Bundesgericht
Tribunal fédéral
Tribunale federale
Tribunal federal
6B_758/2017
Urteil vom 26. September 2017
Strafrechtliche Abteilung
Besetzung
Bundesrichter Denys, Präsident,
Bundesrichterin Jacquemoud-Rossari,
Bundesrichter Rüedi,
Gerichtsschreiber Weber.
Verfahrensbeteiligte
X.,
vertreten durch Rechtsanwalt Roman Wyrsch,
Beschwerdeführer,
gegen
Staatsanwaltschaft des Kantons Zug, Leitender Oberstaatsanwalt, An der Aa 4, 6300 Zug,
Beschwerdegegnerin.
Gegenstand
Grobe Verletzung der Verkehrsregeln; Willkür; rechtliches Gehör,
Beschwerde gegen das Urteil des Obergerichts des Kantons Zug, Strafabteilung, vom 11. Mai 2017.
Sachverhalt:
A.
Das Strafgericht des Kantons Zug erklärte X. am 26. August 2016 der groben sowie der einfachen Verletzung der Verkehrsregeln schuldig. Es verurteilte ihn zu einer bedingten Geldstrafe von 24 Tagessätzen zu Fr. 250.--, einer Verbindungsbusse von Fr. 1'500.-- und einer Übertretungsbusse von Fr. 150.--.
B.
Auf Berufung von X. hin bestätigte das Obergericht des Kantons Zug am 11. Mai 2017 das erstinstanzliche Urteil.
Das Obergericht hält folgenden Sachverhalt für erwiesen:
X. schloss am 26. Mai 2015, um ca. 14.10 Uhr, als Lenker des Personenwagens mit dem Kontrollschild yyy auf der Überholspur der Autobahn A4 bei einer Geschwindigkeit von mindestens 110 km/h und einem mittleren Verkehrsaufkommen mindestens zweimal zum vor ihm fahrenden, von A. (nachfolgend: Anzeigeerstatter) gelenkten Personenwagen auf und hielt dabei einen Abstand von nur wenigen Metern bzw. von weniger als zehn Metern ein. In der Folge überfuhr X. beim Verlassen der Autobahn eine doppelte Sicherheitslinie.
C.
X. führt Beschwerde in Strafsachen. Er beantragt, das Urteil des Obergerichts sei aufzuheben und er sei von Schuld und Strafe freizusprechen. Eventualiter sei er vom Vorwurf der groben Verletzung der Verkehrsregeln freizusprechen. Subeventualiter sei die Angelegenheit zur Neubeurteilung an die Vorinstanz zurückzuweisen. X. ersucht zudem um aufschiebende Wirkung.
Erwägungen:
1.
1.1. Der Beschwerdeführer rügt, die Vorinstanz habe den Sachverhalt willkürlich festgestellt und den Grundsatz "in dubio pro reo" sowie seinen Anspruch auf rechtliches Gehör verletzt. Er bestreitet implizit, den Personenwagen mit dem Kontrollschild yyy zum Tatzeitpunkt gefahren zu haben. Die Vorinstanz komme zum falschen und willkürlichen Schluss, sein Verhalten sei nur nachvollziehbar, wenn er zur Tatzeit das Fahrzeug gelenkt habe. Dass sich die Räumlichkeiten seiner Gesellschaft in unmittelbarer Nähe des Tatorts befänden und sich der Vorfall um 14.10 Uhr, zu welchem Zeitraum eine Rückkehr an den Arbeitsplatz als plausibel erscheine, ereignet habe, dürfe nicht als Indiz für seine Täterschaft verwendet werden. Die Vorinstanz habe ausser Acht gelassen, dass in seinem Betrieb insgesamt 32 Personen beschäftigt seien. Im höheren Kader seien drei Brillenträger, die aufgrund dieses Merkmals ebenfalls der Beschreibung durch den Anzeigeerstatter entsprechen könnten. Auch sein Sohn sei in demselben Betrieb beschäftigt und trage zum Arbeiten eine Brille. Arbeitsbeginn am Nachmittag sei um 13.00 Uhr. Er rügt weiter, die Vorinstanz habe die durch den Anzeigeerstatter mittels einer Dashcam erstellten Aufzeichnungen, die sie entgegen seiner vor den Vorinstanzen noch vertretenen Ansicht als verwertbar erachte, nicht im Detail studiert und ausgewertet. Dazu sei sie jedoch verpflichtet gewesen. Aus diesen Aufzeichnungen ergebe sich, dass der Anzeigeerstatter nicht bedrängt worden sei und sich die Situation nicht wie von diesem behauptet zugetragen habe, da jener seinen Personenwagen weder beschleunigt habe, um dem Auffahren zu entkommen, noch Anstalten gemacht habe, in den rechten Fahrstreifen einzubiegen. Zudem habe sich der Anzeigeerstatter auch jeglichen Kommentars enthalten.
