Maildienste melden Hunderte Schweizer Kinderporno-Fälle

6. August 2014

Von Iwan Städler. Newsnet

US-Provider scannen automatisch E-Mails - auch solche von Schweizer Kunden. Das hat Folgen.

Wer ein E-Mail verschickt, muss unter Umständen damit rechnen, dass es nicht nur der Empfänger liest. Je nach Provider kann es auf bestimmte Schlüsselworte oder auf kinderpornografischen Inhalt untersucht werden. Automatisch. Dies ist einem Texaner zum Verhängnis geworden. Er hatte über Gmail - den E-Mail-Dienst von Google - eine Nachricht mit drei kinderpornografischen Bildern verschickt, wie ein Lokalsender in Houston berichtete.

Googles automatisches Prüfsystem entdeckte die Bilder und meldete sie dem National Center for Missing and Exploited Children (NCMEC). Dieses wiederum alarmierte die Polizei. Detective David Nettles sagte dem lokalen Fernsehsender: «Ich kann diese Informationen nicht sehen, ich kann dieses Foto nicht sehen - aber Google kann es.»

In der Tat verfügt der amerikanische Internetgigant über eine Technologie, die versandte Bilder mit bereits bekannten Kinderpornografie-Bildern abgleicht. Dies geschieht mit Hilfe sogenannter Hashwerte. Durch derartige mathematische Abstraktionen lassen sich Bilder identifizieren. Stellen Google oder andere amerikanische E-Mail-Anbieter fest, dass die Werte versandter Bilder mit solchen in der Kinderpornografie-Datenbank identisch sind, informieren sie das Kinderschutz-Zentrum. Auch bei Schweizer Kunden. Das NCMEC alarmiert dann bei internationalen Fällen die jeweiligen Strafbehörden. In der Schweiz landen auf diese Weise jährlich 200 Fälle beim Kommissariat für Pädokriminalität und Pornographie im Bundesamt für Polizei (Fedpol).

Was prüft Google sonst noch?

Googles Tipp führte im Fall des 41-jährigen Texaners zu dessen Verhaftung. Erschwerend kam für ihn hinzu, dass die Polizei bei einer Hausdurchsuchung weiteres kinderpornografisches Material fand - auf seinem Tablet-Computer und auf dem Handy. Jetzt wird der Restaurant-Angestellte angeklagt, nicht zum ersten Mal. Bereits vor 20 Jahren ist er wegen sexuellen Missbrauchs eines achtjährigen Kinds verurteilt worden.

Seine Festnahme dürfte die wenigsten erschüttern. Doch manch einer der über 400 Millionen Gmail-Nutzer fragt sich nun wohl: Nach welchen Kriterien scannt Google die E-Mails sonst noch? Werden auch Piraterie, Einbruchsvorbereitungen oder Beschimpfungen gemeldet? Google versichert, die Technologie nur zur Identifikation von Bildern mit Kinderpornografie zu nutzen. Nach Hinweisen auf andere Verbrechen suche man nicht.

Selbstverständlich werden die E-Mails aber auch auf Spam- und Viren-Inhalte überprüft. Darüber hinaus sucht Google nach bestimmten Schlüsselwörtern, um entsprechende Werbung zu schalten. Schreibt zum Beispiel jemand in seinen E-Mails öfters vom Heiraten, dürfte er bald entsprechende Anzeigen auf dem Bildschirm sehen. Die Microsoft-Dienste Hotmail und Outlook.com gehen weniger weit. Sie schalten keine solche Werbung. Aber auch sie suchen die E-Mails auf kinderpornografische Bilder ab. Die entsprechende Technologie namens PhotoDNA hat Microsoft schon vor fünf Jahren entwickelt. Sie wird inzwischen auch von Facebook und Twitter verwendet. Ebenfalls gescannt werden Bilder, die man über Photodienste wie Picasa oder Yahoo ins Internet stellt.

Ist das legal? Dürfen E-Mails und Internetinhalte gescannt, Dritten gemeldet und zu Werbezwecken ausgewertet werden? In den USA durchaus. Nach amerikanischem Recht sind Provider gar verpflichtet, einen Verdacht auf Kinderpornografie zu melden.

Bluewin scannt nicht

Anders in der Schweiz: Hiesige Anbieter wie Swisscom, Sunrise und Cablecom unterstehen dem Fernmeldegesetz - und damit dem Fernmeldegeheimnis. Sie dürfen E-Mails nicht von sich aus auf Kinderpornografie scannen. Laut eigenen Aussagen machen sie dies auch nicht. Man werde nur aktiv, wenn die Behörden dazu aufforderten, erklären sie übereinstimmend. Gut möglich dass nun einige Kinderporno-Konsumenten von US-Providern zu Bluewin, Hispeed, Sunrise und Green.ch wechseln. Oder zu GMX. Denn auch der deutsche E-Mail-Dienst scannt die Inhalte nicht. Man überprüfe sie - wie andere Anbieter - lediglich auf auf Viren und Spam.

Bleibt die Frage, ob sich Google als in der Schweiz tätiger Konzern beim Melden von Schweizer Kunden nicht auch ans Schweizer Recht halten müsste. Hier gehen die Meinungen auseinander. Der Zürcher Anwalt und Experte für Internet-Recht Martin Steiger findet: «Aus Schweizer Sicht ist das Vorgehen von Google kritisch.»

Der Internetriese verweist auf seine Nutzungsbedingungen. Darin behält sich Google explizit vor, Inhalte auf ihre Rechtswidrigkeit zu prüfen und bei Verstössen Daten an Dritte weiterzugeben. Auch Microsoft kennt ähnliche Allgemeine Geschäftsbedingungen. Steiger stellt jedoch in Frage, ob dies genügt. Denn bei der Weitergabe von Daten handle es sich um «eine ungewöhnliche und weitgehende Bestimmung - die erst noch tief vergraben in den Nutzungsbestimmungen versteckt ist.»

 

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