Ueli Maurer bessert sein Geheimdienstgesetz nach

1. August 2014

Markus Häfliger, NZZ

Der Bundesrat reagiert auf Kritik am neuen Nachrichtendienstgesetz und schwenkt teilweise ein. An einer umstrittenen Generalvollmacht zum Einsatz der Agenten hält die Regierung jedoch ausdrücklich fest.

Es geht um die bisher grösste Reform des Schweizer Staatsschutzes und Geheimdienstes. Am 19. Februar 2014 hat der Bundesrat einen Gesetzesentwurf verabschiedet, der dem Nachrichtendienst des Bundes (NDB) neue Kompetenzen bei der präventiven Überwachung gibt: Neu soll der NDB Telefongespräche abhören, private Räume verwanzen oder in Computer eindringen dürfen. Doch jetzt, bloss fünfeinhalb Monate später, bessert die Regierung ihren Gesetzesentwurf bereits nach. Das geht aus einem Bericht des Bundesrats zuhanden der Sicherheitspolitischen Kommission des Nationalrats hervor, welcher der NZZ vorliegt.

Mit seinen Korrekturen reagieren das zuständige Departement von Ueli Maurer und der Gesamtbundesrat auf die Kritik der Schweizer Geheimdienstaufsicht, der Geschäftsprüfungsdelegation (GPDel) des Parlaments. Die sechs National- und Ständeräte, die den NDB kontrollieren, haben den Gesetzesentwurf in über 30 Punkten bemängelt. Weitere Einwände kamen von der Finanzdelegation und der Rechtskommission. Aufgrund dieses breiten Widerstands vertagte die Sicherheitspolitische Kommission das Geschäft und forderte vom Bundesrat eine Stellungnahme. Diese hat der Bundesrat bereits am 6. Juni verabschiedet, bisher aber unter Verschluss gehalten.

Verstärkte Kontrolle

Wie aus der 57-seitigen Stellungnahme hervorgeht, schwenkt der Bundesrat in rund der Hälfte der Kritikpunkte ein. Teilweise handelt es sich um redaktionelle Details, aber nicht nur. So zielen mehrere Änderungsanträge der GPDel darauf ab, die politische Kontrolle über den Nachrichtendienst zu verstärken. Konkret geht es etwa um die Frage, wer im Einzelfall den Einsatz von Wanzen oder Trojanern bewilligt. Die GPDel will das (vom Bundesrat vorgeschlagene) dreistufige Verfahren um eine vierte Stufe ergänzen. In «Fällen von besonderer Bedeutung» soll demnach der Gesamtbundesrat darüber entscheiden, ob der NDB seine Agenten im Inland losschicken darf. Die drei vorgelagerten Stufen sind: das Bundesverwaltungsgericht (Genehmigung), das Aussen- sowie das Justizdepartement (Konsultation) sowie der Verteidigungsminister (Freigabe der Überwachungsoperation).

Die politische Kontrolle verstärken will die GPDel auch mit der Forderung, dass das Konsultationsverfahren unter den Departementen zwingend schriftlich geführt werden muss. Auch damit ist der Bundesrat einverstanden.

Weiter verlangt die GPDel, dass das Verteidigungsdepartement (VBS) die Kooperationsvereinbarungen mit ausländischen Diensten jeweils vom Gesamtbundesrat genehmigen lassen muss. Hier äussert der Bundesrat Zweifel, zeigt sich aber diskussionsbereit. Die GPDel verlangt auch mehr Informationsrechte für sich selber. So soll ihr jährlich eine Liste vorgelegt werden mit allen Tarnidentitäten der NDB-Agenten. Auch hier sperrt sich der Bundesrat nicht grundsätzlich.

Blankocheck für Regierung?

Widerstand leistet er aber bei einem zentralen Kritikpunkt, nämlich bei der Frage, für welche Zwecke der NDB eingesetzt werden darf. Weitgehend unbestritten ist, dass er Terrorismus, ausländische Spionage, die Proliferation gefährlicher Waffen sowie gewalttätigen Extremismus bekämpfen und kritische Infrastrukturen schützen soll. Darüber hinaus gibt der Gesetzesentwurf dem Bundesrat eine Art Generalvollmacht. «In besonderen Lagen» könnte er den NDB zur Wahrung «weiterer wesentlicher Landesinteressen» einsetzen.

Diese Gesetzesformulierung ist der GPDel viel zu schwammig. Sie kritisiert, damit würde man dem NDB «umfangreiche neue Aufgabengebiete sozusagen auf Vorrat zuweisen». Auch die im Gesetzesentwurf aufgezählten «wesentlichen Landesinteressen» sind der GPDel zu wenig präzise definiert. All dies sei umso problematischer, als sich der ganze Staatsschutz nicht auf eine ausdrückliche, sondern nur auf eine inhärente Verfassungskompetenz abstütze.

Der Bundesrat will am umstrittenen Artikel 3 festhalten. Aus seiner Sicht würde er sich «nicht nach Belieben, sondern nur in besonderen Lagen» darauf berufen. Alles in allem hält der Bundesrat das neue Nachrichtendienstgesetz für nötig, um die Schweiz vor neuen Bedrohungen zu schützen. Gleichzeitig würden die Bürger vor unverhältnismässigen Schnüffeleien geschützt, verspricht der Bundesrat.

Mit all diesen Anträgen und Gegenanträgen wird sich ab dem 25. August die Sicherheitspolitische Kommission befassen. Neben den Anträgen des Bundesrats und der GPDel haben die Parteien allein bis heute weitere rund 80 Änderungsanträge eingereicht.

 

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