Geheimdienstaufseher untersuchen missglückte Spitzel-Anwerbung

13. August 2013

Von Thomas Knellwolf. Tages Anzeiger

Der Schweizer Nachrichtendienst übte auf einen irakischen Studenten aus Basel viel Druck aus, um ihn als Informanten zu gewinnen. Jetzt will die Geschäftsprüfungsdelegation den Fall unter die Lupe nehmen.

Als Schweizer Agenten mit ihrem aufdringlichen Werben begannen, lebte der Flüchtling K. T. mit seiner vierköpfigen Familie bescheiden in einer Basler Mietwohnung. Er hatte in der Gastronomie gearbeitet, in einem stadtbekannten Restaurant, und in der Schweiz ein unauffälliges Leben geführt. Aber er verfügte über Kontakte, für die sich Geheimdienste weltweit interessierten.

Im Sommer 2007 hatte der kurdische Iraker K. T. seinen Landsmann Mullah Krekar im norwegischen Exil besucht. K. T. sagte später aus, der Grund des Besuchs in Oslo sei gewesen, dass er für einen Freund um die Hand einer Familienangehörigen Krekars anhalten wollte. Die Nachrichtendienste vermuteten anderes: dass Terrorpläne geschmiedet wurden oder zumindest Terrorpropagandapläne. Beweisen liess sich das bislang nicht. Wie so vieles nicht, wenn es um Mullah Krekar geht.

«Allah ist gross»

Mullah Krekar, des Lobes voll für Osama Bin Laden, war der Gründer und erste Führer von Ansar al-Islam («Kämpfer für den Islam») gewesen, einer Gruppierung kurdischer Islamisten im Nordirak, die für zahlreiche Selbstmordattentate verantwortlich gemacht wird. Norwegische Richter haben Krekar allerdings kürzlich vom Vorwurf der Terrorunterstützung freigesprochen. Zu zwei Jahren und zehn Monaten Haft verurteilten sie den Mullah wegen schwerer Drohungen und Beeinflussung des Gerichts.

Auch gegen K. T. läuft ein Strafverfahren, mehr als ein halbes Jahrzehnt lang bereits, in der Schweiz. Die Bundesanwaltschaft hat bislang mit ihren massiven Vorwürfen - Gründung und Führung «einer neuen terroristischen Organisation mit nach aussen geheim gehaltenen Strukturen» - vor Gericht einen schweren Stand. Zweimal haben Bundesstrafrichter aus Bellinzona die Anklageschrift zurück über die Alpen zur Überarbeitung geschickt. Nach wie vor will die Bundesanwaltschaft aber beweisen, dass der 34-jährige K. T. und sein zehn Jahre jüngerer Bruder, auch er wohnhaft in Basel, «über verschiedene Internetplattformen mit salafistisch-jihadistischer Ausrichtung Interessenten» anlockten. Auf Internetforen fanden sich gemäss einer abgewiesenen Fassung der Anklageschrift zehn Beiträge mit Darstellungen von Attentaten, teilweise mit der Bemerkung «Allah ist gross».

Das Brüderpaar beteuert, es sei unschuldig. Es verteidigt sich unter anderen mit dem Hinweis, dass die Bilder der Anschläge auch im öffentlich-rechtlichen Fernsehen in der Schweiz und auf Nachrichtensendern wie CNN zu sehen gewesen seien.

Aufsicht intervenierte

K. T. ist überzeugt, dass das Strafverfahren gegen ihn nur eröffnet worden ist, weil er sich standhaft geweigert hat, mit dem Schweizer Geheimdienst zusammenzuarbeiten. Der damalige Inlandgeheimdienst DAP hatte im Herbst 2007 den damaligen Studenten an der Universität Freiburg als Informanten anwerben wollen. Dabei legten zwei Agenten, von denen sich einer «Johann» nannte, eine gewisse Hartnäckigkeit an den Tag: Viermal innert weniger Tage traten sie im Berner Bahnhof an K. T. heran, der immer wieder sagte, er wolle für niemanden spitzeln.

Eine Tonbandaufnahme vom letzten Anwerbungsversuch deutet darauf hin, dass das Agenten-Duo mit der Ausschaffung in den Irak gedroht hatte. K. T. berichtet auch von einer Drohung mit einem Strafverfahren. Ein Nachrichtendienstsprecher sagt, die Schilderungen träfen nicht zu. Zudem verweist er darauf, dass die Geschäftsprüfungsdelegation der eidgenössischen Räte «den Vorfall» 2008 untersucht habe. «Die GPDel stellte kein rechtswidriges Vorgehen des DAP bei der Ansprache von Herrn T. fest.»

Neue Thematisierung des Falls

Hugo Fasel, christlichsozialer Alt-Nationalrat, präsidierte damals die parlamentarische Geheimdienstaufsicht. Man habe, so Fasel, K. T. in Begleitung eines Anwalts zu einer Sitzung eingeladen und danach Vertreter des Inlandgeheimdienstes. «Die GPDel», erklärt Fasel, «musste damals beim DAP intervenieren und erklären, dass Anwerbungen so nicht gehen.» Man habe «klar und deutlich gemacht», dass etwas geändert werden müsse. Noch kein Thema war damals, im Frühjahr 2008, das Strafverfahren wegen Terrorpropaganda. Die Bundesanwaltschaft hatte es Mitte Dezember 2007 auf K. T. ausgedehnt, nur wenige Wochen nach den gescheiterten Anwerbeversuchen. Der Beschuldigte erfuhr aber erst im November 2008 davon.

Die Bundesanwaltschaft hatte verfügt, dass K. T. oder sein Verteidiger bis vor kurzem nicht öffentlich über das Strafverfahren reden durften. So blieb auch unbekannt, dass der Geheimdienst den Terrorpropaganda-Verdächtigen hatte anwerben wollen. Die GPDel will sich aufgrund der gestern im TA publik gewordenen Fakten nun nochmals mit dem Fall beschäftigen. «Wir werden die Sache an unserer nächsten Sitzung thematisieren», sagt Pierre-François Veillon. Der Waadtländer SVP-Nationalrat präsidiert die parlamentarische Geheimdienstaufsicht.

 

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