Datendiebstahl im Nachrichtendienst

27. September 2012

Datendieb wollte geheime Daten ins Ausland verkaufen

Der Datendieb im Nachrichtendienst hat enorme Mengen von geheimen Daten entwendet. Der Bundesanwalt geht davon aus, dass er ein Einzeltäter war und dass sie ihn noch rechtzeitig verhaften konnte.

NZZ, Markus Häfliger, Bern

Michael Lauber redete nicht lange um den heissen Brei herum. «Es ist ein schwerer Fall sowohl was die Menge als auch was den Inhalt der gestohlenen Daten angeht», sagte der Bundesanwalt am Donnerstag vor den Medien. Er reagierte mit seiner Pressekonferenz auf ein Communiqué des Verteidigungsdepartements. Dieses hatte am Vorabend über einen Datendiebstahl beim Nachrichtendienst des Bundes (NDB) informiert.

Doch erst am Donnerstag wurde die Dimension des Spionagefalles deutlich. Der Dieb habe eine Datenmenge «im Tera-Bereich» entwendet, sagte der Leitende Staatsanwalt Carlo Bulletti, der das Verfahren führt. Ein Terabyte entspricht rund 25 Millionen Textseiten einer Word-Datei oder rund 200 000 Songs in MP3-Qualität bloss, dass es hier nicht um eine harmlose Liedersammlung geht. Es handle sich um inhaltlich geheime Daten sowie um Zugangsdaten mit Passwörtern, sagte Bulletti. Trotz mehrfacher Nachfrage äusserte sich die Bundesanwaltschaft nicht zur Art der Daten. «Es sind hochsensible Daten, die absolut nicht in fremde Hände gelangen dürfen», sagte Lauber bloss (siehe Zusatztext). Je nachdem, in wessen Hände die Daten gelangt wären, hätte auch die Sicherheit der Schweiz beeinträchtigt sein können, sagte Lauber.

Wochenlang unbemerkt

Der Datendieb ist Schweizer Bürger und arbeitete seit Jahren als Informatik-Spezialist beim NDB. «Daten zu manipulieren, war seine Aufgabe, er musste sich daher nicht extra Zugang zu den Daten verschaffen», sagte Bulletti.

Der Mann habe die Daten über mehrere Wochen und in mehreren Etappen mitgenommen; transportiert hat er sie auf mehreren Festplatten. Das fiel offenbar zunächst niemandem auf. «Es ist nichts Spezielles, wenn ein Informatiker mit einer Festplatte herumläuft», sagte Bulletti. Aufgrund eines «behördenexternen Hinweises», so Lauber, sei der NDB jedoch auf den Mann aufmerksam geworden; am 25. Mai 2012 informierte der NDB die Bundesanwaltschaft.

Diese liess den Mann noch am gleichen Abend verhaften. Bei einer Hausdurchsuchung habe man die Datenträger sicherstellen können. Heute, nach viermonatigen Ermittlungen und Analysen der Datenträger, geht die Bundesanwaltschaft davon aus, dass der Mann die Daten nicht weitergegeben hatte. Er könne dies «mit grosser Wahrscheinlichkeit» sagen, so Lauber. «Ein Restrisiko besteht aber immer.»

Dieb ist auf freiem Fuss

Bundesrat Ueli Maurer nahm gegenüber der NZZ Stellung zum Fall. «Positiv ist, dass man dank einem guten Kontaktnetz und dank rechtzeitigem Eingreifen verhindern konnte, dass die Daten weitergegeben wurden», sagte Maurer, dem der NDB unterstellt ist. Laut Maurer hätte eine Weitergabe der Daten «das Ansehen und die Glaubwürdigkeit der Schweiz nachhaltig beschädigen können sowohl bei ausländischen Nachrichtendiensten als auch auf diplomatischer Ebene».

Laut Bulletti fanden sich beim Mann Schriftstücke, die darauf hindeuten, dass er die Daten ins Ausland verkaufen wollte. Es gebe aber keine Hinweise, dass er aus dem Ausland angestiftet worden sei. An wen der Mann die Daten habe verkaufen wollen, wisse er nicht, sagte Bulletti. Auch seine Motive seien unklar. Denkbar seien finanzielle und persönliche Motive, sagte Lauber. «Er war mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit ein Einzeltäter.» Zudem gibt es Hinweise, wonach der Mann psychische Probleme hatte.

Der Mann sass sechs Wochen in Untersuchungshaft; seit dem 5. Juli ist er wieder auf freiem Fuss. Die gesetzlichen Anforderungen für eine Haft seien nicht mehr erfüllt, sagte Lauber. Die Bundesanwaltschaft ermittelt gegen ihn wegen schweren wirtschaftlichen und politischen Nachrichtendiensts; die Mindeststrafe dafür beträgt ein Jahr.

Die Bundesanwaltschaft informierte unüblich offen über den Fall. Es gehe ihm darum, «Spekulationen gegen die Schweiz zu verhindern», sagte Lauber. Auf Nachfrage präzisierte er, er meine Spekulationen von Medien wie auch von fremden Nachrichtendiensten.

 

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