Tätigkeitsbericht des Kontrollorgans über den Staatsschutz im Kanton Basel-Stadt 2011

vom 23. März 2012

Auszug

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In der ersten Phase führte das Kontrollorgan eingehende Gespräche mit allen Amtsstellen von Bund und Kanton, die für seine Kontrolltätigkeit von primärer Bedeutung sind. Zudem besuchte es die Fachgruppe 9 und liess sich insbesondere deren Datenablage erklären. Im Verlauf der Gespräche mit dem NDB stellte das Kontrollorgan eine Steigerung des Bewusstseins über die Notwendigkeit einer wirksamen kantonalen Aufsicht fest. Dies äusserte sich im Berichtszeitraum in einer zunehmend kooperativen und unbürokratischen Gewährung der Einsicht in die Daten durch das Kontrollorgan und einer guten weiteren Zusammenarbeit. Diese Praxis ist jedoch rechtlich nicht verankert und kann deshalb vom NDB jederzeit geändert werden.

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c) Kontakte mit Behörden des Bundes

aa) Nachrichtendienst des Bundes

Mit der Direktion und weiteren Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des NDB sowie mit Angehörigen der Nachrichtendienstlichen Aufsicht fanden zwei Sitzungen in Bern statt. Vertreter des NDB und der Aufsicht waren zudem an mehreren Sitzungen in Basel zugegen. Dabei erläuterten die Vertreter der Bundesbehörde ihre Funktionsweise, ihre Zusammenarbeit mit der Fachgruppe 9 sowie die Anforderungen, die sie an die Informationen der Kantone künftig stellen werden.

In den Gesprächen wurde die Zusammenarbeit zwischen dem Kontrollorgan und dem NDB sowie der Nachrichtendienstlichen Aufsicht näher festgelegt. Dabei standen drei Fragestellungen im Vordergrund:

(1) Zunächst musste geklärt werden, wie der NDB das Zustimmungserfordernis für die Einsicht des Kontrollorgans in Daten des NDB und der Fachgruppe 9 handhaben würde. Wie oben erwähnt, erscheint die neue Bestimmung von Art. 35a V-NDB gegenüber ihrer Vorgängerbestimmung etwas offener, indem sie keine Begründung im individuellen Fall verlangt. Wie der NDB diese Norm konkret umsetzen würde, war jedoch ungeklärt. Das Kontrollorgan stellte sich auf den Standpunkt, der NDB könne seine Zustimmung zur Einsichtnahme generell erteilen; sollte im konkreten Einzelfall ein besonderes Geheimhaltungsinteresse vorliegen, könnte der NDB die Einsicht verweigern. Die Position des NDB zu dieser Frage oszillierte zunächst. Es kristallisierte sich aber bald heraus, dass der NDB eine kooperative Einsichtspraxis einschlagen würde, ohne dass er sich jedoch auf die Formel der generellen, grundsätzlichen Zustimmung ausdrücklich festlegen wollte. Im Ergebnis entspricht jedoch die heutige Praxis dieser Formel.

(2) Der Klärung bedurfte auch die Frage, wie die Auftragslisten nach Art. 35 Abs. 3 lit. c V-NDB ausgestaltet würden. Dabei konnte eine Lösung gefunden werden, die den Bedürfnissen des Kontrollorgans entspricht. Der NDB stellt dem Kontrollorgan halbjährlich eine Liste aller Aufträge zu, die er der Fachgruppe 9 erteilt hat. In der Liste wird jeder Auftrag inhaltlich kurz umschrieben. Aufgrund dieser Umschreibung wählt das Kontrollorgan jene Aufträge aus, die es im Rahmen von Stichproben einer näheren Prüfung unterziehen will. Es ist deshalb von zentraler Bedeutung, dass die Umschreibung des Auftrags inhaltlich aussagekräftig ist.

(3) Eine dritte Frage betraf die Einsicht des Kontrollorgans in die Beobachtungsliste nach Art. 11 Abs. 2 BWIS. Obwohl das Kontrollorgan seinen Wunsch nach Einsicht mehrfach und auf verschiedenen Ebenen thematisierte, erhielt es vom NDB einen abschlägigen Bescheid. Umso erstaunlicher ist es, dass die Beobachtungsliste offenbar den Weg zu den Medien gefunden hat.

