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Die umstrittene anlasslose Vorratsdatenspeicherung in der Europäischen Union verstösst nach Ansicht eines Gutachters am Europäischen Gerichtshof (EuGH) gegen die Grundrechte. Das geht aus einer in Luxemburg veröffentlichten Stellungnahme des zuständigen Generalanwalts Pedro Cruz Villalon für den EuGH hervor.
Nach Auffassung des Gutachters widerspricht die EU-Richtlinie von 2006 zur Datenspeicherung als Ganzes der Grundrechte-Charta, so etwa dem Recht auf Schutz der Privatsphäre. Zudem sei die vorgesehene Speicherung der Daten von bis zu zwei Jahren unverhältnismässig lange. Der EU-Gesetzgeber hätte wegen der schwerwiegenden Eingriffe die Datenspeicherung auf «weniger als ein Jahr» begrenzen müssen.
Sein Wort hat ein hohes Gewicht
Cruz Villalon empfiehlt dem EuGH, die beanstandete Richtlinie nicht direkt auszusetzen, sondern bis zu einer Neufassung weiter gelten zu lassen. Vielmehr sollten die EU-Gesetzgeber ausreichend Zeit erhalten, um die notwendigen Änderungen vorzunehmen. Wie das Gericht nun verfährt, bleibt abzuwarten. Ein Urteil wird erst in einigen Monaten erwartet. In den meisten Fällen folgt der Gerichtshof dem einflussreichen Gutachter.
Mehrere Klagen von Unternehmen und Bürgern
Die Archivierung von Telefon- und Internetverbindungsdaten von Bürgern zu Fahndungszwecken ist in der EU hoch umstritten. Geklagt hatten ein irisches Unternehmen sowie die Kärntner Landesregierung und mehrere Tausend Österreicher. Sie argumentieren, dass die Speicherung unverhältnismässig sei und die Grundrechte auf Privatleben, den Schutz persönlicher Daten und freie Meinungsäusserung verletze.
«Ein eindeutiger Hinweis»
Die amtierende Bundesjustizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger forderte, «jetzt endlich über Sinn und Unsinn der Vorratsdatenspeicherung nachzudenken». Die EU-Kommission solle die Richtlinie aufheben. Der scheidende Bundesbeauftragte für den Datenschutz, Peter Schaar, erklärte, das Gutachten sei auch für die neue Bundesregierung «ein eindeutiger Hinweis, der nicht ignoriert werden könne».
Die Grünen im Europaparlament begrüssten das Rechtsgutachten. «Die Vorratsdatenspeicherung muss jetzt umgehend in der ganzen EU abgeschafft werden», forderte ihr innenpolitische Sprecher Jan Philipp Albrecht in einer Stellungnahme.
Verpflichtung zum Datensammeln
In der EU sind Telekomunternehmen seit einigen Jahren verpflichtet, Verbindungsdaten ihrer Kunden auch ohne konkreten Anlass oder Verdacht bis zu zwei Jahre lang aufzubewahren, damit Ermittler zur Aufklärung schwerer Verbrechen darauf zugreifen können.
In Deutschland gibt es derzeit keine gesetzliche Regelung dazu. Das Bundesverfassungsgericht hatte die deutsche Regel 2010 gekippt, seither wird über eine Neuregelung beraten. CDU, CSU und SPD wollen die Datenspeicherung in einer Grossen Koalition umsetzen. Zugleich wollen sie sich in der EU dafür einsetzen, die Speicherdauer auf drei Monate zu verkürzen. CSU-Innenexperte Hans-Peter Uhl kündigte an, dass die kommende Bundesregierung nun das Urteil des EuGH abwarten wolle.
Die Bundesrepublik ist das einzige Land, das die EU-Richtlinie noch nicht umgesetzt hat. Die EU-Kommission hat Deutschland deshalb vor dem EuGH verklagt.
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