Schon vor der Jahrtausendwende konnten Strafverfolgungsbehörden in der Schweiz auf die Verbindungsdaten der Telefon- und Internet-Kommunikation, welche von Fernmeldeanbietern gespeichert wurden, zugreifen. Seit dem 1. Januar 2002 ist diese rückwirkende Ermittlung gesamtschweizerisch im Bundesgesetz betreffend die Überwachung des Post- und Fernmeldeverkehrs (BÜPF) geregelt. Konnten bis zu diesem Zeitpunkt nur Daten ausgewertet werden, welche zum Zwecke der Rechnungsstellung gespeichert wurden, müssen seit dem Inkrafttreten des BÜPF die vorgeschriebenen Daten für sechs Monate aufbewahrt werden, auch wenn sie nicht für Verrechnungszwecke benötigt werden, beispielsweise bei Abonnenten mit Flatrate. Im Jahr 2013 haben Strafverfolgungsbeörden mit fast 7,000 rückwirkenden Überwachungen auf Vorratsdaten zugegriffen.
Jahr |
Echtzeit |
Rückwirkend |
Technisch |
Einfach |
2013 |
3,945 |
6,915 |
5,155 |
191,010 |
2012 |
3,233 |
6,960 |
4,775 |
202,579 |
2011 |
2,699 |
5,758 |
3,918 |
175,504 |
2010 |
2,798 |
5,330 |
3,202 |
190,866 |
Anzahl Telefonüberwachungen nach Typ
Im Jahre 2010 erfolgte eine Vernehmlassung zur Totalrevision des BÜPF, welche neben dem Einsatz von Trojanern eine Verdoppelung der Vorratsdatenspeicherung auf 12 Monate vorsah. grundrechte.ch hat diese Vorlage in der Vernehmlassungsantwort scharf kritisiert und abgelehnt, weil präventiv in das Telefongeheimnis und im Falle der Standortspeicherung bei Mobiltelefonen zusätzlich noch in die Bewegungsfreiheit, welche auch das Recht, nicht ständig beobachtet zu werden, beinhaltet, praktisch aller Einwohner der Schweiz eingegriffen wird, ohne dass ein strafrechtlicher Verdacht vorliegt. Darüber hinaus ist kaum ein Nutzen ersichtlich.
In der Folge haben sich Organisationen und Gruppierungen, welche die Vorratsdatenspeicherung grundsätzlich ablehnen, zusammengefunden und Gegenmassnahmen evaluiert. Da in einigen Nachbarländern, welche aufgrund einer Verordnung der EU ebenfalls eine Vorratsdatenspeicherung einführten, letztere von Verfassungsgerichten als verfassungswidrig beurteilt wurde, wurde entschieden, ebenfalls den Rechtsweg zu beschreiten. Da in der Schweiz immer noch keine Verfassungsgerichtsbarkeit besteht, bleibt einzig der Weg an den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte offen. Der Weg aber ist steinig, da dieser Gerichtshof nicht direkt angerufen werden kann. Mit einer verwaltungsrechtlichen Eingabe an den Dienst ÜPF kann man aber via Bundesverwaltungsgericht und Bundesgericht nach Strassburg gelangen. Dieser erste Schritt wurde im Februar 2014 getan.
Zur Begleitung der Beschwerden gegen die Vorratsdatenspeicherung wurde eine Visualisierung der Randdaten des Mobiltelefons von Balthasar Glättli, welcher einer der Beschwerdeführer ist, erstellt.
Ende Juni 2014 hat der Dienst ÜPF die Gesuche, die Vorratsdatenspeicherung im Fernmeldeverkehr zu unterlassen, abgelehnt. Anfang September 2014 wurden diese Verfügungen wie vorgesehen beim Bundesverwaltungsgericht angefochten, welches die Begehren mit Urteil vom 9. November 2016 abgewiesen hat. Am 15. Dezember 2016 wurde daher beim Bundesgericht Beschwerde erhoben.
Am 2. März 2018 hat das Bundesgericht die Beschwerde mit dem Urteil 1C_598/2016 erwartungsgemäss abgewiesen. Immerhin hat es in Erwägung 8.3.7 erkannt, dass das Auskunftsrecht nach Art. 8 DSG nicht durch Art. 45 FMG i.V.m. Art. 81 f. der Verordnung über Fernmeldedienste ausgehebelt wird. Fernmeldekunden können daher jederzeit von den Fernmeldeanbietern vollständige Auskunft über die über sie gespeicherten Randdaten verlangen.
Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte EGMR wird sich jetzt mit der Vorratsdatenspeicherung des BÜPF befassen müssen.
EuGH definiert hohe Hürden für Vorratsdatenspeicherung
Urteil Bundesverwaltungsgericht
Eingabe an Bundesverwaltungsgericht
Überwacher operieren mit Falschaussagen
Was die Vorratsdaten preisgeben
Visualisierung der Vorratsdaten von Balthasar Glättli
Digitale Gesellschaft reicht Beschwerde gegen Vorratsdatenspeicherung ein
Immer mehr Kameras im Öffentlichen Verkehr
Antennensuchlauf: Neues Hobby von Staatsanwälten
Nachrichtendienst verletzt Fernmeldegeheimnis
Bundesamt für Zoll und Grenzsicherheit (BAZG)
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