1.2. Die Vorinstanz stützt ihr Urteil in erster Linie auf die Aussagen des Anzeigeerstatters. Seine Aussagen erachtet sie u.a. deshalb als glaubhaft, weil ihm der Beschwerdeführer nicht bekannt gewesen sei. Ein Motiv für eine Falschaussage durch den Anzeigeerstatter sei nicht ersichtlich und es würden Anzeichen dafür fehlen, dass seine Aussagen rein denunziatorischer Art gewesen seien. Er habe detailliert und ohne Unstimmigkeiten und Widersprüche ausgesagt (angefochtenes Urteil, E. 4.1 S. 4). Seine Beschreibung des Fahrzeuglenkers passe auf den Beschwerdeführer. Aus den Tatumständen könne auch geschlossen werden, der Anzeigeerstatter sei in der Lage gewesen, das Gesicht des Fahrers bewusst wahrzunehmen und sich dieses einzuprägen und den fehlbaren Autolenker wiederzuerkennen. Gemäss seinen eigenen Aussagen habe er den Beschwerdeführer "mit Bestimmtheit, zu 100 %" wiedererkannt. Eine Verwechslung kann gemäss Vorinstanz vor diesem Hintergrund praktisch ausgeschlossen werden (angefochtenes Urteil, E. 4.2.2 S. 5 f.). Auch die eigenen Angaben des Beschwerdeführers zur Nutzung des Fahrzeugs liessen es als wahrscheinlich erscheinen, dass dieser zum Tatzeitpunkt der Lenker war. Gegenüber der Staatsanwaltschaft habe er ausgeführt, ausser ihm würden noch sein Sohn und ab und zu seine Tochter sowie seine Partnerin das Fahrzeug benützen. Es sei auch schon vorgekommen, dass er es einem Kollegen für ein Wochenende ausgeliehen habe. Zu ca. 80 % fahre er das Fahrzeug aber selbst. An der Berufungsverhandlung habe der Beschwerdeführer zu Protokoll gegeben, nicht mehr zu wissen, ob er das Fahrzeug zur Tatzeit gefahren habe. Es gäbe andere Leute, die es ab und zu benützen würden. Zu 90 bis 95 % fahre aber er mit diesem Auto (angefochtenes Urteil, E. 4.2.1 S. 5). Die Vorinstanz erwägt zudem, der Beschwerdeführer sei vage geblieben und habe in den Befragungen nichts hervorgebracht, was für seine Abwesenheit am Tatort zur Tatzeit spreche. An der Berufungsverhandlung habe er nicht sagen können, ob er nach Kenntnisnahme der gegen ihn gerichteten Vorwürfe nachgeschaut habe, was er am Nachmittag des 26. Mai 2015 gemacht habe (angefochtenes Urteil, E. 4.2.3 S. 6). Zu den Dashcamaufzeichnungen hält die Vorinstanz fest, es erscheine zumindest problematisch, das Geschehen auf der Strasse ständig zu filmen. Der Anzeigeerstatter sei aber berechtigt gewesen, die Dashcam in Betrieb zu nehmen bzw. laufen zu lassen, nachdem ihn der Beschwerdeführer mit seinem Fahrzeug bedrängt habe. Mit anderen Worten habe die Aufzeichnung des Überfahrens der doppelten Sicherheitslinie durch den ersten deutlich gewichtigeren Verstoss einen Anlassbezug erhalten, sodass keine widerrechtliche Persönlichkeitsverletzung und damit auch kein Beweisverwertungsverbot für den zweiten Verstoss vorliege (vgl. angefochtenes Urteil, E. 4.5.4 S. 8 f.).
