Thomas Knellwolf, Mario Stäuble und Martin Stoll, SonntagsZeitung
Mehrere Schweizer Geheimdienstmitarbeiter getrauen sich nicht mehr ins Ausland, nachdem ihre Namen in der Spionageaffäre bekannt wurden.
Die Verhaftung des Schweizer Agenten Daniel M. in Deutschland hat erste negative Folgen für den Nachrichtendienst des Bundes (NDB). Mehrere Mitarbeiter wagen sich nicht mehr in den Schengenraum. Sie müssen fürchten, dass sie ebenfalls hinter Gitter kommen oder zumindest angehalten und verhört werden.
Als Vorsichtsmassnahme hat der Schweizer Geheimdienst es zum Teil sogar Führungspersonen untersagt, ins Ausland zu reisen. Insbesondere die Bundesrepublik wird gemieden.
Betroffen von der Reisesperre ist auch einer der NDB-Vizedirektoren, Paul Zinniker. Der Name des früheren Berufsschullehrers taucht im Haftbefehl gegen Daniel M. auf. Dieser Haftbefehl, ausgestellt vom Bundesgerichtshof in Karlsruhe, beruht auf Verhörprotokollen aus der Schweiz. In Befragungen bei der Bundeskriminalpolizei in Bern hatte M. Anfang 2015 preisgegeben, dass er Zinniker einmal am Flughafen Zürich getroffen habe. M., der zuvor mehrere Jahre als freier Spion für den Bund agiert hatte, sagte weiter aus, der Ex-Chef des schweizerischen Auslandgeheimdienstes und heutige NDB-Vize habe ihn kennen lernen wollen.
Nicht nur rechtmässig, sondern unvermeidlich
Den Staatsschutzermittlern der Bundesrepublik liegen die entsprechenden Verhörakten aus der Schweiz vor, weil sie die Bundesanwaltschaft deutschen Ex-Spionen zugestellt hat, gegen die sie ermittelt. Einer davon, Agentenlegende Werner Mauss, hat die Untersuchungsakten bei einem deutschen Gericht eingereicht. Damit wurde die Schweizer Geheimmission gegen Steuerfahnder aus Nordrhein-Westfalen der deutschen Spionageabwehr bekannt.
Die Bundesanwaltschaft wird dafür nun scharf kritisiert. Sie verteidigt sich damit, die Aktenherausgabe an die Beschuldigten aus der Geheimdienstszene in Deutschland und auch in Israel sei nach Schweizer Strafprozessordnung nicht nur rechtmässig, sondern unvermeidlich gewesen. Auf Schwärzungen wurde verzichtet. Die Akteneinsicht hat nun nicht nur schwere Folgen für Daniel M., der in Mannheim in U-Haft sitzt, sondern schränkt auch die Arbeit des NDB erheblich ein.
Betroffen sind wichtige Mitarbeiter der Abteilung Beschaffung, die von Zinniker geleitet wird. Vor- und Nachnamen und Funktionen von fünf NDB-Agenten gehen aus den Verhörunterlagen hervor. Nur der kleinere Teil sind Tarnnamen. M. hatte bei der Bundeskriminalpolizei in Bern in Grundzügen offengelegt, wie ihn die Genannten angewiesen hätten, deutsche Steuerfahnder auszuspionieren und einen Maulwurf in die Steuerfahndung von Nordrhein-Westfalen einzuschleusen. Insgesamt habe er für Geheimmissionen vom NDB fast 80,000 Franken erhalten. Der NDB wollte zu den Reisesperren und anderen Frage zur Spionageaffäre keine Stellung nehmen. Mehrere voneinander unabhängigen Quellen bestätigen aber die Massnahme.
Auch die Schweiz setzte schon Spion in Haft
Die Geheimdienste der Schweiz und Deutschlands gelten prinzipiell als «befreundet», das heisst, sie tauschen Informationen grosszügig aus. Trotzdem ist es bei Verstössen gegen Hoheitsrechte immer wieder zu scharfen Sanktionen gekommen, auch von der Schweiz. So verhaftete die Basler Polizei 1998 einen deutscher Verfassungsschützer, der unter dem Decknamen «Peter Goller» über Scientology recherchiert und bei einem Treffen der Organisation die Autonummern deutscher Teilnehmer notiert hatte. Der deutsche Spion wurde zu einer 30-tägigen Haftstrafe verurteilt.
Im Jahr 2000 wurde ruchbar, dass österreichische Zollfahnder hinter dem Rücken der Schweizer Behörden im Schmugglermilieu spioniert hatten. Die Schweiz leistete damals insbesondere beim Zigarettenschmuggel nur mangelhaft Amts- und Rechtshilfe. Dies bescherte den Nachbarländern milliardenschwere Steuerverluste. Auch Österreich untersagte ihren in die Spionage verwickelten Fahndern damals Reisen in die Schweiz.
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