von Jan Flückiger, NZZ
Am Donnerstag ist das Referendum gegen das Nachrichtendienstgesetz eingereicht worden. Bisher waren dabei vor allem linke Parteien aktiv. Nun formiert sich auch in bürgerlichen Kreisen Widerstand.
Die Gegner des neuen Nachrichtendienstgesetzes (NDG) haben am Donnerstag nach eigenen Angaben rund 67 000 Unterschriften zum Referendum eingereicht. Gesammelt hat diese das «Bündnis gegen den Schnüffelstaat». Diesem gehören die Jungsozialisten (Juso), die Grünen, die Piratenpartei und die Alternative Liste an. Dazu kommen Organisationen wie die Gruppe für eine Schweiz ohne Armee (GSoA), die Digitale Gesellschaft oder grundrechte.ch.
Mit dem neuen Gesetz dürfte der Nachrichtendienst des Bundes Telefone abhören, Privaträume verwanzen und in Computer eindringen. Auch wäre ihm erlaubt, grenzüberschreitende Signale aus Datenübertragungskabeln zu erfassen. Die Gegner warnen deshalb vor einer «Totalüberwachung». Der Nachrichtendienst dürfe «auf keinen Fall» mehr Kompetenzen erhalten, sagte Juso-Präsident Fabian Molina bei der Einreichung der Unterschriften und erinnerte an die Fichenaffäre. Damals seien Unschuldige systematisch überwacht worden, insbesondere Andersdenkende. Das sei eine grosse Gefahr für eine pluralistische Demokratie.
Gespaltene Sozialdemokraten
Molinas Mutterpartei, die SP, ist beim NDG gespalten. Zwar haben die SP-Delegierten Anfang Dezember mit 106 zu 62 Stimmen entschieden, das Referendum zu unterstützen. Doch im Parlament stimmte mehr als ein Drittel der Fraktion für das Gesetz – darunter die Ständeräte Claude Janiak, Géraldine Savary, Hans Stöckli, Pascale Bruderer und Daniel Jositsch (damals noch Nationalrat) sowie 14 weitere Nationalräte.
Die Gegenseite trat geschlossener auf. Die Fraktionen von FDP, CVP und BDP stimmten im Parlament einhellig für das neue Gesetz. Einzig in der SVP gab es mit Lukas Reimann und Pirmin Schwander zwei prominente Abweichler. Zwei weitere SVP-Nationalräte enthielten sich der Stimme. Auch die Grünliberalen stimmten dem NDG grossmehrheitlich zu – allerdings gegen die Stimmen von Parteipräsident Martin Bäumle und dem inzwischen abgewählten Nationalrat Thomas Maier.
Die Grünliberalen seien dem NDG gegenüber kritisch eingestellt, sagt GLP-Nationalrat Beat Flach. Doch der Ständerat habe das Gesetz in wesentlichen Punkten nachgebessert, etwa bei der Aufsicht. Ein Entscheid der Delegiertenversammlung stehe allerdings noch aus. Generell ziehe sich der Graben bei diesem Thema eher quer durch die Generationen als die Parteien.
In der Tat sind es vor allem die Jungparteien, die gegenüber der staatlichen Überwachung kritisch eingestellt sind. So engagieren sich die Jungfreisinnigen und die Junge SVP zusammen mit den Juso, den Jungen Grünen und den Jungen Grünliberalen gegen das neue Gesetz zur Überwachung des Post- und Fernmeldeverkehrs. Beim NDG halten sich die bürgerlichen Jungparteien jedoch zurück. Man habe entschieden, die Unterschriftensammlung nicht aktiv zu unterstützen, sagt Maurus Zeier, Präsident der Jungfreisinnigen. Die Abstimmungsparole sei aber noch nicht gefasst. Das Gleiche gilt für die Jungen Grünliberalen. Nicht unterstützt wird das Referendum von der Jungen SVP.
Kritik aus der Wirtschaft
Doch nicht nur von den Jungparteien könnte das Referendum noch zusätzliche Unterstützung erhalten. Auch in der Wirtschaft formiert sich Widerstand. Jean-Marc Hensch, Geschäftsführer des Branchenverbandes der Informatik- und Telekommunikationsanbieter Swico, möchte mithelfen, ein bürgerliches Gegenkomitee auf die Beine zu stellen. Man dürfe das Thema nicht den Jungsozialisten überlassen, denn es gebe auch aus liberaler Sicht gewichtige Argumente gegen das neue Gesetz, wie etwa den Schutz der Privatsphäre. Hensch betont allerdings, dass er sich als Privatperson engagiere. Der Branchenverband habe sich nicht offiziell positioniert – auch wenn es innerhalb der Branche diverse Kritiker gebe.
Ähnlich stellt sich die Situation beim Schweizerischen Gewerbeverband (SGV) dar, der sich während der parlamentarischen Beratung ebenfalls kritisch zum NDG geäussert hatte. Im Abstimmungskampf werde sich der SGV nicht aktiv beteiligen, da das Thema nicht zu dessen Kernthemen gehöre, sagt Ressortleiter Henrique Schneider. Er persönlich sei aber gegen das Gesetz und würde die Gründung eines bürgerlichen Gegenkomitees begrüssen.
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