1.3. Die Sachverhaltsfeststellung der Vorinstanz kann vor Bundesgericht nur gerügt werden, wenn sie offensichtlich unrichtig, d.h. willkürlich im Sinne von Art. 9 BV ist (Art. 97 Abs. 1 BGG; BGE 141 IV 317 E. 5.4 S. 324 mit Hinweisen), oder wenn sie auf einer Rechtsverletzung im Sinne von Art. 95 BGG beruht und wenn die Behebung des Mangels für den Ausgang des Verfahrens entscheidend sein kann (Art. 97 Abs. 1 BGG). Nach der bundesgerichtlichen Praxis liegt Willkür vor, wenn der angefochtene Entscheid offensichtlich unhaltbar ist, mit der tatsächlichen Situation in klarem Widerspruch steht, eine Norm oder einen unumstrittenen Rechtsgrundsatz krass verletzt oder in stossender Weise dem Gerechtigkeitsgedanken zuwiderläuft. Das Bundesgericht hebt einen Entscheid jedoch nur auf, wenn nicht bloss die Begründung, sondern auch das Ergebnis unhaltbar ist. Dass eine andere Lösung ebenfalls als vertretbar oder gar zutreffender erscheint, genügt nicht (BGE 141 I 70 E. 2.2 S. 72; 140 III 167 E. 2.1 S. 168; 138 IV 13 E. 5.1 S. 22). Die Willkürrüge muss in der Beschwerde klar vorgebracht und substanziiert begründet werden (Art. 106 Abs. 2 BGG; BGE 138 I 225 E. 3.2 S. 228 mit Hinweis). Auf eine rein appellatorische Kritik am angefochtenen Urteil tritt das Bundesgericht nicht ein (BGE 141 IV 249 E. 1.3.1 S. 253; 139 II 404 E. 10.1 S. 445; 137 IV 1 E. 4.2.3 S. 5; je mit Hinweisen).
Dem Grundsatz "in dubio pro reo" kommt in seiner Funktion als Beweiswürdigungsregel im Verfahren vor Bundesgericht keine Bedeutung zu, die über das Willkürverbot von Art. 9 BV hinausgeht (BGE 138 V 74 E. 7 S. 82 mit Hinweisen).
1.4.
1.4.1. Inwiefern die vorinstanzliche Beweiswürdigung respektive Sachverhaltsfeststellung willkürlich sein sollte, ist nicht ersichtlich. Sofern die vom Beschwerdeführer daran angebrachte Kritik überhaupt den qualifizierten Begründungsanforderungen genügt, ist sie unberechtigt. Die Vorinstanz begründet überzeugend, weshalb sie die Ausführungen des Anzeigeerstatters als glaubhaft erachtet und diejenigen des Beschwerdeführers hingegen als Schutzbehauptungen qualifiziert. Sie bezieht sich in der entsprechenden Erwägung auf das Aussageverhalten des Beschwerdeführers in seinen Befragungen. Seine Antwort auf die Frage der Vorinstanz, ob er ermittelt habe, was er zur Tatzeit getan habe, lautete: "Ich kann nicht sagen, ob ich nachgeschaut habe; ich denke nicht" (kant. Akten, Urk. OG GD 19 S. 4). Indem die Vorinstanz angesichts der Schwere der erhobenen Vorwürfe u.a. diese Aussage als Indiz dafür wertet, der Beschwerdeführer sei der Lenker des betreffenden Personenwagens gewesen, verfällt sie nicht in Willkür. Dessen frühere Aussage in der staatsanwaltschaftlichen Befragung, wonach er demgegenüber zur Abklärung dieser Frage in seiner Agenda nachgeschaut habe, berücksichtigte die Vorinstanz ebenfalls (vgl. angefochtenes Urteil, E. 4.2.3 S. 6). Ob der Beschwerdeführer tatsächlich abklärte, was er zum fraglichen Zeitpunkt tat, ist jedoch ohnehin nicht entscheidend. Ausschlaggebend war, dass er der Hauptlenker des Tatfahrzeugs war, die Täterbeschreibung des Anzeigeerstatters auf ihn zutrifft, Ersterer ihn auch als Täter identifizierte und er nichts vorbrachte, was für seine Abwesenheit am Tatort zur Tatzeit sprechen könnte.
