Überwacher operieren mit Falschaussagen

5. September 2014

Je­re­mi­as Schul­thess, Ta­ges­Wo­che

Das neue Fern­mel­de-Ge­setz rückt im­mer nä­her. Be­für­wor­ter und Geg­ner kämp­fen mit im­mer här­te­ren Ban­da­gen. Die Über­wa­cher füh­ren die Geg­ner des neu­en Ge­set­zes mit ab­we­gi­gen Ar­gu­men­ten hin­ters Licht.

Vik­tor Györf­fy spricht wie je­mand, den nichts so leicht aus der Fas­sung bringt. Was er an die­sem Ju­ni-Tag liest, ver­schlägt ihm al­ler­dings die Stim­me. Es ist die Ant­wort auf ei­ne Be­schwer­de, die er und die Di­gi­ta­le Ge­sell­schaft beim Dienst Über­wa­chung Post- und Fern­mel­de­ver­kehr - kurz Dienst ÜPF - ein­ge­reicht hat. Györf­fy ist we­nig über­rascht, dass der Dienst ÜPF die Be­schwer­de ab­lehnt. Die Ar­gu­men­te er­stau­nen ihn um­so mehr.

Es geht um die Spei­che­rung von so­ge­nann­ten Rand­da­ten. Bei je­der ver­schick­ter Mail, je­dem An­ruf, je­dem Hoch­fah­ren des Com­pu­ters wer­den Da­ten ge­spei­chert. Zum Bei­spiel: Wer hat wann mit wem wo te­le­fo­niert. Die­se Rand­da­ten spre­chen Bän­de über ei­ne Per­son. Für Staats­an­wäl­te und Er­mitt­ler sind sie Gold wert. Dem Bür­ger rau­ben sie je­doch die Pri­vat­sphä­re. Und dar­um sind sie so um­strit­ten.

Die Di­gi­ta­le Ge­sell­schaft setzt sich für den Schutz der Be­völ­ke­rung ein und be­män­gelt das «Bun­des­ge­setz be­tref­fend die Über­wa­chung des Post- und Fern­mel­de­ver­kehrs» (Büpf) seit Lan­gem. Neu sol­len Rand­da­ten nicht nur sechs, son­dern gan­ze zwölf Mo­na­te ge­spei­chert wer­den. Aus­ser­dem bleibt of­fen, ob das Ge­setz da­zu führt, dass noch mehr Da­ten auf­be­wahrt wer­den.

Vik­tor Györf­fy, der Rechts­an­walt und Prä­si­dent des Ver­eins grund­rech­te.ch, hat nun ei­ne Be­schwer­de ans Bun­des­ver­wal­tungs­ge­richt ein­ge­reicht. Wenn das nicht klappt, gibt es nur noch ei­ne Hoff­nung: den Eu­ro­päi­schen Ge­richts­hof für Men­schen­rech­te in Strass­burg.

Das Bun­des­ver­wal­tungs­ge­richt steckt in der Zwick­müh­le. Die Über­wa­chung, ge­gen die sich Györf­fy wehrt, steht zwar im Ge­setz, wi­der­spricht je­doch der Eu­ro­päi­schen Men­schen­rechts­kon­ven­ti­on (EM­RK) - so die all­ge­mei­ne Auf­fas­sung. Denn es ist noch nicht lan­ge her, da sprach sich der Eu­ro­päi­sche Ge­richts­hof (EuGH) ge­gen die Vor­rats­da­ten­spei­che­rung aus. Es ist wahr­schein­lich, dass die Rich­ter aus Strass­burg eben­falls ge­gen die Über­wa­chung stim­men wür­den.

«Nicht für sechs oder zwölf Mo­na­te, son­dern 10 Jah­re ge­spei­chert»

Noch ist es nicht so­weit. Es ist gut mög­lich, dass das Bun­des­ver­wal­tungs­ge­richt die Be­schwer­de ab­lehnt und dem Dienst ÜPF recht gibt.

Der Dienst ÜPF ar­gu­men­tiert: Die um­strit­te­nen Rand­da­ten wür­den von den Te­le­fo­nie-An­bie­tern so­wie­so ge­spei­chert - zum «Zwe­cke der Rech­nungs­stel­lung». War­um soll­ten die­se Da­ten al­so nicht ver­wen­det wer­den?

