Beschwerde gegen Vorratsdatenspeicherung

21. Februar 2014

Schon vor der Jahr­tau­send­wen­de konn­ten Straf­ver­fol­gungs­be­hör­den in der Schweiz auf die Ver­bin­dungs­da­ten der Te­le­fon- und In­ter­net-Kom­mu­ni­ka­ti­on, wel­che von Fern­mel­de­an­bie­tern ge­spei­chert wur­den, zu­grei­fen. Seit dem 1. Ja­nu­ar 2002 ist die­se rück­wir­ken­de Er­mitt­lung ge­samt­schwei­ze­risch im Bun­des­ge­setz be­tref­fend die Über­wa­chung des Post- und Fern­mel­de­ver­kehrs (BÜPF) ge­re­gelt. Konn­ten bis zu die­sem Zeit­punkt nur Da­ten aus­ge­wer­tet wer­den, wel­che zum Zwe­cke der Rech­nungs­stel­lung ge­spei­chert wur­den, müs­sen seit dem In­kraft­tre­ten des BÜPF die vor­ge­schrie­be­nen Da­ten für sechs Mo­na­te auf­be­wahrt wer­den, auch wenn sie nicht für Ver­rech­nungs­zwe­cke be­nö­tigt wer­den, bei­spiels­wei­se bei Abon­nen­ten mit Flat­rate. Im Jahr 2013 ha­ben Straf­ver­fol­gungs­be­ör­den mit fast 7,000 rück­wir­ken­den Über­wa­chun­gen auf Vor­rats­da­ten zu­ge­grif­fen.

Jahr

Echt­zeit

Rückwirkend

Technisch

Einfach

2013

3,945

6,915

5,155

191,010

2012

3,233

6,960

4,775

202,579

2011

2,699

5,758

3,918

175,504

2010

2,798

5,330

3,202

190,866

An­zahl Te­le­fon­über­wa­chun­gen nach Typ

Im Jah­re 2010 er­folg­te ei­ne Ver­nehm­las­sung zur To­tal­re­vi­si­on des BÜPF, wel­che ne­ben dem Ein­satz von Tro­ja­nern ei­ne Ver­dop­pe­lung der Vor­rats­da­ten­spei­che­rung auf 12 Mo­na­te vor­sah. grund­rech­te.ch hat die­se Vor­la­ge in der Ver­nehm­las­sungs­ant­wort scharf kri­ti­siert und ab­ge­lehnt, weil prä­ven­tiv in das Te­le­fon­ge­heim­nis und im Fal­le der Stand­ort­spei­che­rung bei Mo­bil­te­le­fo­nen zu­sätz­lich noch in die Be­we­gungs­frei­heit, wel­che auch das Recht, nicht stän­dig be­ob­ach­tet zu wer­den, be­inhal­tet, prak­tisch al­ler Ein­woh­ner der Schweiz ein­ge­grif­fen wird, oh­ne dass ein straf­recht­li­cher Ver­dacht vor­liegt. Dar­über hin­aus ist kaum ein Nut­zen er­sicht­lich.

In der Fol­ge ha­ben sich Or­ga­ni­sa­tio­nen und Grup­pie­run­gen, wel­che die Vor­rats­da­ten­spei­che­rung grund­sätz­lich ab­leh­nen, zu­sam­men­ge­fun­den und Ge­gen­mass­nah­men eva­lu­iert. Da in ei­ni­gen Nach­bar­län­dern, wel­che auf­grund ei­ner Ver­ord­nung der EU eben­falls ei­ne Vor­rats­da­ten­spei­che­rung ein­führ­ten, letz­te­re von Ver­fas­sungs­ge­rich­ten als ver­fas­sungs­wid­rig be­ur­teilt wur­de, wur­de ent­schie­den, eben­falls den Rechts­weg zu be­schrei­ten. Da in der Schweiz im­mer noch kei­ne Ver­fas­sungs­ge­richts­bar­keit be­steht, bleibt ein­zig der Weg an den Eu­ro­päi­schen Ge­richts­hof für Men­schen­rech­te of­fen. Der Weg aber ist stei­nig, da die­ser Ge­richts­hof nicht di­rekt an­ge­ru­fen wer­den kann. Mit ei­ner ver­wal­tungs­recht­li­chen Ein­ga­be an den Dienst ÜPF kann man aber via Bun­des­ver­wal­tungs­ge­richt und Bun­des­ge­richt nach Strass­burg ge­lan­gen. Die­ser ers­te Schritt wur­de im Fe­bru­ar 2014 ge­tan.

Zur Be­glei­tung der Be­schwer­den ge­gen die Vor­rats­da­ten­spei­che­rung wur­de ei­ne Vi­sua­li­sie­rung der Rand­da­ten des Mo­bil­te­le­fons von Bal­tha­sar Glätt­li, wel­cher ei­ner der Be­schwer­de­füh­rer ist, er­stellt.

En­de Ju­ni 2014 hat der Dienst ÜPF die Ge­su­che, die Vor­rats­da­ten­spei­che­rung im Fern­mel­de­ver­kehr zu un­ter­las­sen, ab­ge­lehnt. An­fang Sep­tem­ber 2014 wur­den die­se Ver­fü­gun­gen wie vor­ge­se­hen beim Bun­des­ver­wal­tungs­ge­richt an­ge­foch­ten, wel­ches die Be­geh­ren mit Ur­teil vom 9. No­vem­ber 2016 ab­ge­wie­sen hat. Am 15. De­zem­ber 2016 wur­de da­her beim Bun­des­ge­richt Be­schwer­de er­ho­ben.

Am 2. März 2018 hat das Bun­des­ge­richt die Be­schwer­de mit dem Ur­teil 1C_598/2016 er­war­tungs­ge­mäss ab­ge­wie­sen. Im­mer­hin hat es in Er­wä­gung 8.3.7 er­kannt, dass das Aus­kunfts­recht nach Art. 8 DSG nicht durch Art. 45 FMG i.V.m. Art. 81 f. der Ver­ord­nung über Fern­mel­de­diens­te aus­ge­he­belt wird. Fern­mel­de­kun­den kön­nen da­her je­der­zeit von den Fern­mel­de­an­bie­tern voll­stän­di­ge Aus­kunft über die über sie ge­spei­cher­ten Rand­da­ten ver­lan­gen.

https://grundrechte.ch/2018/EGMRVorratsdaten.jpg

Der Eu­ro­päi­sche Ge­richts­hof für Men­schen­rech­te EGMR wird sich jetzt mit der Vor­rats­da­ten­spei­che­rung des BÜPF be­fas­sen müs­sen.

 

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