Kommentar: Das Referendum zum Nachrichtendienstgesetz

6. Oktober 2015

von Gaby Salvisberg, PCTipp.ch

Die Gesetzesrevision stösst in menschenrechts- und konsumentennahen Kreisen auf Widerstand. Seit heute werden Referendumsunterschriften gesammelt.

Der National- und Ständerat hat in der letzten Session den Ausbau der präventiven Überwachung der Bevölkerung beschlossen. Damit soll der Nachrichtendienst des Bundes weitere Kompetenzen erhalten. Diese umfassen das Speichern von Kommunikationsdaten aller Einwohner - und dies verdachtsunabbhängig. Ferner würden auch Staatstrojaner zum Einsatz kommen. Darüber hinaus wollen die Schweizer Geheimdienstler nun im internationalen Cyberkrieg mitmischen. Sie wollen damit die Erlaubnis, nicht nur Computer im Inland, sondern auch im Ausland anzugreifen.

Die Referendumsfrist ist nun gestartet und dauert bis Mitte Dezember. Die Unterschriftenbögen stehen unter nachrichtendienstgesetz.ch zum Download bereit. Parteien wie die Juso, die Piratenpartei, die Grünen und zahlreiche VertreterInnen der Grünliberalen, der SP und von Jungparteien unterstützen das Referendum. Ebenso dabei sind Medien-, Konsumenten- und Menschenrechtsorganisationen wie der Schweizer Konsumentenschutz SKS, der Verein grundrechte.ch, Amnesty International, die grösste Schweizer Mediengewerkschaft Syndicom und Fachorganisationen wie dem Verein Digitale Gesellschaft und dem Chaos Computer Club.

Ich unterstütze das Referendum ebenfalls. Nicht nur als Konsumentin und Bürgerin, sondern auch als Journalistin. Es ist stossend, die ganze Bevölkerung in diesem Ausmass zu überwachen, um einiger weniger Einzelfälle habhaft zu werden. Die BefürworterInnen des neuen Gesetzes bleiben uns immer noch den Nachweis schuldig, ob damit überhaupt ein einziges Verbrechen verhindert werden könnte. Die immensen Kosten der Massnahmen werden auf die KonsumentInnen und SteuerzahlerInnen abgewälzt. Doch der noch höhere Preis, den wir zahlen müssten, ist jener unserer Freiheit und Privatsphäre.

Wenn Daten angehäuft werden, wird auch zwangsläufig eines Tages jemand darauf zugreifen, dem wir unsere Zustimmung nicht - oder nicht zu diesem Zweck - gegeben haben. Daten kommen früher oder später in falsche Hände. Datenspeicherungsanlagen werden gehackt. Die Menschen, die diese Daten verwalten, sind ebenso fehlbar wie wir selbst. Daten können zudem auch verfälscht sein und damit unschuldige Personen schädigen. Ausserdem würde mit diesen Daten das passieren, was in solchen Fällen immer passiert: Ausweitung der Nutzungsrechte per Salamitaktik. Die Möchtegernüberwacher servieren derzeit reflexartig zwei «Buzzwords»: nämlich «Terrorismus» und «Kinderpornografie». Sobald die Gesetze und Massnahmen umgesetzt sind, wird man die Gründe, diese Daten zu nutzen, Schritt für Schritt ausbauen. Erst bei Verdacht auf Betäubungsmittelhandel, dann rücken die KonsumentInnen von Drogen ins Visier, dann die Fussball-Hooligans, dann sicherheitshalber alle Fussballfans und früher oder später auch alle, die politisch oder konfessionell auch nur einen Schritt neben dem Mainstream stehen. Was, wenn die politischen Verhältnisse nicht mehr so stabil wären? Die gesammelten Daten würden bleiben, aber die politischen Zustände können sich ändern.

Aber wer nichts zu verbergen hat, der hat ja angeblich nichts zu befürchten. Das ist zynisch und falsch. Wir alle haben etwas zu verbergen. Hätten wir das nicht, würden wir keine Passwörter verwenden. Wir hätten keine Türen an den WCs und nur Glaswände ums Schlafzimmer. Es ist unser Privatleben. Überwachungsbefürworter führen auch immer «Facebook & Co.» ins Feld. Dieses Argument ist keines, denn bei Social Media können alle selbst entscheiden, was sie preisgeben und ob sie überhaupt mitmachen. Beim Staat gibts aber kein «Opt-Out», keinen Unsubscribe-Knopf, kein Löschen des Schnüffelkontos. In unserem Privatleben hat der Staat nichts verloren. Zu diesem Schluss kamen wir schon Ende der Achtzigerjahre, als uns allen der Fichenskandal um die Ohren flog. Die Fichen damals waren ein Klacks im Vergleich zu dem, was uns bevorsteht.

Ich bin übrigens sehr erfreut, dass auch die Mediengewerkschaft Syndicom bei diesem Thema klar Stellung bezieht. Und das tut sie aus gutem Grund: Mit dem Ausbau der Vorratsdatenspeicherung und der Nutzung von Staatstrojanern könnten JournalistInnen allfälligen Whistleblowern und weiteren Hinweisquellen keine Anonymität mehr zusichern. Journalistische Recherchen würden dadurch massiv erschwert und die Pressefreiheit gefährdet.

Aus diesen Gründen werde ich das Referendum unterschreiben; genauer gesagt: Ich habe bereits unterschrieben und hoffe, möglichst viele andere Stimmberechtigte tun das auch.

 

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