Die Beobachtungsliste wird vom VBS erstellt und vom Bundesrat genehmigt. Sie enthält jene Vorgänge, die dem NDB zu melden sind, jedoch aus Geheimhaltungsgründen nicht veröffentlicht werden dürfen, sowie jene Organisationen und Gruppierungen, über deren Tätigkeit und deren Exponenten alle Wahrnehmungen zu melden sind. Die Auftragsliste demgegenüber enthält alle Aufträge, welcher der NDB der Fachgruppe 9 erteilt.

Die Geheimhaltung der Beobachtungsliste scheint jedenfalls nicht gewährleistet zu sein. So wies die SonntagsZeitung in einem Beitrag vom 20. November 2011 darauf hin, dass ihr die Beobachtungsliste vorliege und machte Angaben über deren Inhalt.

Ein weiteres Thema der Gespräche betraf die Ausgestaltung des Verhältnisses zwischen dem Kontrollorgan und der Fachgruppe 9. Grundsätzlich steht die Regelung dieses Verhältnisses in der Kompetenz der Kantone; der Kanton Basel-Stadt hat entsprechende Vorschriften in der VV-BWIS verankert. Angesichts der höchst unklaren bundesrechtlichen Situation war es jedoch erforderlich, dass auch der NDB der Fachgruppe 9 Anweisungen über den Kontakt mit dem Kontrollorgan gab. Dabei musste insbesondere geklärt werden, unter welchen Voraussetzungen und in welchen Verfahren die Fachgruppe 9 dem Kontrollorgan Einsicht in seine Daten geben darf, ohne sich von Seiten der Bundesbehörden dem Vorwurf der Amtsgeheimnisverletzung auszusetzen. Der NDB hatte zu dieser Frage ein Kreisschreiben entworfen, das für sämtliche Kantone Geltung haben sollte. Das Kontrollorgan erhielt Gelegenheit, zum Entwurf des Kreisschreibens Stellung zu nehmen und konnte es dadurch inhaltlich massgeblich beeinflussen.

An zwei Nachmittagen fand für die Mitglieder des Kontrollorgans eine Einführung in die Funktionsweise der Staatsschutz-Datenbank des Bundes, das Informationssystem Innere Sicherheit (ISIS), statt. Dies sollte es dem Kontrollorgan erleichtern, bei seinen Kontrollen der Fachgruppe 9 die richtigen Fragen zu stellen. Bei den im Jahr 2011 durchgeführten Kontrollen vor Ort war zudem stets ein Mitglied der Nachrichtendienstlichen Aufsicht des VBS anwesend.

Im Verlauf der Gespräche mit Vertretern des Nachrichtendienstes des Bundes und seiner VBS-internen Aufsicht wuchs deren Bereitschaft zunehmend, beim Aufbau und der Durchführung einer kantonalen Aufsicht konstruktiv mit dem Kontrollorgan zusammenzuarbeiten. Dies zeigte sich ganz besonders in der Art und Weise, wie der Nachrichtendienst des Bundes dem Kontrollorgan Einsicht in die Daten des Bundes gab. Hier entwickelte der Nachrichtendienst eine bislang offene und unbürokratische Praxis. Die künftige Entwicklung dieser Praxis lässt sich heute jedoch nicht zuverlässig abschätzen, da sie rechtlich nicht verankert ist; die einschlägige Rechtsgrundlage, Art. 35a V-NDB, liesse eine bedeutend restriktivere Handhabung zu. Die gegenwärtig geübte kooperative Praxis ist einzig von der Offenheit der zuständigen Angestellten des Bundes abhängig. Der Vorsteher des VBS hat anfangs Februar 2012 u.a. jenem Mitarbeiter der Nachrichtendienstlichen Aufsicht gekündigt, der als Ansprechpartner des Kontrollorgans eingesetzt, bei dessen Visitationen anwesend war und vor Ort über die Gewährung der Einsicht in die Daten des NDB entschied. Das Kontrollorgan verfügt über keine Kenntnisse der Gründe für die Entlassung. Es ist für das Kontrollorgan aber nicht vorhersehbar, ob dadurch die Einsichtspraxis des NDB beeinflusst wird oder nicht. Eine klarere gesetzliche Regelung auf Bundesebene erscheint unabdingbar.

 

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