Auch der St. Gal­ler Staats­an­walt Tho­mas Hans­ja­kob teil­te im Früh­jahr mit, die Ver­bin­dungs­da­ten wür­den so­wie­so von den An­bie­tern ge­spei­chert - «und zwar nicht für sechs oder zwölf Mo­na­te, son­dern für zehn Jah­re.»

Spei­chert Swiss­com und Co. die Da­ten oh­ne­hin? Nein, sa­gen die gröss­ten Te­le­kom­mu­ni­ka­ti­ons­an­bie­ter uni­so­no. Die Swiss­com teilt mit: «Die ak­tu­el­le sechs­mo­na­ti­ge Auf­be­wah­rung er­folgt nur auf­grund der ge­setz­li­chen Vor­ga­ben.» Neu sol­len zum Bei­spiel auch IP-Ver­bin­dungs­da­ten ge­spei­chert wer­den - al­so, wann und wo je­mand sei­nen Com­pu­ter ein­schal­tet. The­re­se Wen­ger, Oran­ge-Me­di­en­spre­che­rin, sagt: «Für die Rech­nungs­stel­lung an die Kun­den ist dies über­haupt nicht nö­tig.»

Die Rech­nun­gen, auf de­nen ei­ni­ge Rand­da­ten sicht­bar sind, müs­sen Te­le­fo­nie-An­bie­ter so oder so spei­chern. Al­ler­dings nur zwei bis drei Mo­na­te - für den Fall, dass der Kun­de Ein­spruch er­hebt. So er­klä­ren es die Swiss­com, Sun­ri­se und Oran­ge.

War­um weiss das der Dienst ÜPF nicht? Vin­zenz Lau­ter­bach von der Rechts­ab­tei­lung des Dienst ÜPF ver­tei­digt sich: Es sei «zu­min­dest ein Teil der be­tref­fen­den Da­ten», die Swiss­com und Co. un­ab­hän­gig vom Ge­setz spei­chern wür­den. Zum Bei­spiel die Adres­se ei­nes Kun­den.

Das Ar­gu­ment klingt fa­den­schei­nig. Soll man um­fang­rei­che Da­ten­sät­ze spei­chern, die mi­nu­tiö­se Be­we­gungs­ras­ter zei­gen, nur weil die Adres­se und an­de­re An­ga­ben so­wie­so ge­spei­chert wer­den? Die Di­gi­ta­le Ge­sell­schaft schreibt: «Es gibt kei­nen er­sicht­li­chen Grund, bei­spiels­wei­se be­nutz­te Han­dy-An­ten­nen, E-Mail-In­for­ma­tio­nen oder die Zu­ord­nung von dy­na­mi­schen IP-Adres­se für sechs Mo­na­ten oder mehr auf­zu­be­wah­ren.»

Mehr Über­wa­chung ver­ur­sacht hö­he­re Kos­ten

Für Vik­tor Györf­fy ist das ei­ne «Ver­ne­be­lungs­tak­tik», die der Dienst ÜPF be­treibt. «Der Dienst ÜPF weiss haar­ge­nau, was al­les ge­spei­chert wird. Er weiss al­so auch, dass die Te­le­kom­mu­ni­ka­ti­ons­an­bie­ter die­se Da­ten nur von Ge­set­zes we­gen spei­chern.»

Die Te­le­fo­nie-An­bie­ter weh­ren sich ge­gen das neue Über­wa­chungs­ge­setz (Büpf). Un­ter an­de­rem auch des­we­gen, weil es für sie «viel auf­wen­di­ger» ist, sagt The­re­se Wen­ger von Oran­ge. «Die Be­gehr­lich­kei­ten der Be­hör­den sind gross.» Wen­ger rech­net mit ei­nem «deut­li­chen An­stieg der Über­wa­chungs­kos­ten» für die An­bie­ter. Es braucht neue Com­pu­ter-Sys­te­me, die die Da­ten spei­chern, neu­es Per­so­nal, um die Da­ten­ban­ken zu pfle­gen.

Das For­mu­lar, das die An­bie­ter für die Er­mitt­lungs­be­hör­den aus­fül­len müs­sen, ist be­reits jetzt sehr um­fang­reich. Und mit dem neu­en Büpf könn­te es sich noch aus­wei­ten.

 

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