Katharina Fontana, NZZ
Niederlage für die Zürcher Oberstaatsanwaltschaft: Sie hat im Verfahren gegen Iris Ritzmann unrechtmässig Beweise erhoben. Die Anklage gegen die frühere Universitätsmitarbeiterin dürfte damit praktisch aussichtslos sein.
In der weitverzweigten Affäre rund um die Entlassung des früheren SVP-Nationalrats Christoph Mörgeli als Konservator des Medizinhistorischen Museums an der Universität Zürich hat das Bundesgericht ein weiteres Urteil gefällt. Es bestätigt den Entscheid des Zürcher Obergerichts vom Dezember 2015, dass die Beweismittel im Strafverfahren gegen die frühere wissenschaftliche Mitarbeiterin des Medizinhistorischen Instituts Iris Ritzmann nicht verwertbar sind. Ritzmann, die wegen ihrer Rolle in der Affäre Mörgeli entlassen worden war, wurde von der Zürcher Staatsanwaltschaft 2014 wegen mehrfacher Amtsgeheimnisverletzung angeklagt.
In den Mitteln vergriffen
Das Bundesgericht gelangt in seinem am Mittwoch publizierten Entscheid zum Schluss, dass sich die Staatsanwaltschaft bei ihren Ermittlungen in den Mitteln vergriffen hat. Im Bestreben herauszufinden, wer vertrauliche Berichte des Medizinhistorischen Instituts sowie weitere geheime Informationen zu Mörgeli an einen Journalisten des «Tages-Anzeigers» herausgegeben hatte, liess die Staatsanwaltschaft von der Universität nachträglich die Festnetz- und Mobiltelefonanschlüsse sowie E-Mail-Konten sämtlicher Universitätsangehöriger und Mitarbeiter flächendeckend überprüfen und auf Kontakte mit bestimmten Zeitungen und Journalisten untersuchen. Gestützt auf diese Daten ergab sich ein konkreter Tatverdacht gegen Ritzmann.
Dieses Vorgehen war laut der Lausanner Instanz nicht korrekt. Die Erhebung von Telefon- und E-Mail-Kontaktdaten sei gemäss Strafprozessrecht nur dann rechtmässig, wenn bereits ein hinreichender Tatverdacht vorliege und man diesen überprüfen wolle, heisst es im Urteil. Im Fall Ritzmann hingegen habe die Staatsanwaltschaft, als sie die Kontaktdaten von der Universität erheben liess, noch niemanden konkret in Verdacht gehabt. Sie habe lediglich vermuten können, dass der Täter der Universität Zürich oder dem Hochschulamt zuzuordnen sei.
Private Interessen missachtet
Weiter erachtet das Bundesgericht das Vorgehen der Staatsanwaltschaft auch als unverhältnismässig. Die Untersuchung der Telefon- und E-Mail-Daten zur Aufklärung des Vergehens habe eine Vielzahl von nicht beschuldigten Personen betroffen. Jene Mitarbeiter, bei denen ein Kontakt mit Medien habe festgestellt werden können - was je nach universitärer Funktion nichts Aussergewöhnliches darstelle -, seien zusätzlich anschliessend von der Polizei oder der Staatsanwaltschaft einvernommen worden. Das Interesse der vielen von der Datenerhebung betroffenen Personen am Schutz ihrer Privatsphäre wurde damit laut Bundesgericht nicht genügend berücksichtigt.
Damit also fallen die Beweise dahin, auf die sich die Anklage gegen Iris Ritzmann wegen mehrfacher Verletzung des Amtsgeheimnisses stützt. Auch die später erlangten Folgebeweise, die aufgrund der Auswertung der Daten erhoben wurden, dürfen nicht verwendet werden. Ob es unter diesen Umständen noch zu einer Verurteilung kommen wird, ist zweifelhaft.
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