Personendaten vergleicht der Nachrichtendienst sowohl mit seinen eigenen Datenbanken als auch mit denjenigen anderer Bundesbehörden, wie NDB-Sprecherin Bohren erklärt. «Wenn sicherheitsrelevante Aspekte festgestellt werden, unternimmt der NDB weitere Recherchen, auch im Ausland.»
Die Zahl der überprüften Personen hat sich in den letzten fünf Jahren fast versechsfacht. Das ist namentlich auf die zusätzlich abgeklärten Flugpassagiere zurückzuführen; vor fünf Jahren lag ihre Zahl noch bei rund 9,000. Die rechtlichen Grundlagen für die Massnahme waren 2011 in Kraft getreten. Gemäss diesen hätte der Geheimdienst nur diejenigen Passagiere überprüfen dürfen, die Staatsangehörige der jeweiligen Abflug-Länder waren. Der Nachrichtendienst hielt sich aber nicht daran, und nach einer Intervention der Geschäftsprüfungsdelegation des Parlaments änderte der Bundesrat letztes Jahr kurzerhand die rechtlichen Bestimmungen.
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