1.4.2. Entgegen der Ansicht des Beschwerdeführers belegen auch seine Vorbringen zur denkbaren Täterschaft durch einen anderen Mitarbeiter des Betriebes des Beschwerdeführers keine Willkür. Es ist nicht schlechterdings unhaltbar, bei der Sachverhaltsfeststellung die Lage des Betriebes des Beschwerdeführers sowie die Tatzeit als Indizien für dessen Täterschaft zu erachten, auch wenn weitere Mitarbeiter grundsätzlich ebenfalls der Täterbeschreibung durch den Anzeigeerstatter entsprechen könnten. Die Vorinstanz erachtete diese Gegebenheiten zudem lediglich als zusätzliche Indizien zu den bereits genannten Umständen. Indem der Beschwerdeführer diese zusätzlichen Indizien in Zweifel zu ziehen versucht, vermag er die Beweiswürdigung als Ganzes nicht in Frage zu stellen. Kommt die Vorinstanz anhand von Indizien zum Schluss, der Beschwerdeführer sei der Lenker des Fahrzeugs gewesen, ist auch dessen Vorwurf unbegründet, der Grundsatz "in dubio pro reo" sei verletzt.
1.4.3. Die Dashcamaufzeichnungen des Anzeigeerstatters erachtet die Vorinstanz lediglich für den Zeitraum nach der groben Verletzung der Verkehrsregeln durch Missachtung von Art. 34 Abs. 4 SVG bzw. für den Schuldspruch der im Nachhinein erfolgten einfachen Verletzung der Verkehrsregeln durch Überfahren der doppelten Sicherheitslinie als verwertbar. Die Frage der Verwertbarkeit der Aufzeichnungen für den Zeitraum vor dem Bedrängen durch den Beschwerdeführer lässt sie entgegen der Ansicht des Beschwerdeführers offen und stellt im Sinne seiner vor den Vorinstanzen noch vertretenen Auffassung nicht darauf ab (vgl. angefochtenes Urteil, E. 4.5.4 S. 8 f.). Konsequenterweise würdigt die Vorinstanz die Aufzeichnungen für diesen Zeitraum nicht. Darin liegt keine Verletzung des rechtlichen Gehörs, da die Vorinstanz begründet, weshalb sie auf die Aufzeichnungen insoweit nicht abstellt. Die Frage der Verwertbarkeit der Dashcamaufzeichnungen kann auch vor Bundesgericht offenbleiben. Entscheidend wäre von vornherein nicht die Reaktion bzw. Einschätzung der Situation durch den Anzeigeerstatter, sondern die durch den ungenügenden Abstand beim Hintereinanderfahren geschaffene erhöhte abstrakte Gefahr. Der Beschwerdeführer bestritt vor den Vorinstanzen die Verwertbarkeit der Aufzeichnungen. Soweit er vor Bundesgericht nunmehr geltend macht, die Vorinstanz habe diese zu Unrecht nicht zu seiner Entlastung ausgewertet, verstösst sein Vorbringen daher gegen den Grundsatz von Treu und Glauben. Damit ist auch diese Rüge unbegründet, soweit überhaupt darauf eingetreten werden kann.
2.
Die Beschwerde ist abzuweisen, soweit darauf eingetreten werden kann. Die Kosten sind dem unterliegenden Beschwerdeführer aufzuerlegen (Art. 66 Abs. 1 BGG).
Das Gesuch um aufschiebende Wirkung wird mit dem Entscheid in der Sache gegenstandslos.
Demnach erkennt das Bundesgericht:
1.
Die Beschwerde wird abgewiesen, soweit darauf einzutreten ist.
2.
Die Gerichtskosten von Fr. 3'000.- werden dem Beschwerdeführer auferlegt.
3.
Dieses Urteil wird den Parteien und dem Obergericht des Kantons Zug, Strafabteilung, schriftlich mitgeteilt.
Lausanne, 26. September 2017
Im Namen der Strafrechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts
Der Präsident: Denys
Der Gerichtsschreiber: Weber
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