Polizeigesetz ZH: Rechtsschutz bei Internet-Überwachung ungenügend

1. Oktober

Den Kantonen ist es erlaubt, verdeckte polizeiliche Ermittlungsmassnahmen zur Verhinderung oder Erkennung künftiger Straftaten einzuführen. Inhaltlich müssen die getroffenen Regelungen rechtsstaatlichen Anforderungen genügen. Die neuen Bestimmungen des Polizeigesetzes des Kantons Zürich erfüllen diesen Anspruch nicht in allen Teilen. Die Regelung zur automatischen Überwachung von geschlossenen Kommunikationsplattformen im Internet wird aufgehoben, weil kein ausreichender Rechtsschutz vorgesehen ist.

Das Bundesgericht heisst in seiner öffentlichen Beratung vom Mittwochmorgen eine Beschwerde gegen mehrere neue Bestimmungen des Zürcher Polizeigesetzes teilweise gut. Das Gericht kommt zunächst zum Schluss, dass die Kantone grundsätzlich befugt sind, verdeckte polizeiliche Ermittlungsmassnahmen einzuführen, die ausserhalb eines Strafverfahrens zur Verhinderung oder Erkennung möglicher Straftaten eingesetzt werden können. Entsprechende kantonale Bestimmungen müssen die rechtsstaatlichen Anforderungen erfüllen, um Missbräuche zu verhindern und die Verhältnismässigkeit zu wahren.

Nicht zu beanstanden ist diesbezüglich § 32e des Zürcher Polizeigesetzes zur verdeckten Vorermittlung. Die Bestimmung erlaubt mit Genehmigung des Zwangsmassnahmengerichts den dauerhaften Einsatz von Ermittlern, die unter falscher Identität aktiv und zielgerichtet Kontakt mit anderen Personen knüpfen, um ein Vertrauensverhältnis aufzubauen. Die getroffene Regelung stellt sicher, dass die verdeckte Vorermittlung nur genehmigt wird, wenn die Schwere der drohenden Straftat dies rechtfertigt. Das Mass an zulässiger Einwirkung ist vorgegeben, womit verhindert wird, dass verdeckte Vorermittler als „agents provocateurs“ tätig sein könnten. Auch der Rechtsschutz betroffener Personen ist gewahrt.

Gutgeheissen hat das Gericht die Beschwerde in Bezug auf § 32f zur automatischen Überwachung von geschlossenen Kommunikationsplattformen im Internet. Die Informationsbeschaffung in sogenannten „Closed User Groups“ stellt einen schweren Eingriff in das verfassungsmässig geschützte Fernmeldegeheimnis dar. Die Überwachung kann zulässig sein, wenn schwerwiegende Gefahren drohen und keine anderen Mittel zur Verfügung stehen. Um Missbräuche zu vermeiden, ist jedoch eine vorgängige richterliche Genehmigung und nachträglicher Rechtsschutz für die Betroffenen erforderlich. Darauf hat der kantonale Gesetzgeber verzichtet, weshalb die Bestimmung aufzuheben ist.

Die Beschwerde gegen das Polizeigesetz des Kantons Genf vom 21. Februar 2013 heisst das Bundesgericht vollständig gut. Es hebt die Bestimmungen zur Observation (Artikel 21 A Abs. 2), zur verdeckten Fahndung (Artikel 21 B) sowie zur verdeckten Vorermittlung (Artikel 22) auf. In all diesen Fällen ist es mit Blick auf das Verhältnismässigkeitsprinzip zur Verhinderung von Missbräuchen erforderlich, dass die Betroffenen nachträglich über die ergriffenen Massnahmen informiert werden und Rechtsschutz erhalten. Das Gesetz kann in bestimmten Fällen Ausnahmen von der Mitteilung vorsehen. Bei einer verdeckten Fahndung ist wie bei der Observation zudem eine vorgängige Genehmigung durch die Staatsanwaltschaft notwendig, soweit die Massnahme länger dauert. Bei der verdeckten Ermittlung - wo die Ermittler im Gegensatz zur verdeckten Fahndung unter einer falschen Identität auftreten - bedarf es einer vorgängigen Genehmigung durch den Richter.

Urteile vom 1. Oktober 2014, ZH 1C_653/2012, GE 1C_518/2013

 

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